Kino:Die Farbe des Gelbes

Film Title: Despicable Me 3

Ihre besondere Form der Impulskontrolle (absolut nicht vorhanden) zwingt die Minions dazu, auf jeden neuen Reiz ganz unmittelbar zu reagieren.

(Foto: AP)

Als Handlanger des Bösen eroberten die Minions zuerst das Animationskino und dann die Welt. In "Ich - Einfach unverbesserlich 3" brennen sie durch - und offenbaren ihre innerste Triebkraft.

Von Tobias Kniebe

Entscheidende Dinge enthüllen sich manchmal erst im Lauf der Zeit. Zum Beispiel die innerste Triebkraft der Minions, die in den letzten sieben Jahren als leuchtend gelbe Handlanger des Bösen zuerst das Animationskino und dann die Welt erobert haben. Was führte sie täglich mit Latzhose und Schweißerschutzbrillen ins Hightech-Labor? Warum bastelten sie nimmermüde an Wunderwaffen wie der Furzkanone und Vergletscherungsbeamer, obwohl ihnen als Belohnung nur ab und zu eine müde Banane winkte? Die Lösung ist, kurz gesagt - sie hatten einfach Lust auf den Quatsch.

Was erst in dem Moment richtig erkennbar wird, als sie im neuen Film einfach kündigen. Ihr Boss, der ehemalige Superschurke Gru, ist aus Gründen der Liebe auf die Seite des Guten gewechselt und jagt jetzt im Auftrag der Regierung andere Verbrecher. Damit beginnt die aktuelle Folge von "Ich - Einfach unverbesserlich", Teil drei der Reihe, aber schon der vierte Film mit den Minions. Die gelben Minischurken langweilen sich, sie vermissen die diabolischen Pläne von früher, die kichernde Bosheit, den höllischen Spaß. Eines Tages ziehen sie den Blaumann aus, präsentieren ihrem Boss kollektiv das Hinterteil und machen sich davon.

Was insofern sehr folgerichtig ist, als sie sich auch in der echten Welt längst aus jedem Storyzusammenhang, jedem Beschäftigungsverhältnis und jedem Kontext gelöst haben. Eine Zeitlang konnte man sie vor allem in Spielzeugläden und Kinderzimmern finden, inzwischen sind sie ihr eigenes Mem und ihre eigene Marke, infizieren jedes Produkt, das auch nur entfernt mit der Farbe Geld (ähm, Gelb natürlich) verbunden ist, und geistern in jedem physischen Aggregatzustand durch die Welt - gefroren als Eis, gebacken als Keks, verflüssigt als Drink, verdickt als Kleber und natürlich gasförmig als Heliumballon.

Die Minions besitzen die seltene Gabe, wirklich überall Spaß zu haben

Nur im neuen Film irren sie dann, von der Last der Lohnarbeit befreit, doch ein wenig ziellos umher. Was aber auch wieder logisch ist. Ihre besondere Form der Impulskontrolle (absolut nicht vorhanden) zwingt sie dazu, auf jeden neuen Reiz ganz unmittelbar zu reagieren - da ist einfach kein Platz für langfristige Strategien. Hier jagen sie zum Beispiel spontan einem Pizzaboten nach und landen dadurch live auf der Bühne eines Fernseh-Gesangwettbewerbs, wo sie zwar A cappella alles geben, aber dennoch verhaftet und ins Gefängnis gesperrt werden.

Der Knast wäre nun nicht ihr Verderben, sie besitzen die seltene Gabe, wirklich überall Spaß zu haben. Dann aber ereilt sie eine Art spiritueller Ruf. Es ist die Stimme von Popgott Pharrell Williams, der ihnen seit dem Song "Happy" geistig verbunden ist. Nun säuselt er ihnen "Freedom" ins Ohr, synchronisiert sie im Rhythmus seiner Beats und gibt ihnen damit den Auftrag zum Ausbruch. Kaum ist der Plan allerdings gelungen, verliert der Film die Minions für lange Zeit aus den Augen - eine Art Auszeit, die sie wohl gebraucht haben, um backstage eine Million Merchandising-Verträge zu unterschreiben.

Stattdessen gibt es zwei neue Mitspieler im Minions-Kosmos, die das Ding diesmal rocken sollen. Der eine ist Grus lang verlorener Bruder Dru (im Original ebenfalls von Steve Carell gesprochen, im Deutschen von Oliver Rohrbeck). Dru hat noch seine volle blonde Haarpracht und enthüllt, dass die Superschurkerei bereits in der Familie liegt, der verstorbene Vater war ein Großer des Geschäfts. Drus Trauma ist, dass er Daddys Ansprüche an Boshaftigkeit nie genügen konnte. Nun will er Gru auf die dunkle Seite zurückholen, was auch gut passt, denn dieser steht nicht länger im Dienst der Regierung - er wurde gefeuert. Bei einer gemeinsamen Probeaktion muss Gru allerdings erkennen, wo Drus Begrenzungen liegen.

