King Kong in den Köpfen:Der will nur spielen

Heißa, bald ist Kingkongtag! Blick zurück auf den Mythos eines Groß-Affen, der den Regisseur Peter Jackson seit seiner Kindheit fest im Griff hielt.

TOBIAS KNIEBE

Der Erwartungsdruck ist enorm an diesem Wochenende vor dem Kong-Day Mittwoch, und die Premierenberichte heizen das Fieber weiter an: Von atemberaubenden, nie gesehenen Bildern ist die Rede, einerseits - genauso aber von monströsen, alle Schamgrenzen sprengenden Exzessen der Selbstüberbietung. Was davon haften bleibt, wird sich zeigen, wenn der Film auf das Publikum losgelassen wird. Schon jetzt ist aber klar: King Kong ist ein Monster, das niemanden kalt lässt - von allen Monstern der Filmgeschichte hat dieser Riesenaffe, auch siebzig Jahre nach seinem Leinwanddebüt, die treueste Fangemeinde. Kong-Fanatiker in aller Welt rüsten sich für die Wiederkehr, in vielen Städten ist das Original aus dem Jahr 1933 wieder zu sehen. Regisseur Peter Jackson wird also tausend Fragen beantworten müssen, was sein Remake anbelangt, aber er hat auch gute Referenzen: Von allen Kong-Fans ist er wohl der fanatischste.

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Der grundlegende Kong-Moment ist natürlich der Sturz vom Empire State Building. Ganze Kinobiografien hat diese Szene geprägt, davon berichten auch die Zeugen auf der neuen "Collector's Edition"-DVD, die gerade in den USA erschienen ist. Filmemacher wie Frank Darabont, John Landis und natürlich auch Jackson selbst beschreiben darauf ein Kong-Gefühl, das immer wieder auf dasselbe kindliche Staunen hinausläuft: Dass man, frei nach Aristoteles, Mitleid und Furcht empfindet beim tragischen Tod dieser Bestie - und das, obwohl sie doch gerade kein Herz hatte, im Grund nur ein Spezialeffekt war, der erste große Effekt der Filmgeschichte. Genau daran aber wird auch das Remake gemessen: Wenn man um den neuen Kong nicht genauso trauern wird wie um den alten, dann waren allen anderen Anstrengungen, so gewaltig sie auch sein mögen, am Ende erfolglos.

Der ohnehin große Respekt für das Original wächst weiter, wenn man sich die Leistungen der Pioniere vor Augen führt, die damals zusammentrafen. Neben den Filmemachern Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack, deren persönlicher Abenteuergeist in jeder Einstellung zu spüren ist, sind das der Tontechniker Murray Spivack und der Komponist Max Steiner, die erstmals das kongeniale Zusammenwirken von Sounddesign und Musik demonstrierten - vor allem aber der Cheftechniker Willis O'Brien. Er war ein Mann, der schon für Edisons frühe Kinematographen an Tricks gebastelt hatte - ohne wirklich zu wissen, wohin das eines Tages führen sollte. Mit "King Kong" trat die Idee in sein Leben, die seinen ganzen Erfindergeist forderte. Zu den zahlreichen Spezialeffekten, die er erprobte, gehört auch die so genannte Stop-Motion-Technik: Dabei wurde ein Kong-Modell Bild für Bild von Hand bewegt - das bis dahin größte denkbare Geduldspiel. Wer genau hinschaut, kann oft sehen, dass Kongs Fell wie vom Wind zerzaust aussieht. Das sind die Hände O'Briens, die Frame für Frame ihre Abdrücke hinterlassen haben - und seine Technik blieb aktuell bis in die Tage der ersten Star-Wars-Trilogie.

Peter Jackson kann stundenlang vom Genie O'Briens erzählen: Dass er nicht nur ein brillanter Animationstechniker war, sondern letztlich ein Schauspieler, der seine ganze Emotion und Phantasie in Kongs Bewegungen zu sublimieren verstand - er ist die Seele Kongs. Eine Schlüsselszene ist dabei der Moment, wo Kong im Kampf einen Tyrannosaurus Rex besiegt: Er überdehnt den Kiefer des Widersachers, bis er aus den Gelenken gerissen wird, gibt sich mit diesem K.o. aber nicht zufrieden, sondern spielt noch ein wenig mit dem todbringenden Gebiss, das nun ungefährlich herumwackelt.

Man darf gespannt sein, wie Jackson diesen und anderen Details seine Reverenz erweisen wird, denn die Ansage ist klar: Man hat zwar heute unglaubliche technische Möglichkeiten, kann den Affen von einem Darsteller spielen lassen und diese Performance dann auf das digitale Monster übertragen - aber wenn dabei nicht Momente von ähnlicher Kraft gelingen, hat es in Wahrheit gar keinen Fortschritt gegeben.

Betrachtet man die Kong-Hommage auf der "Collector's Edition"-DVD, für die Jackson mit verantwortlich zeichnet, hat man am Ende das Gefühl, sein neuer Kong könnte am Ende ein 200 Millionen Dollar teurer Vorwand gewesen sein, um sich noch einmal intensiv mit dem alten zu befassen. In seinen hauseigenen Weta-Werkstätten hat Jackson jedes Detail der damaligen Illusion originalgetreu nachbauen lassen, von den Kong-Puppen über die auf Glas gemalten Dschungelvisionen bis hin zu den Echsen und Sauriern in den Nebenrollen. Für den neuen Film kann er das alles gar nicht benutzen, es geht um die reine Besessenheit des Fans. Diese kulminiert in einer Sequenz, wo er mit dem befreundeten Regisseur Frank Darabont und dem Effektmeister Rick Baker zusammensitzt, um eine lang verlorene, sagenumwobene Sequenz des Originals zu rekonstruieren: die so genannte "Spider Pit Sequence", die wohl von Merian C. Cooper noch persönlich aus dem Film geschnitten wurde.

Jeder wahre Kong-Fanatiker träumt davon, dass diese verlorenen Filmmeter eines Tages doch wieder auftauchen. Offenbar zeigen sie ein paar Männer der Expedition, die nach einem Kampf mit Kong in ein finsteres Felsloch fallen, nur um dort von riesigen Spinnen, Echsen und Krabben aus der Urzeit gnadenlos verspeist zu werden. Wie die irren Neuseeländer anhand von zwei oder drei erhaltenen Fotos diese schrecklichen Viecher nachbauen, alles genau wie damals, dann selbst als Schauspieler in die Grube springen und sich von ihren eigenen Bastelarbeiten verspeisen lassen, das ist beinah ein Film für sich - ein wirklich berührendes Zeugnis für die Hingabe, die ein uraltes Kunstwerk der Popkultur noch immer auszulösen vermag. Man schaut das an und versteht: Was immer die Macher des neuen Kong mit ihrem Idol angestellt haben, sie haben es nicht des Geldes wegen getan - sondern wirklich aus Liebe. Und wahren Liebenden kann man, selbst wenn sie im schlimmsten Fall scheitern, im Grunde doch niemals böse sein.

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