Kino:Die Leiden des jungen B.

Mit Christopher Nolans "Batman Begins" präsentiert Hollywood einen kühnen Neustart der alten Heldengeschichte.

Die Wege der Erziehung sind hart und entbehrungsreich, und besonders entbehrungsreich ist die Selbstfindung des jungen Mannes. Er fühlt das Gewicht der Welt auf seinen Schultern lasten, er spürt eine unbestimmte, drängende Sehnsucht - und es kann durchaus sein, dass ihn sein Streben früher oder später in eine Gefängniszelle im hintersten Bhutan führt.

Kino: Die komplette Therapie: Der Held muss der Fledermaus in sich selbst gegenübertreten und damit seiner größten Angst. Vorher geht, wir ahnen es schon, als Batman natürlich überhaupt nichts.

Die komplette Therapie: Der Held muss der Fledermaus in sich selbst gegenübertreten und damit seiner größten Angst. Vorher geht, wir ahnen es schon, als Batman natürlich überhaupt nichts.

(Foto: Foto: AP)

Dort landet eines Tages der junge Amerikaner Bruce Wayne (Christian Bale), seines Zeichens Waisenkind, Millionenerbe, Aussteiger und Suchender - zuletzt hat er sich aus unerfindlichen Gründen in der chinesischen Unterwelt herumgetrieben. Und wie oft in solchen Momenten sorgt die wundersame Dramaturgie des Lebens (beziehungsweise das Drehbuch von "Batman Begins") dafür, dass gerade hier ein neuer Anfang wohnt.

Plötzlich steht ein Mann namens Ducard (Liam Neeson) in seiner Zelle, der sich als Lehrmeister der jahrhundertealten Shaolin-Kampfkunst erweist und im Grunde wie gerufen kommt. Er macht nicht viele Worte, aber seine Botschaft ist klar: "Suche nach der blauen Blume, die am Fuße des Berges wächst. Sie wird dir den Weg weisen."

So geschieht es, und dem durchschnittlichen adoleszenten Kinogänger kommt das vermutlich ganz normal vor - Jediritter und andere weise Lehrmeister reden halt so. Der durchschnittliche Feuilletonist dagegen reibt sich kurz die Augen: Wurde hier gerade ein Symbol der literarischen Romantik zitiert? Gilt der Dichter Novalis seit neuestem als heißer Autor in Hollywood? Und: Ist dies wirklich der neue Batman-Film?

Die Antwort geht ungefähr so: Dies ist ein Batman-Film, der sich lange Zeit weigert, ein Batman-Film zu werden. Die Kritiker in den USA fanden das befremdlich: Sie schauten auf die Uhr und berichteten empört, dass fast eine Stunde vergeht in diesem Film, bis Bruce Wayne zum ersten Mal sein Fledermaus-Kostüm überwirft und anfängt, Batman zu sein.

Darauf kann man antworten, dass große Entwicklungen nicht über Nacht passieren, und dass sich Jünglinge heutzutage generell etwas Zeit lassen, bevor sie zu echten Männern reifen.

Und überhaupt: Sind es nicht eher die Zweifelnden und Unwilligen, die am Ende immer die besten Kinohelden abgeben? Die unerschrockene Ernsthaftigkeit dieses Films, seine Sehnsucht nach einer anderen Wirklichkeit - das alles funktioniert wunderbar. Immerhin geht es hier um die Wiederbelebung eines Blockbuster-Franchise, das zuletzt von dem spaßbesessenen Dekorateur Joel Schumacher ruiniert wurde.

Die Leiden des jungen B., das könnte das Motto sein: "Batman Begins" handelt vor allem von Angst. Zur Batman-Legende gehören von Anfang an zwei traumatische Kindheitserlebnisse. Zum einen fällt der junge Bruce in einen Schacht, der sich als Eingang einer Höhle entpuppt - und steht Todesängste aus, als Fledermäuse im Dunkeln um ihn herumflattern.

Die Leiden des jungen B.

