Kabarett:Stilvoll katastrophal

Severin Groebner

Was lehrt uns die Geschichte? Severin Groebner weiß, dass man sich nie auf ein Podest stellen sollte, ohne ein Selfie zu machen.

(Foto: Stefan Stark)

Severin Groebners neues Programm "Der Abendgang des Unterlands" wird befeuert von den aktuellen Krisen der Welt

Von Oliver Hochkeppel

Ein echter Wiener geht nicht unter, weiß man spätestens seit der gleichnamigen Fernsehserie des ORF in den Siebzigerjahren. Genauso gut kann man aber auch sagen: Ein echter Wiener geht immer unter. Gehört doch das Morbide, die stetige Beschäftigung mit dem Tod, dieses "Und mir wern nimmer sein" nicht nur im Klischee zu jedem Wienerlied und zur psychosozialen Identität seiner Bewohner. So gesehen ist der dank Klimakatastrophe und Nordkorea-Krise wieder hochaktuelle Themenkreis Apokalypse für den Kabarettisten Severin Groebner eine "Gmahde Wiesn": Der Mann ist schließlich im "Helmut-Qualtinger-Hof" im 19. Wiener Stadtbezirk geboren und hat die ersten 30 Lebensjahre in der Hauptstadt der "schönen Leich'" verbracht, bevor es ihn nach München und schließlich nach Frankfurt weiterzog.

Und so steht der lange Schlaks jetzt bei der Premiere seines neuen Programms "Der Abendgang des Unterlands" im Schlafanzug auf der Bühne der Lach- und Schießgesellschaft, um zu verkünden: "Morgen um 9.48 Uhr geht die Welt unter." Das sei ganz gewiss, schließlich stünde es im Internet. Und besonders glaubwürdig, ergänzt er später, würde die Prognose dadurch, dass jeder Beleg fehle - da werde also etwas besonders gut vertuscht. Was also tun? Ein Wiener weiß Rat: Erstmal gut frühstücken und vielleicht noch ein Achterl bestellen.

Doch keine Bange, so gemütlich bleibt es nicht lange, schließlich verkörpert Groebner seit jeher die hyperaktivste Symbiose aller möglicher Bühnen-Gegensätze: Slapstick beherrscht er ebenso gut wie die geschliffene Rede, Klamauk ebenso wie intellektuelle Reflexion, Hochdeutsch ebenso wie Dialekt, Singen und Gitarrespielen ebenso wie Schauspielerei, Politik ebenso wie lustvolle Kalauerei. So hangelt er sich frei assoziierend und doch wohl aufeinander aufbauend durch den ganzen Katastrophen-Unter- und Überbau von religiösem Fanatismus bis zum Terrorismus den Verschwörungstheoretikern. Mit wunderschön geknödelten Songs ("Auf dem Kinderspielplatz sitzt ein Terrorist"), famosen Rollenspielen vom Krisen-Über-Ich bis zu Jupiter und einem famosen geschichtsphilosophischen Finale: Da werden dann die "uralten Traditionen" des Abendlandes samt dämlichen Nationalstolz, Krypto-Rassismus und Xenophobie ad absurdum geführt werden. Ein großer, sehr gescheiter Spaß mit Tiefgang, bis hin zum Memento-Mori-Zugabenlied.

Severin Groebner, div. Termine, bis 23. September, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9

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