Kino:Eintauchen in die Bilderflut

Beim "Filmschoolfest Munich" zeigen 60 Studenten aus 21 Ländern ihre Arbeiten - große Themen sind Isolation und Social Media. Für die Zuschauer ist es ein besonderes Vergnügen, nach den Regiestars von morgen Ausschau zu halten

Von Josef Grübl

Einer der größten Irrtümer über Filmfestivals ist, dass sie einzigartig sind. Da können die Organisatoren noch so laut mit Premieren und exklusiven Gästen trommeln - wenn sie gegen andere Filmfeste antreten müssen, ist es schnell vorbei mit der Einzigartigkeit. In München ist gerade Festival-Hochsaison, das Publikum hat bis Ende November die Wahl zwischen der Griechischen Filmwoche, dem Rumänischen Filmfestival oder dem Queer-Film-Festival. Und dann eröffnet dieses Wochenende auch noch das zum "Filmschoolfest Munich" umbenannte Festival der Filmhochschulen, zu dem 60 junge Filmemacher aus 21 Ländern erwartet werden.

"Ja, es gibt einen Overkill an Festivals oder Filmwochen", sagt Diana Iljine, die das Filmschoolfest leitet, sie selbst leide aber nicht darunter. "Wir haben fast immer volles Haus." Es sind vor allem die Filmstudenten aus dem In- und Ausland, die im Kinosaal des Filmmuseums sitzen, etwa ein Drittel der Plätze werde von filminteressierten Münchnern belegt, so Iljine. Für die Zuschauer ist es ein besonderes Vergnügen, nach den Regiestars von morgen Ausschau zu halten: Wird das vielleicht der nächste Lars von Trier? Die nächste Maren Ade? Beide zeigten als Studenten ihre Filme in München, das Festival ist stolz auf diese berühmten Namen. Doch die Zeiten sind härter geworden, nicht nur im Festivalkalender. Auch an den Schulen gibt es einen Overkill, weltweit bilden unterbeschäftigte Regisseure die nächste Generation von unterbeschäftigten Regisseuren aus. Und es werden mehr: Die Zahl der Filmschulen oder Filmstudiengänge steigt, beim "Filmschoolfest" sind dieses Jahr drei Schulen neu dabei, aus Bogotá, Oslo und Gdynia.

"Ja, es gibt einen Overkill an Festivals oder Filmwochen." - Diana Iljine, Leiterin des Filmschoolfest Munich

Der Andrang beim Festival ist groß; so groß, dass man schon vor Jahren Zugangsbarrieren einrichten musste. Jede Filmschule darf nur noch siebzig Minuten Filmmaterial einreichen - je kürzer die Arbeiten der Studenten also sind, desto mehr von ihnen können auf eine Einladung nach München hoffen. Dort herrsche Partystimmung, behauptet die Festival-Chefin, gleichwohl seien sich die Nachwuchstalente sehr wohl bewusst, dass sie auf ihre zukünftigen Konkurrenten treffen. "Sie sind aber alle sehr positiv gestimmt und freundlich zueinander", sagt Iljine, "sie kritisieren sich auf eine gute Art." Die meisten Kurzfilme entstanden an deutschen Filmschulen, in München, Köln oder Babelsberg, aber auch Israel, Polen und Australien sind traditionell stark vertreten.

In diesem Jahr setzt der Nachwuchs auf private Geschichten, angesichts der trostlosen politischen Weltlage möchte man ihm das noch nicht einmal verübeln. Doch bei genauerem Hinsehen sind sie dann doch politisch, diese scheinbar privaten Filme: In "Passenger" streitet sich ein deutsches Paar darüber, ob sie den jungen Afrikaner, der sich auf ihre Mitfahrgelegenheits-Anzeige gemeldet hat, wirklich über die Grenze transportieren sollen - da wird die Flüchtlingskrise flugs zur Beziehungskrise. Oder "The Kangaroo Guy" aus Australien: Ein Politiker überfährt ein Känguru und redet sich vor den Kameras um Kopf und Kragen - ein humorvoller Blick auf politischen Korrektheitszwang und die Macht der Bilder. Gleich mehrere Filme setzen sich mit den angeblich so sozialen Medien auseinander, allen voran der mit einem Studenten-Oscar ausgezeichnete 30-Minüter "Invention Of Trust" des HFF-Studenten Alex Schaad. Er erzählt von der Datensammelwut der Internetkonzerne und den Folgen für einen Lehrer, der die Kontrolle über sein Leben verliert. Kein Wunder, dass sich die Menschen zurückziehen, Isolation ist ein weiteres großes Thema. In "My Silicone Love" aus den Niederlanden erlebt man einen Mann, der sich nur für sich und seine "Girls" interessiert. Er fährt sie herum, kauft für sie ein und greift ihnen in den Schritt. Zu einer Kommunikation mit Frauen aus Fleisch und Blut ist er nicht fähig, seine Girls sind lebensgroße Puppen aus Silikon. Solche Geschöpfe tauchen auch im Mainstream-Kino auf - aktuell läuft die deutsche Sexpuppen-Komödie "Verrückt nach Fixi" - mit billigen Kalauern begnügt sich "My Silicone Love" aber nicht. Es ist ein Dokumentarfilm, auch wenn sich dessen Protagonist selbst zu inszenieren versucht.

Um Inszenierung und Informationsaustausch geht es auch in den "Filmschool Lectures", die neu sind und in der HFF stattfinden: Darin geht es unter anderem ums Drehbuchschreiben oder wie soziale Medien und Online-Pornos die Menschen vom Gang ins Kino abhalten. Ob man gleich hinterher wieder ins Kino gehen will?

36. Filmschoolfest Munich, So., 13., bis Sa., 19. November, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1

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