Kino:Grenzenloser Idealismus

Bei den Hofer Filmtagen wird erstmalig ein Preis für die beste Dokumentation ausgeschrieben. Das ist eine schöne Geste an Regisseure wie den Münchner Wolfgang Ettlich, die für ihre Arbeiten große Strapazen auf sich genommen haben

Von Bernhard Blöchl

Wolfgang Ettlich kennt sich aus in Hof. Als Dokumentarfilmer, der seit mehr als 30 Jahren Langzeitbeobachtungen, Porträts und Experimentelles produziert, war der Wahl-Münchner mehrmals bei den Hofer Filmtagen vertreten, etwa mit der Jugend-Studie "Irgendwie Power machen" (1994) oder der Fortsetzung "Die Neumanns" (2010). Wenn an diesem Dienstag die 49. Ausgabe des Festivals beginnt, ist Ettlich wieder dabei, und dieses Mal wird die oberfränkische Stadt auch in seinem Film eine Rolle spielen: "Meine Reise in die DDR - 25 Jahre später" heißt sein Werk, in dem er von München aus über Hof nach Ostdeutschland fährt, um am Ende in die einst letzte Weststadt vor der Grenze zurückzukehren.

Von Hof bis Hof - eine Reise, die Wolfgang Ettlich und sein Kameramann Hans Albrecht Lusznat im Januar 1990 erstmals unternahmen und die sie im vergangenen Jahr wiederholten. Dieselbe Route, dieselbe Neugier, teilweise dieselben Begegnungen. Der Film, der am 22. Oktober Premiere im Hofer Central-Kino hat, ist ein Spiegel der Geschichte oder: "einer meiner spannendsten Filme, die ich über Deutschland gemacht habe", wie Ettlich sagt.

Mit 28 Beiträgen ist das Genre Dokumentarfilm in diesem Jahr vergleichsweise stark vertreten bei dem renommierten bayerischen Festival. "Wir haben neben den Spiel- und Kurzfilmen auch schon immer den Dokumentarfilm in unserem Programm gepflegt", sagt der Leiter Heinz Badewitz. "In den letzten Jahren hat der deutsche Dokumentarfilm auch international an Präsenz gewonnen." Musikfilme und Künstlerporträts sind dabei, außerdem Werke, die sich mit Krieg, Flucht oder der Suche nach der Heimat und dem eigenen Lebensgefühl beschäftigen, wie Wolfgang Ettlichs Film. Wie die anderen Nominierten darf sich der Schwabinger, Jahrgang 1947, Hoffnungen auf den Hofer Dokumentarfilmpreis machen, der in diesem Jahr erstmals vergeben wird und mit 7500 Euro dotiert ist. Die neue Auszeichnung heißt "Granit", weil Dokumentarfilmemacher häufig großen Belastungen ausgesetzt seien und "hart wie Granit" sein müssten, erklären die Organisatoren.

Kino: Lange her: Wolfgang Ettlich (links) und der Kameramann Hans Albrecht Lusznat 1990 auf der Loschwitzer Brücke, die über die Elbe in Dresden führt.

Lange her: Wolfgang Ettlich (links) und der Kameramann Hans Albrecht Lusznat 1990 auf der Loschwitzer Brücke, die über die Elbe in Dresden führt.

(Foto: Wolfgang Ettlich)

Wolfgang Ettlich kann das gut verstehen. Oft legt er einfach los, getrieben von Herzblut, ohne Recherche, ohne Förderungen oder feste Zusagen von TV-Partnern. "Du musst Idealismus haben", sagt er. Gefragt sei persönliches Engagement. Wie im Januar 1990, als der in Berlin aufgewachsene Ettlich und Lusznat in einem Mercedes Kombi von München aus aufbrachen, um ihre Expedition in ein unbekanntes Land zu starten. Es war ihre erste Zusammenarbeit, eine Reise, die sie nach Zschopau, Dresden und Berlin führte und die beiden mit vielen Menschen zusammenbrachte, darunter Ladenbesitzer, Drechsler, Filmemacher. Aus den Bildern, die Hans Albrecht Lusznat mit seiner analogen "Hi 8"-Videokamera eingefangen hat, sind eigene Filme entstanden, darunter "Ausgerechnet Bananen" (1991), das Porträt über den Lebensmittelhändler Jürgen Schütze. Andere Szenen des mehrstündigen Materials verwerten sie erst jetzt, 25 Jahre später, nachdem sie viele der Menschen von damals erneut besucht haben. Der sehr persönliche Film "Meine Reise in die DDR" hat seine Stärken vor allem in den vielen Gegenschnitten, in der konkreten Dokumentation der Veränderung. Der Zuschauer sieht den gesellschaftlichen Wandel, das Verschwinden der Trabbis und das der Menschen aus Hof. Ohne den nicht-profitorientierten Einsatz der jungen Kreativen von damals wäre das Werk nicht möglich gewesen.

