Karl Holzamer ist tot:ZDF-Gründungsschef starb mit 100 Jahren

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Er setzte auf Bildung und verabscheute den Quotenwahn: Karl Holzamer. Im Alter von 100 Jahren ist der langjährige ZDF-Intendant in Mainz verstorben.

Bis zuletzt hatte er ein Büro im ZDF, auch wenn es schon 30 Jahre her ist, dass er dort Chef war. Und als im vorigen Jahr sein 100. Geburtstag gefeiert wurde, da kam Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur zum Gratulieren. Kurt Holzamer, die Gründungsintendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, stand für ein Bildungs- und Redakteursfernsehen der alten Schule.

Im Alter von 100 Jahren verstorben: ZDF-Gründungsintendant Karl Holzamer (Foto: Foto: ddp)

Das Schielen auf Einschaltquoten war ihm zuwider. Mehrfach warnte er das Fernsehen davor, das "Bedeutende durch das bloß Gefällige" zu ersetzen. Schon 1953 hatte der Pädagogikprofessor Karl Holzamer den Medien zur Aufgabe gemacht, zur Vermenschlichung einer versachlichten Welt und zu einem Konsens über gesellschaftliche Werte beizutragen. Die Medien als Erzieher des Publikums? Für Holzamer kein Problem, sondern eine Sachbeschreibung. Am Sonntag ist Holzamer in Mainz gestorben.

Der amtierende Intendant Markus Schächter würdigte Holzamer als den "Architekten des ZDF", der das Haus in einer wahren Pionierleistung innerhalb von 15 Jahren zur größten Fernsehanstalt Europas ausgebaut habe. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) erklärte, kaum jemand habe die deutsche Medienlandschaft so nachhaltig geprägt wie der Verstorbene.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat Holzamer als herausragenden europäischen Medienmanager gewürdigt, der alles daran gesetzt habe, das Medium Fernsehen attraktiv zu gestalten und in den Dienst einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu stellen. Stoiber: "Bayern wird ihm ein ehrendes Gedenken bewahren."

ZDF-Intendant Schächter sagte weiter, als "Philosoph im Intendantenamt" habe Holzamer durch sein menschliches Ethos dem Programm Richtung und Maßstab gegeben. Er sei ein "fürsorgender Hausvater und vertrauenswürdiger Gesprächspartner" gewesen, so Schächter.

Als Holzamer 1906 in Frankfurt am Main geboren wurde, gab es noch nicht einmal das Wort "Rundfunk". Nach dem Abitur konnte der Sohn eines Buchhalters dank der Studienstiftung des deutschen Volkes Philosophie, Pädagogik, Romanistik und Germanistik in München, Paris, Frankfurt und Bonn studieren. 1931 begann er seine Universitätslaufbahn am Psychologischen Institut in Bonn.

Ein Leben zwischen Wissenschaft, Pädagogik und Medien: Ein Zufall brachte ihn 1931 zur Schulfunkabteilung des Westdeutschen Rundfunks in Köln. 1936 berichtete er in einer der ersten Tonband-Reportagen von Bord einer "Heinkel 111" über die damals neu eingerichtete Lufthansa-Linie Köln-Dortmund-Berlin. Während des Kriegs, den er unversehrt überlebte, war er Berichterstatter der Luftwaffe.

Nach französischer Kriegsgefangenschaft half Holzamer mit, die Mainzer Universität wieder aufzubauen und erhielt 1946 eine Professur für Philosophie, Psychologie und Pädagogik, ohne sich zu habilitieren. Parallel dazu beteiligte er sich an der Gestaltung der neuen Radiolandschaft in der Bundesrepublik - unter anderem als Vorsitzender des Rundfunkrats des damaligen Südwestfunks (SWF), dessen Vorsitz er von 1949 bis 1960 übernahm.

Nachdem Kanzler Konrad Adenauer vor dem Bundesverfassungsgericht damit gescheitert war, einen regierungsnahen TV-Sender als Gegenpol zur ARD zu gründen, einigten sich die Länder 1961 darauf, eine Länderfernsehanstalt zu gründen, das ZDF. Holzamer wurde als Kompromisskandidat der miteinander streitenden Parteien am 12. März 1962 gewählt wurde.

15 Jahre lang leitete Holzamer den Mainzer Sender. Sendungen wie "heute" und "auslandsjournal" wurden unter ihm ins Programm genommen. Die Einführung des Vollprogramms und des Farbfernsehens lagen in seiner Amtszeit. 1974 wurde das ZDF-Zentrum auf dem Mainzer Lerchenberg eingeweiht.

Neben allem Bestreben, den Sender voran zu bringen, setzte sich Holzamer auch karitativ ein. Er brachte die "Aktion Sorgenkind" auf den Weg, förderte Quizsendungen wie "Vergissmeinnicht" und später den "Großen Preis". In den Jahren 1964 bis 1977 sammelte das ZDF hierfür nach eigenen Angaben umgerechnet rund 111 Millionen Euro an Spenden.

Religion und Glauben waren für Holzamers Engagement stets essentiell. Er gehörte dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP) an und war Mitglied der Würzburger Synode der deutschen Bistümer Anfang der 1970er Jahre. Für ihn stand fest, "dass wir alles Entscheidende in unserem Leben nur von oben erwarten können". Diese Lebenseinstellung, so sagte er im vergangenen Jahr zu seinem 100. Geburtstag, habe ihm in schwierigen Zeiten geholfen - besonders in den Kriegsjahren.

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