Kaum zu glauben - Woody Allen wird siebzig:Der Komiker vom Kindertisch

Am 1. Dezember 1935 wurde er in Brooklyn als Allen Stewart Konigsberg geboren - ein bebrillter kleiner, kluger Kerl, der jahrelang auf der Couch gelegen hat und daraus gar eine Tugend machte.

Susan Vahabzadeh

Woody Allen hat sich ohnehin selbst erfunden. Kein anderer Filmemacher scheint sein Innerstes so sehr preiszugeben, und hat uns dann doch immer nur an der Nase herumgeführt. Warum also sollte er, auf die siebzig zugehend, nicht noch einmal hingehen und sich neu erfinden?

Allen, AP

What´s New, Pussycat? In den Sechziger begann der Komiker Allen, Kino-Rollen zu spielen.

(Foto: Foto: AP)

Sein neuer Film, "Match Point", ist sein bester seit Jahren, und das liegt vielleicht auch daran, dass er all das nicht ist, wofür Allen steht. Er ist berühmt dafür geworden, sich selbst zu betrachten unter besonderer Berücksichtigung all seiner Neurosen und der Stadt, für die er steht, New York.

"Match Point" ist nichts davon, höchstens ein Porträt des Künstlers als junger Mann - die Geschichte eines Emporkömmlings in der Londoner Society, ein Krimi über die Ohnmacht der Liebe und die Macht des Schicksals. Ein Ring, der auf der einen oder anderen Seite einer Brüstung herunterfallen wird, das ist das zentrale Bild, so wie ein Tennisball ein Match entscheidet, je nachdem, auf welcher Seite des Netzes er herunterfällt, nachdem er einen Augenblick lang obenauf balanciert ist. Es geht gut oder es geht schief, ein kleines Detail kann alles verändern ...

Irgendwie ist auch Allens Weg als Filmemacher Produkt einer solchen Kleinigkeit, deren Folgen nicht abzusehen waren: In den Sechzigern begann der junge Komiker Woody Allen, Kinorollen zu übernehmen, als Geheimagent Jimmy Bond in der Persiflage "Casino Royale", und im psychedelischen Klamaukfilm "What's New Pussycat?", über einen notorischen Verführer, den Warren Beatty spielen sollte - das Drehbuch stammte aus Allens Feder.

Beatty stieg aus, Peter O'Toole übernahm die Rolle, aber Allen blieb als Sidekick des Verführers an Bord. Beatty sagte später, es sei wohl für sie beide das Lehrstück gewesen, das sie fortan um die Kontrolle über ihre Filmprojekte ringen ließ.

Bei Woody Allen denkt man immer, alles hätte auch ganz anders kommen können, aber er hat dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen. Am 1. Dezember 1935 in Brooklyn geboren, als Allen Stewart Konigsberg - ein bebrillter kleiner, kluger Kerl, der jahrelang auf der Couch gelegen hat und daraus gar eine Tugend machte.

Erst schrieb er für andere, sah nicht so aus, als hätte er das Zeug für die Bühne - aber er schaffte es. Machte im Kino Slapstick-Humor, "Bananas" oder "Sleeper", wo er so eine Art Terminator spielt, eingefroren und in die Zukunft geschickt, um die Welt zu retten. Die Filme wurden ernsthafter in den Siebzigern, dann kam sogar eine ernsthafte Bergman-Phase in den Achtzigern, in der er unter anderem das humorfreie Familiendrama "September" machte, einen wunderbar einfühlsamen Film. Und Woody zum Kinoabgott aller Intellektuellen - er erschuf sich selbst als Idealbild, und ein prägendes Bild von Manhattan gleich dazu.

Der Komiker vom Kindertisch

"Er war so hart und romantisch wie die Stadt, die er liebte", so Isaac Davies, den er selbst spielt in "Manhattan", über sich als Figur und seinen Schöpfer, wobei man nie weiß, wo der eine aufhört und der andere anfängt: " Hinter seiner schwarzgeränderten Brille verbarg sich die geballte sexuelle Kraft einer Dschungelkatze. Ich liebe das. New York war seine Stadt, und sie würde es immer sein ..."

