Kino:Büffel & Clown

Wahrhaft unabhängiges Filmemachen aus Italien: Pietro Marcellos "Bello e perduta" ist ein Roadmovie ohne Straßen.

Von Fritz Göttler

Das Gewölbe, in dem die Pulcinella-Nasen sich tummeln, ist dunkel und kafkaesk, und ein Rest dieser Atmosphäre schwebt weiter über den Bildern, wenn einer von ihnen in die freie Welt hinausgeschickt wird, in die italienische Landschaft, das heutige Kampanien, nach Carditello, dem alten, verlassenen Palast der Bourbonen. Der alte Tommaso hat einen jungen Stier dort gerettet und untergebracht.

Von Tommaso wollte der Filmemacher Pietro Marcello erzählen in "Bella e perduta", aber dann ist dieser kurz nach Drehbeginn gestorben, und der Pulcinella, eine Art Clown, den man aus der Commedia dell'Arte kennt, musste einspringen, und Fiktion kam nun auf den Weg, den Lebensweg des Büffels Sarchiapone. Der Gleichmut, mit dem Büffel und Pulcinella ihre Existenz und Bestimmung annehmen, macht den Zauber dieses Films aus. Man muss nur Vertrauen haben, heißt es einmal, in jene Intelligenz, die für alles sorgt, alles disponiert, ohne die Zeit zu haben, alles zu erklären.

Die Wanderer stoßen auf aufgelassene Bauten und leere Höfe, verwüstet vom neuen, globalen Kapitalismus, die Menschen dort wirken wie Fremde in ihren eigenen Behausungen, und man kann ihnen nicht mehr ansehen, worauf sie noch warten. Büffel sind nutzlos in der modernen Landwirtschaft, man kriegt keine Milch von ihnen und kein gutes Fleisch. Ein alter Hirte stellt sich hin und rezitiert Gabriele D'Annunzio. Er führt Pulcinella und den Büffel zum Baum des Todes, der wie ein Scherenschnitt in der Landschaft steht, von diesem Baum aus geht es direkt ins Jenseits.

Es ist ein Roadmovie, für das es keine Straßen mehr gibt, ein offenes Erzählen - das Ideal des Filmemachens. Es ist ein wahrlich unabhängiger Film. Was ist ein independent film, fragte sich der Mitautor Maurizio Braucci in einem Interview. Ein independent film, sagte er, ist etwas, das du nicht kontrollieren willst, vom Anfang bis zum Ende. Wir ließen die Story uns leiten. Während wir drehten, entdeckten wir sie. Das ist unabhängiges Kino.

Bella e perduta, I 2015 - Regie: Pietro Marcello. Buch: Maurizio Braucci, Pietro Marcello. Kamera: Pietro Marcello, Salvatore Landi. Mit: Tommaso Cestrone, Sergio Vitolo. Grandfilm, 87 Min.

Kino: Ein Büffel und der Clown Pulcinella erkunden ein ländliches, vom Wandel der Zeit verwüstetes Italien.

Ein Büffel und der Clown Pulcinella erkunden ein ländliches, vom Wandel der Zeit verwüstetes Italien.

(Foto: GrandFilm)
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