Kino:Frauen im Fokus

Diskussion beim Fünf-Seen-Filmfestival

Von Constanze Radnoti, Starnberg

Wer den Deutschen vorwirft, keinen Sinn für Humor zu haben, sollte einen Blick auf die Liste der erfolgreichsten deutschen Kinofilme werfen. Die Top Fünf sind allesamt Komödien und Abenteuergeschichten. Sie handeln von Cowboys und Indianern ("Der Schuh des Manitu"), von Weltraumhelden ("(T)Raumschiff Surprise"), von liebenswerten Trotteln ("Otto - Der Film") oder von verbrecherischen Lehrern ("Fack ju Göhte"). Ihre Helden sind mutig und naiv, clever und chaotisch, liebenswert und albern. So unterschiedlich die Filme auch sein mögen, etwas haben sie doch gemein: Bei allen hat ein Mann Regie geführt. Bei allen haben Männer das Drehbuch geschrieben. Und alle erzählen die Geschichte eines Mannes. Die Frauen, die in den Filmen mitspielen, sind vor allem da, damit die Männer sich in jemanden verlieben können. Man kann nur darüber spekulieren, ob das anders wäre, hätte eine Frau Regie geführt oder das Drehbuch geschrieben.

Die Ergebnisse einer Studie der Universität von San Diego sprechen dafür: Ist an Regie oder Drehbuch mindestens eine Frau beteiligt, ist der Anteil der weiblichen Hauptfiguren mehr als dreimal so hoch wie bei Filmen von Männern. In den USA ist das schon länger ein Thema, deshalb greift so manche Schauspielerin zu besonderen Mitteln, um an spannende Figuren heranzukommen. Sandra Bullock etwa sucht gezielt nach Rollen, die eigentlich für Männer geschrieben wurden, weil die oft interessanter sind.

23 Prozent

der Spiel- und Dokumentarfilme, die zwischen 2011 und 2015 in Deutschland uraufgeführt wurden, haben Frauen geschrieben oder gedreht. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Filmförderanstalt (FFA) im Februar veröffentlicht hat. Für Christine Berg von der FFA ist das der Beweis, dass weibliches Potenzial "nicht genug gesehen, gefördert und gefordert wird." Eine Podiumsdiskussion an diesem Samstag in Starnberg geht der Frage nach: "Fehlen die Geschichten der Frauen?" Es diskutieren unter anderen Christine Berg und der Regisseur Simon Verhoeven, Carolin Otto moderiert.

Auch deutsche Filmemacher setzen sich verstärkt mit der Rolle von Frauen vor und hinter der Kamera auseinander. Zum Beispiel bei der Reihe "Fokus Drehbuch" auf dem Fünf-Seen-Filmfestival (FSFF) an diesem Samstag in Starnberg. Dort diskutieren Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen: "Fehlen die Geschichten der Frauen?" Die Filmförderanstalt (FFA) hat dazu im Februar eine Studie veröffentlicht. Diese ergab, dass nur 23 Prozent der Spiel- und Dokumentarfilme, die zwischen 2011 und 2015 in Deutschland uraufgeführt wurden, von Frauen geschrieben oder gedreht wurden. Für Christine Berg von der FFA ist das der Beweis, dass weibliches Potenzial "nicht genug gesehen, gefördert und gefordert wird."

Die Drehbuchautorin Susanne Schneider hat eine Idee, wie es aussehen könnte, wenn sich daran etwas ändert: "Frauenfiguren wären vielschichtiger, wenn man Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen gezielt fördern würde." Sie dürften dann auch mal machthungrig oder korrupt sein, statt immer nur "auf das Private reduziert" zu werden. Noch behandelten jedoch selbst vermeintlich politische Geschichten über Frauen vor allem Themen wie Liebe oder Krankheit, sagt Schneider.

Kino: Im Festival-Eröffnungsfilm "Maudie" beeindruckte eine vielschichtige Frauenrolle: Sally Hawkins spielt die kanadische Malerin Maud Lewis.

Im Festival-Eröffnungsfilm "Maudie" beeindruckte eine vielschichtige Frauenrolle: Sally Hawkins spielt die kanadische Malerin Maud Lewis.

(Foto: Duncan Deyoung)

Ihre Kollegin, die Drehbuchautorin Natja Brunckhorst, die auch bei der Podiumsdiskussion in Starnberg teilnehmen wird, dagegen findet, dass sich die Lage für Frauen schon merklich verbessert hat. "Es gibt viele tolle Frauenrollen. Als ich vor 36 Jahren in der Branche angefangen habe, war das noch anders." Brunckhorst glaubt, Frauen seien auf einem unaufhaltsamen Vormarsch. "Die Geschichten hinken der Emanzipation etwas hinterher. Aber wir befinden uns im Prozess einer großen Veränderung." Während weibliche Figuren früher oft nur "sexy" oder "doof" gewesen seien, hätten sie heute Tiefgang und Kompetenz. "Die neue Frauen-Generation kann Stöckelschuhe und Bohrmaschine." Auch Brunckhorst schreibt häufig für starke Frauen - keine Absicht, sagt die Autorin. Sie könne nicht einfach entscheiden, dass ihre Hauptfigur eine Frau sei und darum eine Geschichte bauen. "Ich muss erst die Geschichte finden, und die gibt dann vor, ob sie von einer Frau oder von einem Mann handelt."

So ähnlich sehen es auch die Veranstalter des Filmfestivals. "Matthias Helwig wählt die Filme danach aus, ob sie ihn berührt haben," sagt der Pressesprecher Konstantin Fritz. Ob ein Film eine Regisseurin habe oder das dazugehörige Drehbuch von einer Frau stamme, sei nicht in die Entscheidung eingeflossen. Dennoch rückt das FSFF mit "Fokus Drehbuch" und dem dazugehörigen "DACHS-Drehbuchpreis" das Thema "Frauen" in den Mittelpunkt. In der Jury sitzen mit Brigitte Drodtloff, Tanja Weber und Annika Tepelmann ausschließlich Filmemacherinnen. Und auch bei den nominierten Filmen ist die Frauenquote besser als etwa bei den Oscars: Zehn Filme sind für den Drehbuchpreis nominiert, vier davon haben Männer geschrieben, drei stammen von Frauen, drei von gemischten Teams. Dass die Branche trotzdem noch einen weiten Weg vor sich hat, darüber sind sich alle einig.

Fehlen die Geschichten der Frauen?; Samstag, 29. Juli, 18.30 Uhr, Starnberg, Schlossberghalle

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