Kino: "Deep Throat" - Revisited:Der Porno der Patrioten

Der Film war für damalige Verhältnisse sehr explizit. Er war witzig. Und er hatte das Zeug zum Skandal. Fenton Bailey und Randy Barbato erkunden nun die politische Bedeutung sexueller Repression in ihrem Dokumentarfilm "Inside Deep Throat"

SUSAN VAHABZADEH

Das mit der Freiheit ist eine schwierige Sache, sie hat ihren Preis, und es wird sich immer jemand finden, der sie missbraucht.

Kino: "Deep Throat" - Revisited: "Deep Throat" machte zu Beginn der siebziger Jahre die Pornographie zu einem Massenphänomen.

"Deep Throat" machte zu Beginn der siebziger Jahre die Pornographie zu einem Massenphänomen.

Fenton Bailey und Randy Barbato haben sich für ihren Dokumentarfilm "Inside Deep Throat" die Entstehungsgeschichte des erfolgreichsten Pornos aller Zeiten vorgenommen - und in den besten Momenten dieses Films kann man ganz genau hören und sehen, warum diese schmutzige kleine Story ihnen so wichtig ist, jetzt, 33 Jahre später.

"Deep Throat" machte zu Beginn der siebziger Jahre die Pornographie zu einem Massenphänomen, er war sehr explizit und - das war neu - witzig.

Und wurde zum Skandal, zu einem Justizskandal vor allem, denn ein wildgewordener Staatsanwalt versuchte, den Hauptdarsteller Harry Reems fürs Mitspielen hinter Gitter zu bringen, was den Bürgerrechtsanwalt Alan Dershowitz immer noch entgeistert.

Dershowitz gehört zu den Dutzenden von Zeitzeugen, die Bailey und Barbato in ihrem Film zu Wort kommen lassen: John Waters zum Beispiel, der Paradiesvogel aus der Provinz, der erzählt, wie befreiend es war, schmutzige Filme sehen zu dürfen, und wieviel das damit zu tun hat, dass einer wie er den Mut hatte, das zu sein, was er eben ist; außerdem Wes Craven und Norman Mailer und Erica Jong und Gore Vidal.

Es entsteht ein Bild der Nixon-Ära in diesen Geschichten - und vieles davon kommt einem verteufelt bekannt vor: An dem kleinen Film "Deep Throat" machen Bailey und Barbato die für sie größte amerikanische Kontroverse fest - die zwischen der religiösen Rechten und den Liberalen. Willkommen im Jahr 2005.

Die Ähnlichkeiten zwischen der Gegenwart und der Ära Nixon, als eine Studie über die Folgen von Pornographiekonsum im Papierkorb landete, weil das Resultat nicht ins republikanische Konzept passte, arbeiten die Filmemacher schön heraus - aber sie tun dabei nie so, als wäre "Deep Throat" nur ein Licht am Ende des Tunnels für einen wie Waters gewesen.

Über die Stilisierung des Pornos zur Kunst kann man streiten; jedenfalls war der Film eine gewaltige Geldmaschine für die Mafia, der das Pornogeschäft gehörte.

Es ist aber trotzdem sehr spannend, Nixon, dem Watergate-Präsidenten, zuzuhören, wie er moralische Ansprachen hält; dass der Mann, der ihn zu Fall brachte, Deep Throat getauft wurde, wird da zu einem witzigen Detail.

Die Scheinheiligkeit, mit der Konservative gegen "Deep Throat" ins Feld zogen, die Bereitschaft, in der Verfassung garantierte Rechte über den Haufen zu werfen, bilden auch eine brauchbare Metapher für die moralische Erneuerung, die am Ende der Clinton-Ära gefordert wurde, in geifernder Entrüstung über die Lewinsky-Affäre oder für die Selbstverständlichkeit, mit der der Patriot Act die freie Rede einschränkt.

Sexuelle Repression ist eben ein sehr probates und traditionsreiches politisches Druckmittel.

Am bizarrsten sind in "Inside Deep Throat" die Auftritte von Larry Parrish, dem Staatsanwalt, der den Prozess gegen Reems anstrengte.