Woody Allen wurde zum New Yorker schlechthin, erklärte sich und schrieb sich selbst zum Mann, den die Frauen lieben, und seine Heldinnen, die "Annie Hall" Diane Keaton und seine "Hannah" Mia Farrow, waren auch im richtigen Leben seine Frauen, weswegen wir glauben, mehr über ihn zu wissen als tatsächlich der Fall ist.

Die erfolgreichste Autorenfilmerkarriere überhaupt ist daraus geworden, die einige wirklich wundervolle, manchmal rührende Komödien hervorbrachte: "Der Stadtneurotiker (Annie Hall)", "Hannah und ihre Schwestern" und seine Höllenfahrt "Harry außer sich". Vielleicht liegt das daran, dass er sich bewusst ist, dass man bei Komödien, wie er sagt, "am Kindertisch sitzt"; und ihr Kern, wenn sie gut sind, dennoch immer eine gehörige Depression ist. "Ich hatte einen wunderbaren Abend", sagt Mickey in "Hannah": "Es war ungefähr so wie bei den Nürnberger Prozessen."

Ein bisschen Bildungshuberei, das hat seine Filme ausgemacht, die verwirrte Hilflosigkeit gepaart mit Sprüchen von präziser Bosheit, die Mischung aus Witz und Emotion. Die Schüchternheit, aus der er eine Tugend macht.

Und die Selbstironie: "Penisneid? Ich bin einer der wenigen Männer, die darunter leiden." Sagt Alvy Singer, der "Stadtneurotiker", der slapstickhaft Koks für ein Vermögen wegniest, mit Hummern kämpft, ein paar wirklich böse Spitzen über L.A. und das Fernsehen ablässt (die Stadt wirkt, im Vergleich zu New York, nur so sauber, weil sie ihren Müll senden) und am Ende furchtbar leidet, wenn er Annie verliert ... Sydney Pollack, der einen Ausflug ins Schauspielerfach bei Allen machte, in "Ehemänner und Ehefrauen", fasst zusammen, dass diese Filme vor allem grandios geschrieben sind:

"Er bringt seine Schauspieler zu großartigen Leistungen, nicht notwendigerweise indem er sie anleitet, sondern weil er das Material dem Schauspieler angepasst hat. Da 90 Prozent seiner Arbeit aus Schreiben und Besetzen besteht, ist nicht mehr viel zu tun, wenn er den Dreh anfängt. Wenn ihm nicht gefällt, was du machst, feuert er dich normalerweise sofort."

Aber auch das ist Teil des Geschöpfes, das er jenseits der Leinwand aus sich fabriziert hat - das Image des Querulanten von Hollywood gehört immer dazu. Ein Sturkopf; und weil wir das ohnehin in jedem seiner Filme wiedersehen und sie dafür lieben, ist es vielleicht auch egal, wenn sich gelegentlich zeigt, dass hinter der Selbstinszenierung keineswegs ein tadelloser Charakter steckt.

Zu den Oscarverleihungen - er war fünfzehnmal nominiert und hat zweimal gewonnen - kam er früher nicht, denn montags hatte er keine Zeit, weil er da Klarinette spielt. Inzwischen ist er dort gewesen, um eine rührende Rede zu halten, nach dem 11. September - über New York.

Da waren die Oscars schon auf Sonntagabend verlegt, aber vielleicht wäre er dafür auch an einem Montag nach L. A. gekommen, wo er bestimmt noch mal hin muss, um einen Oscar für sein Lebenswerk abzuholen. Mit dem leicht irritierten Gesichtsausdruck, mit dem er Beifallstürme auf jedem Festival entgegennimmt. "Ich will mit meinen Filmen nicht die Unsterblichkeit erlangen; es wäre mir lieber, wenn ich die dadurch erlange, dass ich nicht sterbe."

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