Risiken und zum Teil große Reisen nahmen auch seine jüngeren Kollegen auf sich, deren Dokumentationen ebenfalls über die Hofer Kinoleinwände flimmern. Manuela Bastian, geboren 40 Jahre nach Ettlich und aufgewachsen am Ammersee, hat in Indien gedreht und einen Teil der Kosten via Crowdfunding gedeckt. In "Where To, Miss?" porträtiert sie die 22-jährige Inderin Devki, die sich aus dem traditionellen Rollenbild befreien und Taxifahrerin werde möchte. Ein Film über Emanzipation und den Kampf für ein selbstbestimmtes Leben (Premiere am 21. Oktober). Einer spannenden gesellschaftliche Frage gehen auch die HFF-Studenten Lea Becker und Jakub Rzucidlo in "The Right Kind Of Love" nach. Auf ihrem Trip durch die USA haben sie Gespräche über Homo- und Heterosexualität geführt und zu erörtern versucht, ob es die "richtige Art der Liebe" überhaupt gibt (22. Oktober). Von einem Aussteiger-Abenteuer in den Schweizer Bergen erzählt indes Julia Tals Film "Z'Bärg" (21. Oktober).

Die 49. Hofer Filmtage

Den neuen Talenten des deutschen Films ein Podium zu bieten, das ist seit jeher die zentrale Aufgabe der Hofer Filmtage, die neben den Festivals in Berlin und München zu den wichtigsten des Landes zählen. Daran hat sich auch ein Jahr vor dem großen Jubiläum nichts geändert: Der künstlerische Leiter Heinz Badewitz hat zahlreiche junge Filmemacher eingeladen, die in Hof ihre Debüts vorstellen. Zum Beispiel Constantin Hatz ("Die Fuge"), Thomas Stuber ("Herbert"), Ekrem Ergün ("Hördur"), Mia Maariel Meyer ("Treppe aufwärts") und Maximilian Buck ("Trash Detective"). Auch erfahrene Independent-Filmer wie der Münchner Detlef Bothe ("Eva S. - Die Nationalistin") sind gern gesehene Gäste in Oberfranken. Neue Filme aus den USA, aus Frankreich, Irland, Japan, Neuseeland und vielen weiteren Ländern ergänzen das Programm. Insgesamt flimmern von Dienstag bis Sonntag, 20. bis 25. Oktober, 125 Beiträge über die Leinwände der Stadt, darunter Spiel- und Dokumentarfilme sowie Kurzfilme. Zum Auftakt wird die Europa-Premiere von Christian Züberts deutsch-griechischem Drama "Ein Atem" gezeigt. Die diesjährige Werkschau ist dem Engländer Christopher Petit gewidmet. Weitere Informationen und Ticket-Service im Internet unter www.hofer-filmtage.com. blö

Zwei, die sich bereits auskennen in Hof, zeigen auf den Filmtagen ebenfalls ihre neuen Dokumentationen: Alexander Riedel will mit einem Mosaik aus Langzeit-Kurzporträts Einblicke in das Studentenleben geben ("Hey Uni", 21. Oktober). Sein Kollege German Kral hat das einstige Vorzeigepaar des argentinischen Tangos, María Nieves und Juan Carlos Copes, noch einmal zusammengebracht ("Ein letzter Tango", 21. Oktober).

Eines verbindet alle Regisseure: "Dokumentarfilme ohne Liebe funktionieren nicht." Zu dieser Erkenntnis ist Wolfgang Ettlich schon sehr früh gekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: