Kinderabenteuer:Marmeladenbrote bis zum Abwinken

Kirsten Boie erzählt von einem "Sommer in Sommerby", nach Großmutter-Art. Und verwickelt die Enkel in einen spannenden Krimi, der viel mit der Familiengeschichte zu tun hat.

Von Carola Zinner

Die alte Dame trägt Gummistiefel, fleckige Jeans und einen abgewetzten Pullover und hält ein Luftgewehr unter dem Arm. Dazu noch dieser misstrauische Blick - nein, hier wollen Martha, Mikkel und Mats nicht bleiben, und wenn es zehnmal die Oma ist.

Andererseits gibt es eine Katze, und es gibt dieses Häuschen: Fachwerkbau und Hühnerstall, Bäume und Blumenbeet und direkt dahinter die Ostsee. Die Eltern sind in unerreichbarer Ferne - Mama hatte in den USA einen Unfall, und Papa musste ganz schnell zu ihr - also müssen die Kinder wohl doch vorliebnehmen mit der ihnen bisher unbekannten Großmutter. Und die muss es mit ihnen. Was für die eine Partei heißt: eine Art Zeltlager unterm Reetdach, Mitarbeit im Haushalt und Marmeladebrote bis zum Abwinken. Dazu jede Menge Freiheit, aber keinen Handyempfang. Die Großmutter ihrerseits ist ab sofort nicht mehr einsam und lernt einiges dazu in puncto Heiterkeit und Nicht-immer-gleich-Lospoltern. So sind die vier dann gut gerüstet, als es zur Sache geht. Der ominöse Besucher nämlich, der zunächst nur nachts heimlich ums Haus schlich, wird bald immer dreister.

Es stimmt schon: Smartphones machen das Leben in vielerlei Hinsicht einfacher. Den Schriftstellern aber machen sie es schwer: Wie soll man noch eine anständige Geschichte entwickeln angesichts der ständigen Rundum-Erreichbarkeit aller Protagonisten? Kirsten Boie hat das Problem auf naheliegende Weise gelöst: Omas Häuschen liegt im Funkloch; Martha muss also mit dem Smartphone in der Hand quer über die ganze Kuhweide wandern, wenn sie in Kontakt treten will mit der großen weiten Welt.

So bleibt umso mehr Zeit für die kleine nahe, die prompt ein Abenteuer nach dem anderen bereithält. Martha kümmert sich rührend um die jüngeren Brüder, lernt in der Nachbarschaft (nur erreichbar mit dem Boot!) einen sensationell gut aussehenden Jungen kennen und liest ganz nebenbei vor dem Ins-Bett-Gehen noch den 600-Seiten-Schmöker "Désirée" von vorne bis hinten durch, an dem sich schon ihre Mutter ergötzte.

Ach, wie herrlich bunt ist so ein Kindersommer nach Großmutterart, in dem es keine Handys gibt, keine Helikoptereltern und auch keinen Malediven-Urlaub. An manchen Stellen schimmert diese Botschaft vielleicht ein bisschen sehr deutlich durch. Insgesamt jedoch ist der Roman rundum gelungen und zudem so spannend, dass man ihn erst aus der Hand legen kann, wenn man ihn von vorne bis hinten durchgelesen hat. (ab 10 Jahre)

Kirsten Boie: Ein Sommer in Sommerby. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2018. 319 Seiten, 14 Euro.

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