Er inszeniert sich als Kunstliebhaber, erzählt, wie er sich den verfolgten Film - zu Recherchezwecken, unter Qualen! - immer wieder ansah, und funkelt dabei so irre mit den Augen, dass einem angst und bange wird.

Der Kerl ist ein Erbe von Anthony Comstock, der Ende des 19.Jahrhunderts mit ähnlicher Leidenschaft zuschlug - als Wächter über das Postgesetz schickte er sich pornographische Schriften, oder das, was er dafür hielt, auch selbst zu, damit es in seinen Arbeitsbereich fiel.

Comstock machte später Jagd auf Frauenrechtlerinnen und Verhütungsmittelhändlerinnen, alles im Namen der gerechten Sache - und ging als großer Bücherverbrenner ein in die Geschichte.

Einer wie Parrish demontiert sich, wenn man ihn zu Wort kommen lässt, selbst, und hilft, ein nachvollziehbares Weltbild entstehen zu lassen in diesem Dokumentarfilm - aber am Ende hat "Inside Deep Throat" doch das Manko, dass er wesentliche Teile der Geschichte weglässt, um diese anschaulicher zu machen.

So erzählt dieser Film viel von den "Deep Throat"-Machern, von einem halbseidenen Friseur, der zum Pornofilmer wurde, und von einem Mädchen, dass den Mund ziemlich voll nahm und damit eine Weile sehr berühmt wurde.

Aber er erzählt diese Geschichte, im eigenen Interesse, nicht zu Ende. Mit Linda Lovelace, dem damals 23-jährigen Star von "Deep Throat", später Porno-Gegnerin und dann wieder nicht, macht er kurzen Prozess, aller politischen Klugheit und Freiheitsliebe zum Trotz.

Lovelace, vor drei Jahren gestorben, kommt am Anfang mit jenem merkwürdigen Fernsehauftritt zu Wort, in dem sie behauptet, die entscheidende Szene habe sie unter vorgehaltener Waffe gedreht.

(In ihren Memoiren sagt sie das über einen anderen Film, die Dreharbeiten zu "Deep Throat" beschreibt sie als, im Vergleich zum Rest ihrer Ehe mit dem Pornoproduzenten Chuck Traynor, halbwegs erträglich.)

Die Jungs, die damals dabei waren - Regisseur Damiano und ihr Co-Star Harry Reems - widersprechen dem natürlich. Es bleibt der Eindruck einer Frau zurück, die sich permanent selbst widersprochen hat, die gute alte Vergewaltigunsprozessargumentation - "Hey, your honor, she was asking for it" - steht im Raum.

Mal im Ernst: Die viel zitierte entscheidende Szene aus "Deep Throat", die im Dokumentarfilm selbstverständlich nicht vorkommt, sieht keineswegs nach Freude an der Arbeit aus.

Es hätte "Inside Deep Throat" durchaus gut getan, wenn zwei feststehende Tatsachen erwähnt worden wären: Linda Lovelace ist Traynor davongelaufen; und Regisseur Damiano hat sich inzwischen, in einem Buch namens "The other Hollywood", ganz anders geäußert als bei Bailey und Barbato.

Traynors Gewalttätigkeit gegenüber Linda Lovelace lassen die beiden Filmemacher unter den Tisch fallen.

Und verschweigen also doch den ganzen Preis der Freiheit, die sie eigentlich meinen.

Dabei sind sie doch wirklich zum Kern dieser Freiheit vorgedrungen. Gore Vidal bringt in einem wunderbaren Statement auf den Punkt, warum die sexuelle Repression so viel politische Bedeutung hat: Man kann, sagt er, so eine ganze Nation erziehen zu Lüge und Heuchelei, bis es ihnen gar nicht mehr auffällt, wenn nichts mehr stimmt von dem, was ihnen vorgesetzt wird. Mission accomplished.

INSIDE DEEP THROAT, USA 2005 - Regie, Buch: Fenton Bailey, Randy Barbato. Kamera: David Kempner, Teodoro Maniaci. Mit: Carl Bernstein, Susan Brownmiller, Wes Craven, Gerard Damiano, Alan Dershowitz, Gore Vidal, John Waters. Constantin, 90 Minuten.

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