Menschheitsvernichtungs-Pläne sind hier kindische Schmollimpulse

Sie haben Klebeanzüge angelegt, um klandestin einen mehrere hundert Meter hohen Turm zu besteigen, aber der etwas füllige Dru kommt mit dieser Technologie nicht zurecht. Für ihn geht es bald wieder abwärts, und dabei überschlägt er sich wie eine dieser Glibberfiguren vom Jahrmarkt, die man gegen eine glatte Fläche werfen kann, wo sie dann auf dem Weg nach unten die seltsamsten Turnübungen vollführen. Erst Millimeter, bevor sein pralles Hinterteil von einem Sicherheitszaun durchbohrt wird, kann Dru sein Gepurzel stoppen. "Ich bin okay" quäkt er begeistert - und für solchen Slapstick muss man Pierre Coffin und sein Regieteam nach wie vor lieben. Sie greifen zurück bis zu den herrlich dehnbaren Ursprüngen des Animationsfilms, worauf hier auch ein riesiger, rosaroter Diamant verweist - eine Hommage an Friz Freleng und die irren Zeichentrick-Verrenkungen seines "Rosaroten Panthers".

Der Diamant wiederum ist der Objekt der Begierde, um dass sich Gru und der zweite Newcomer dieses Films, der neue Superschurke Balthazar Bratt (gesprochen von Trey Parker/Joko Winterscheidt) einen erbitterten Kampf liefern. Aber was heißt erbittert? Superschurkerei, Weltbeherrschungs- und Menschheitsvernichtungs-Pläne sind hier von kindischen Schmollimpulsen und infantilen Bedürfnissen derart durchsetzt, dass sie jederzeit im Sinn der Farce unblutig befriedet werden können. Ob da die Wirklichkeit Inspiration war? Vergleichsweise könnte man sich vorstellen, dass Trump und Putin ihre kompletten Atom-Arsenale gegeneinander in Stellung bringen, dann aber spontan beschließen, die Sache lieber mit einem Schwanzvergleich unter Männern zu regeln.

Könnte der Vokuhila-Schurke als neues Coolness-Modell rezipiert werden?

Schurke Bratt bevorzugt für die finale Entscheidung allerdings das sogenannte Tanzduell, bei dem der Gegner um den Verstand gewirbelt wird. Er ist ein ehemaliger Fernseh-Kinderstar aus den Achtzigerjahren, der die Absetzung seiner Show nie verwunden hat. Seine Kleidung (hautenge violette Anzüge mit gigantischen Schulterpolstern), seine Frisur (fedrig und Vokuhila, inzwischen aber mit kahler Stelle auf dem Hinterkopf), seine Kampfmusik (vorzugsweise "Bad" von Michael Jackson) und seine Schurken-Moves (praktisch ein einziger ununterbrochener Moonwalk) deuten allesamt auf eine schwere seelische Störung hin, die ihn im Jahr 1987 gefangen hält. Aber wie gesagt: Obwohl er über Vernichtungswaffen verfügt, die zum Beispiel ganz Hollywood plattmachen könnten, ist er im Zweifelsfall leicht auf andere Gedanken zu bringen - darin liegt dann wieder eine seltsame Hoffnung für uns alle.

Bleibt die Frage, welche Rolle die Achtzigerjahre hier spielen. Vordergründig dienen sie dem Ziel, das absolut Böse mit absoluter Hässlichkeit zu assoziieren. Aber was heißt schon absolut? Erste Rückmeldungen der Jugend suggerieren, der Vokuhila-Schurke könnte als neues Coolness-Modell rezipiert werden, und hier klafft dann wirklich ein Abgrund zwischen den Generationen auf. Nur wer das Jahr des Mauerfalls schon bewusst erlebt hat, kann jedenfalls die furchtbarste Waffe dieses Films in ihrem ganzen Schrecken ermessen. Es ist ein buntes Umhänge-Keyboard, das auf Knopfdruck zwei besonders tödliche Achtzigerjahre-Riffs druckvoll auf die Welt loslässt - und damit jeden Widerstand wegfegt: "Jump" von Van Halen und "Money for Nothing" von den Dire Straits.

Despicable Me 3, USA 2017 - Regie: Pierre Coffin, Kyle Balda, Eric Guillon. Buch: Cinco Paul, Ken Daurio. Musik: Heitor Pereira, Pharrell Williams. Mit den Stimmen von Steve Carell/Oliver Rohrbeck, Kristen Wiig/Martina Hill, Trey Parker/Joko Winterscheidt. Verleih: Universal, 90 Minuten.

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