Kampf dem Weihnachtsmann!:Jingle smells

Rettet das Christkind: Wie konservative Kräfte in den USA versuchen, aus Xmas wieder Christmas zu machen. Man bläst zum "Krieg um Weihnachten".

TOBIAS MOORSTEDT

Bill O`Reilly war nie in der Armee, ein Krieger ist der Nachrichtensprecher des US-Senders Fox News trotzdem. O"Reilly kämpft an vielen Fronten, gegen Terroristen, Bürokraten, die Linke und andere Ungläubige. Zurzeit verteidigt er im "Krieg um Weihnachten" die christliche Tradition gegen säkulare Maskottchen wie rotnasige Rentiere, sowie Menschen, die sich nicht "Fröhliche Weihnachten" wünschen, sondern, wie etwa die Kollegen vom Sender NewYorkOne: "Happy Holiday. And may peace be with you. Whatever you celebrate."

Kampf dem Weihnachtsmann!: "Der Präsident hat vor den schlimmsten Elementen unserer Kultur kapituliert." Soweit musste es kommen!

"Der Präsident hat vor den schlimmsten Elementen unserer Kultur kapituliert." Soweit musste es kommen!

Mit dem Kollegen John Gibson hat O"Reilly nun das Buch "War on Christmas" geschrieben. Laut den "Fox-Fightern" wird das traditionelle Weihnachtsfest von "professionellen Atheisten und Christen-Hassern" angegriffen - namentlich dem linksliberalen Milliardär George Soros und den Bürgerrechtlern von der ACLU, welche mit "Unterlassungsklagen und Hasspropaganda" jeden angreifen würden, der die christlichen Wurzeln von Weihnachten betone.

Die Schlacht tobt: Fox hat in den vergangenen fünf Tagen 59 Beiträge zu dem Weihnachtskrieg gebracht, mehr als über den Welthandelsgipfel in Hongkong oder Bushs Abhöraffäre. Auf der Webseite savemerrychristmas.org steht eine schwarze Liste von Firmen, die in ihrer Werbung das Wort "Christmas" durch "Holiday" ersetzt haben. Republikanische Senatoren bewirkten, dass in Washington nicht länger ein "Capitol Holiday Tree" sondern ein "Capitol Christmas Tree" steht. Und als George W. Bush auf den offiziellen Grußkarten "Happy Holiday" wünschte, donnerte William A. Donohue, Vorsitzender der "Catholic League for Religious and Civil Rights": "Der Präsident hat vor den schlimmsten Elementen unserer Kultur kapituliert."

Obwohl sich 80 Prozent der Amerikaner als Christen bezeichnen, sind die USA doch eine multireligiöse Gesellschaft. "Holiday Season" heißt der amerikanische Advent deshalb neutral und funktioniert beinahe als säkularer Feiertag wie der 4. Juli oder Thanksgiving. In den dekorierten Einkaufsstraßen findet man kaum christliche Symbole wie Engel, Kreuz oder Krippe. Stattdessen erzeugen Sterne, Kuscheltiere und Zuckerstangen ein abstrakt-sakrales Gefühl. Weihnachtsfeiern in amerikanischen Schulen beinhalten heute neben einem Krippenspiel oft auch Lieder zu Channuka, dem afrikanischen Jahresendfest Kwanzaa oder Diwali, dem indischen Lichterfest. Auch wenn es unter der aktuellen Administration oft nicht so wirkt: In den USA sind Staat und Kirche strikt getrennt. 1985 entschied der Oberste Gerichtshof im "Rentier-Urteil", dass Krippenspiele auf öffentlichen Plätzen nur dann verfassungsgemäß sind, wenn sie durch säkulare Symbole wie den Weihnachtsmann ausbalanciert werden.

Sinnentleert wie Westeuropa

Was Bill O"Reilly als geheimen Plan der Linken bezeichnet, "um die christliche Philosophie aus Amerika zu entfernen und uns in eines dieser sinnentleerten Länder zu verwandeln, wie es sie in Westeuropa gibt", ist also keine neue Verschwörung, sondern alter Verfassungstext. Darüber hinaus hat Weihnachten keine besondere Tradition in den USA. 1870 war das Fest nur in 18 Staaten anerkannt. Deshalb folgert die New York Times zu recht: "Die Weihnachtskrieger verteidigen keine US-Tradition, sondern schaffen eine neue Version des Festes, das in ihre politische Agenda passt". Wie die aussieht, hat Samuel Huntington in seinem Buch "Who are We? The Challenge to America"s National Identity" zusammengefasst: "Eine Rückbesinnung auf Amerika als zutiefst religiöses und vorwiegend christliches Land".

Organisationen wie die "American Family Association" funktionieren in diesem Kulturkrieg wie die Software-Roboter der Internet-Suchmaschinen und fahnden mit ideologischen Algorithmen nach Verfehlungen im gesellschaftlichen Datensatz. Werden sie fündig, machen sie sich den hohen Organisationsgrad von religiösen Gemeinden zu Nutze, drohen mit Boykotten oder simulieren mit christlichem Spam so etwas wie einen öffentlichen Aufschrei. Oft mit Erfolg: Der Baumarkt Lowe stellt seinem Tannenbaum-Sortiment wieder das Präfix "Christ" voran, das Kaufhaus Macy"s weist in einer Pressemitteilung auf die häufige Verwendung von "Merry Christmas" in seinen Anzeigen hin.

Kritik am X-Mas der Konsumgesellschaft ist nichts Neues. Neil Postman stöhnte Ende der Achtziger über die Sinnentleerung von Weihnachten, die er aber nicht der amerikanischen Linken, sondern der gewinnorientierten Wirtschaft anlastete. Die Trivialisierung und "kulturelle Vergewaltigung" der christlichen Symbole führte er darauf zurück, dass "die Verehrung der Technologie die Verehrung von allem anderen unterläuft".

Interessant ist, dass Bill O"Reilly und seine Mitstreiter diesen Kritikpunkt ignorieren. Big Business ist für die christliche Rechte in den USA - die großteils von Televangelisten und profitablen Mega Churches geleitet wird - keine unheilige Sache. Werbung, Shop-Deko und Katalogtexte gelten ihnen als Manifestation des Weihnachtsgeistes. Nur deren häretische Inszenierung ist für sie Symptom der gesellschaftlichen Verlotterung. Im Internet betreibt Bill O"Reilly übrigens seinen persönlichen "Christmas Store". Zur Zeit im Angebot: Bonbons, Aufkleber und andere Fanartikel des wahren Weihnachten.

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