Kapitalismuskritik:Drei-Stunden-Tag

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(Foto: Reclam)

Paul Lafargue war der Schwiegersohn von Karl Marx. Seine Schrift "Das Recht auf Faulheit" ist Utopie und kulturkritische Satire zugleich.

Von Gustav Seibt

Wenn man fragt, was grade die schönste Buchreihe ist, dann könnte der Reclam-Verlag mit der stylish in eckigen Klammern betitelten Serie "[Was bedeutet das alles?]" ganz vorn mitspielen. Nicht gelb oder einfarbig wie Reclam-Hefte sonst, sondern mit einem aparten Strichcode-Design (Entwurf: Cornelia Feyll und Friedrich Forssmann). Sonst ganz Reclam: je ein Heftchen, eng gedruckt, mit Anmerkungen. Immer geht es um Grundfragen, in dieser Reihe selten mehr als hundert Seiten lang. Mal sind's Klassiker, mal neue Texte zu aktuellen Fragen, zur Flüchtlingskrise etwa, oder über den Hang der Gegenwartskultur zum Abbau von Ambiguität (dazu sehr lesenswert ein Heft von Thomas Bauer).

Oder eben ein verschollener Text wie Paul Lafargues zuerst 1880 erschienenes Pamphlet "Das Recht auf Faulheit" (aus dem Französischen von Ute Kruse-Ebeling, sechs Euro). Lafargue, farbiger Kubaner, Schwiegersohn von Karl Marx, stellte sich die Frage, warum das Proletariat ein "Recht auf Arbeit" einforderte. Viele Kulturen, auch die wilden, hatten Muße, Nichtstun, Genuss zelebriert, den schönen Menschen. Nur im Kapitalismus begeben sich die Menschen ins Hamsterrad von Produktion und Konsum. Die einen werden sklavenartig ausgebeutet, wenige andere konsumieren obszön und werden hässlich fett dabei. Ständig müssen neue Märkte erschlossen, neue Bedürfnisse geweckt werden, um den Profit der allerwenigsten zu steigern. Wie wäre es, so Lafargues Überlegung, beides gleich zu verteilen: die Arbeit und den Konsum? Und dabei die Arbeit durch Maschinen möglichst produktiv zu machen, dass genügend Zeit zum Genuss des Produzierten bliebe? Luxus-Industrien könnten getrost wegfallen, ebenso die Ideologie-Produktion im Überbau: Publizisten in die Produktion! Politiker auf Unterhaltungsbühnen!

Paul Lafargues ökonomische Utopie ist zugleich eine kulturkritische Satire mit zahllosen Bezügen aufs intellektuelle Frankreich seiner Zeit - darum erläuterungsbedürftig, zugleich sehr lustig. Lafargue fordert den Drei-Stunden-Tag, aber auch obligatorischen Sport (gestrenger Sozialist ist er eben doch). Das Heft schafft man in drei Stunden.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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