Kino:Die Zeitweise

Ein Dokumentarfilm über Hanne Darboven

Von Jürgen Moises

Sie schreibe Räume voll mit Zeit, das hat Hanne Darboven selbst einmal über ihre künstlerische Arbeit gesagt. Diese sah zu einem großen Teil so aus, dass sich die 1941 in München geborene und 2009 in Rönneburg gestorbene Konzeptkünstlerin und Komponistin jeden Tag morgens um vier in ihrem Bauernhaus in Hamburg-Harburg in ihre Schreibstube setzte, um sieben Stunden lang unzählige Kalender-, Heft- oder Notizbuch-Seiten mit abgeschriebenen Texten, Noten oder Zahlenreihen zu füllen. Wieso? Vielleicht, weil dieses buchhalterische Vorgehen, das Darboven mit mönchischer Disziplin betrieb, ihr das Gefühl gab, die unermüdlich fortschreitende Zeit wenigstens ein Stück weit zu beherrschen.

Ein illusionäres Unterfangen, das letztlich zum Scheitern verurteilt war. Das aber, wie es die große Hanne-Darboven-Retrospektive im Haus der Kunst vor einem knappen Jahr zeigte, in seiner Konsequenz auch heute noch beeindruckt. Was sieben Jahre nach Darbovens Tod von ihrem Lebenswerk geblieben ist, dem spürt auch Rasmus Gerlach in seinem Dokumentarfilm "Timeswings - Hanne Darbovens Kunst" nach. Der Hamburger Dokumentar- und Experimentalfilm-Regisseur, der seinen Film im Werkstattkino vorstellt, hat die Künstlerin persönlich gekannt. Seine erste Begegnung mit ihr war als Schüler. Später hat er an Darbovens 60. Geburtstag die Aufführung ihres Orgelkonzerts in der Hamburger Laeiszhalle dokumentiert.

In "Timeswings" lässt er die Zuschauer nun von Darbovens Hausfotografen und Tonassistenten Bernhard Berz und anderen Mitarbeitern durch ihr Bauernhaus führen, in dem sich ihre Werke und gesammelten Gegenstände bis unter die Decke stapeln. Zudem wird in Plan-Sequenzen der Aufbau der Ausstellung im Haus der Kunst gezeigt. In den Film eingestreut sind Archiv-Aufnahmen von Darboven, die das Komponieren mit derselben mathematischen Strenge wie ihre Bildende Kunst betrieb. Und deren genauso asketisches wie exzentrisches Künstlerleben sich auch in ihrer optischen Erscheinung ausdrückte. Mit ihren kurzen Haaren, Streifenanzug, Hosenträgern und bis oben hin zugeknöpftem Hemd erschien sie wie eine Mischung aus Dandy und Klosterfrau. Nur dass sie ihr Leben keiner religiösen, sondern einer selbst gewählten künstlerischen Ordnung unterwarf.

Timeswings - Hanne Darbovens Kunst, Do., 29. Dez., 18 Uhr, Werkstattkino, Fraunhoferstr. 9

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