Katzengeschichte:Die Gesetze der Straße

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Mirjam Pressler erzählt vom Schicksal der Katze Kitty, die ihr Heim verliert und sich als Straßenkatze behaupten muss. Weil sie lesen gelernt hat, und viel erzählen kann, findet sie bald Freunde, die ihr helfen und zuletzt ein neues Zuhause.

Von Sybil Gräfin Schönfeldt

In unserer digitalen Welt findet das, was wir sehnsüchtig Natur nennen, immer mehr in Schutzzonen statt, und Tiere überleben, wenn sie sich unserer Lebensweise anpassen. Darin sind Katzen Meister, und in deutschen Haushalten leben sie zahlreicher als Hunde.

Mirjam Pressler: Ich bin's, Kitty. Aus dem Leben einer Katze. Mit Illustrationen von Rotraut Susanne Berner. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2018. 206 Seiten, 14,95 Euro. (Foto: N/A)

Kipling hat sie noch als die Tiere beschrieben, die "ihre eigenen Wege gehen", und es ist wohl dieser Gegensatz, der die Dichter zu cat lovers macht. Von Doris Lessing über Axel Eggebrecht, Ernest Hemingway, Robert Gernhardt und viele mehr reicht die Literatur, und jeder sieht seine Katze auf seine Weise und kann sich kaum des Stolzes erwehren, von seiner Katze ausgewählt zu sein.

Mirjam Pressler, wohlbekannte Autorin, durch viele literarische Preise in ihrer Kunst bestätigt, verleiht ihrer Kitty nicht nur von Anfang an einen Namen, sie unterscheidet sie auch dadurch von ihren Artgenossen, dass sie von ihrem Menschen Lesen und Schreiben und damit Denken beigebracht bekommt. Diese Menschin war Lehrerin, lebt nun pensioniert einsam, Kitty nennt sie Emma und genießt zwei gute und behütete Jahre als Hauskatze. Doch dann kommt Emma in ein Heim, Kitty verliert daraufhin das ihre und muss von einem Tag zum anderen lernen, wer oder was sie wirklich ist. Zuerst wird sie eine Streunerin. Schlimm für eine Katze, die noch nie in der Gesellschaft ihresgleichen lebte. Noch nie für sich sorgen und Fressen beschaffen musste. Sie muss also auf eine manchmal schmerzliche Art und Weise die Gesetze der Straße lernen, aber auch Verzicht und Fairness.

Für die Autorin eine Gelegenheit, mit dieser Katzenvita ein Lehrstück über die Sozialisierung des Einzelkindes zu entwerfen. Es geht nicht nur um die Gefahren und Abenteuer in ungeschützter Freiheit, mit Fuchsbiss und Todesnähe. Es geht um das Wort, das Emma ihr ganzes Lehrerleben lang so wichtig war: Solidarität.

Im Kreis von Kittys Freunden wird viel erzählt - auf Katzenart

Mirjam Pressler schenkt Kitty nicht nur Freunde, die sich in einer verlassenen Bäckerei eingerichtet haben und Kitty lehren, wie man Mäuse fängt und sich bei Menschen so einschmeichelt, dass es ein Schüsselchen Milch gibt. Ihre Kitty ist eine wahrhaft literarische Katze. Im Kreis der neuen Freunde wird erzählt, und es ist ein besonderes Vergnügen, Geschichten von Noah, vom Rattenfänger von Hameln, von den ägyptischen Plagen und andere auf Katzenart erzählt zu bekommen. Schließlich zeigt Pressler, um dies exemplarische Leben zu vollenden, wie Katzen in unserer Welt denselben gnadenlosen Schicksalen unterworfen sind wie wir. Krieg und Bürgerkrieg, Bomben und Granaten, Flucht und Hunger verschonen kein Tier, keine Katze, und Kitty und ihre Freunde müssen auch in den elenden und heimatlosen Katzen, die mager und mit verdrecktem Fell bei ihnen landen, keine Fremden sehen, sondern die Brüder und Schwestern erkennen. Und sie tun es.

Schließlich hat Mirjam Pressler ein gutes Ende für ihre kleine, tapfere und kluge Kitty erdacht, und Rotraut Susanne Berner hat für die Gedichte, die am Anfang jedes Kapitels stehen, von Kitty oder von Emma selbst gereimt, Katzen über Katzen mit leichter Hand gezeichnet. Sie zeigen Kitty im Lauf ihrer Entwicklung so anmutig, dass man beim Lesen immer wieder zurückblättert und von Neuem liest und schaut. Eine Geschichte für alle cat lovers und für diejenigen, die es noch werden wollen.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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