Kinderbuch von jordanischer Königin:Die Schrulle mit der Stulle

Von interkulturellem Stullentausch keine Spur: Jordaniens Königin Rania weigert sich, ihr Kinderbuch "The Sandwich-Swap" ins Hebräische übersetzen zu lassen.

Tomas Avenarius

Der ewig-unsägliche Nahostkonflikt verdüstert Lebensbereiche, die mit Politik nichts zu tun haben: das Kinderzimmer. Jordaniens Königin Rania hat vor einiger Zeit ein Kinderbuch geschrieben. In "The Sandwich Swap" geht es um zwei kleine Mädchen, die beste Freundinnen sind, bis auf dem Pausenhof der Kampf der Kulturen ausbricht. Warum? Die eine hat zum Mittagessen Weißbrot mit Erdnussbutter ausgepackt, die andere futtert Fladenbrot mit Kichererbsenpaste. Wie zu erwarten, findet die eine das Essen der anderen "fies und eklig". Das auf reiner Anschauung beruhende kulinarische Gegenurteil lautet: "fett und glibberig".

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"Wer Mädchen erzieht, verändert die Nation", verkündete Jordaniens Königin Rania in einer US-Talkshow. Die Übersetzung ihres Kinderbuchs in die Feindessprache lehnt sie aber ab.

(Foto: afp)

Weil Kinderbücher für Vier- bis Achtjährige immer gut ausgehen müssen, tauschen die Heldinnen des "Sandwich-Tausches" irgendwann ihre Stullen aus, wischen sich den Mund und bleiben beste Freundinnen. Ein Zusammenleben der irgendwie Andersartigen ist trotz Pausenbrotbarriere möglich. Weshalb es das Bilderbuch in die Bestsellerliste der New York Times schaffte.

Die schöne Frau an der Seite des Herrschers

Im Alltag reicht es im Nahen Osten selten zum interkulturellen Stullentausch. Geschweige denn, dass Kunst nach rein ästhetischen Kriterien beurteilt würden. Stattdessen wird sie unters Polit-Mikroskop gelegt, wie der "Sandwich- Tausch": Nachdem das Buch auf Englisch erschienen ist, wurde es nun ins Arabische übersetzt. Vorschläge, es angesichts der offensichtlichen Parallele zum israelisch-arabischen Dauerkonflikt ins Hebräische zu übersetzen und so israelischen Kindern in die Hand zu geben, scheiterten. Die Königin verweigert die Übertragung in die Sprache der Israelis.

So viel zum gedeihlichen Zusammenleben der Völker, Kulturen und Menschen jenseits von Butterbrotpapier. Wobei das Übersetzungsverbot dem widerspricht, was Königin Rania propagiert. Sie setzt sich für den Kulturaustausch ein, macht sich stark für Frauen, fordert Bildungschancen für Mädchen. Als Gast in US-Talkshows sagt sie kluge Dinge: "Wer Mädchen erzieht, verändert die Nation." Das sollte auch für israelische Mädchen gelten: Ein vernünftiges Buch trägt gelegentlich zum Umdenken bei.

Zwischen dem gescheiten Geplauder und der Übersetzung ihres Werks in die Sprache des Feindes liegen offenbar noch Welten. Möglicherweise will die Königin dies: Sie ist palästinensischer Herkunft, Tochter arabischer Flüchtlinge, die von den Israelis aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nach Kuwait übersiedeln mussten. Vielleicht hat sie es auch nicht selbst entschieden: Trotz aller PR um die schöne Frau an der Seite des Herrschers dürfte Politik am jordanischen Hof Männersache sein.

Der Friede bleibt kalt

So ist das in der arabischen Welt, offenbar auch, wenn es um so brisante Dinge wie ein Buch für Vier- bis Achtjährige aus der Königinnen-Feder geht. Die Fortsetzung der Politik mit den Lettern im Setzkasten also: Die Übersetzung arabischer Bücher ins Hebräische und die Übertragung israelischer Bücher ins Arabische ist ein Reizthema. In Ägypten finden sich wenige Bücher israelischer Autoren in Übersetzung. Soll ein Werk eines bekannten arabischen Autors ins Hebräische übertragen werden, kochen die Emotionen hoch.

Vor allem bei den anderen Romanciers. Kulturminister Faruk Hosni verlor vor einigen Monaten das Rennen um den Unesco-Chefposten: Einer der Gründe für das internationale Nein war seine frühere Äußerung über Feind-Literatur in den Bücherschränken ägyptischer Bibliotheken: "Wenn ich israelische Bücher finden sollte, würde ich sie selbst verbrennen." Nachdem Hosni bei der Unesco-Abstimmung unterlag, war das öffentliche Urteil ebenso eindeutig wie einäugig: "eine bösartige jüdische Kampagne".

Dass Ägypten und auch Jordanien einen Friedensvertrag mit Israel haben, spielt keine Rolle: Der Friede bleibt kalt. In Ägypten vor dem Hintergrund des 30 Jahre alten Camp-David-Abkommens eine "Normalisierung der Beziehungen" zu fordern, kommt politischem Selbstmord gleich.

In Israel ist es einfacher: Dort gibt es wenigstens arabische Bücher arabischer Autoren zu kaufen. Ein Fünftel der Bevölkerung Israels sind Araber. Vieles wurde, oft unautorisiert, auf Hebräisch herausgebracht.

Israelische Kinder, die das politische Hickhack nicht interessiert und die das Buch der jordanischen Königin lesen wollen, können die englische Version im Internet bestellen.

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