Zum anderen muss er mit ansehen, wie seine Eltern in Gotham City erschossen werden - von einem gewöhnlichen, ziemlich verzweifelten Straßenräuber. Schon Tim Burton hat in seiner Batman-Adaptionen auf dieses dunkle Erbe hingewiesen, aber das war eher ein schwarzer Tupfer in einem herrlich ausschweifenden Art-Déco-Gemälde.

"Batman Begins" dagegen zeigt die komplette Therapie: Fledermausschwärme verdunkeln die Sonne, der Held muss der Fledermaus in sich selbst gegenübertreten und damit seiner größten Angst - und als er endlich furchtlos ist, nimmt er gewissermaßen ein Bad in tobenden Fledermäusen. Vorher geht, wir ahnen es schon, als Batman natürlich überhaupt nichts.

Danach beginnt er doch noch, der 150-Millionen-Dollar-Blockbuster: Mit elaborierten Kampfsequenzen und wilden Verfolgungsjagden in einem neuen, panzerartigen Batmobil. Die Schurken, darunter ein Psychiater mit erschreckend blauen Augen, der sich "Vogelscheuche" nennt (Cillian Murphy), wollen erst mal nur Geld und Macht, später aber, im Fall der fundamental-terroristischen "Schattenliga", die Vernichtung der ganzen verkommenen Stadt.

Christopher Nolan, der junge britische Regisseur, und David S. Goyer, sein Autor, sind keine Rebellen gegen das Studiosystem - sie bemühen sich sehr, auch dem durchschnittlich adoleszenten Kinogänger eine angemessene Ladung Adrenalin zu verpassen.

Nolan hat sich aber, mit Filmen wie "Memento" und "Insomnia", als einer der smartesten neuen Regisseure empfohlen - und er versucht auch hier, die ein oder andere intelligente Idee einzuschmuggeln. Einmal zum Beispiel erklärt der Führer der Schattenliga seine Theorie der Massenvernichtungswaffen: Die wirksamsten Killer, sagt er, seien Kapitalismus und Angst. Dann geht er daran, seine Erkenntnisse an Gotham zu demonstrieren.

In diesem Moment deutet sich ein phantastisches Finale an, gewissermaßen die Steigerungen jener Pathologien, die Michael Moore dem amerikanischen Imperium diagnostiziert: Die Stadt soll sich gewissermaßen selbst zerfleischen, in einem Alptraum aus Ungerechtigkeit und sorgsam geschürter Paranoia. Kein ganz abwegiger Gedanke - und Batman, der auch selbst vor allem als Drohgebärde im Fledermauskostüm funktioniert, könnte diesem Desaster nur hilflos zusehen.

Leider verlässt der Film in diesem Augenblick das Gebiet der Psychologie und steuert auf einen vergleichsweise plumpen mechanischen Showdown zu. Der Plan hat mit einer halluzinogenen Droge im Trinkwasser und einer gefährlichen Mikrowellenkanone zu tun, genauer sollte man lieber nicht nachfragen - jedenfalls ist er so kompliziert und hirnrissig, dass Batman und sein neuer Freund, der aufrechte Polizist Gordon (Gary Oldman), ihn ohne weiteres verhindern können.

Die blaue Blume der Romantik aber, sie kommt auch am Ende noch einmal vor - allerdings nicht mehr als Zeichen einer Utopie, sondern plötzlich als Instrument des Bösen. Sie weist zwar den Weg zur Selbstfindung des Helden, aber dieser Weg, das stellt sich später heraus, führt eindeutig in die falsche Richtung. Das Novalis-Revival in Hollywood, fürchten wir, wird also weiterhin auf sich warten lassen. TOBIAS KNIEBE

BATMAN BEGINS, USA 2005 - Regie: Christopher Nolan. Buch: Christopher Nolan, David S. Goyer. Nach den Comicbüchern von Bob Kane. Kamera: Wally Pfister. Schnitt: Lee Smith. Musik: Hans Zimmer, James Newton Howard. Produktionsdesign: Nathan Crowley. Artdirection: Simon Lamont. Mit: Christian Bale, Michael Caine, Liam Neeson, Katie Holmes, Gary Oldman, Cillian Murphy, Tom Wilkinson, Rutger Hauer, Ken Watanabe, Mark Boone Junior, Linus Roache, Morgan Freeman. Warner, 140 Minuten.

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