Kabarett:Kafka in der Großstadt

Thomas Steierer/Metromadrid, dem Kabarett-„Hoffnungsträger“

Er kam, sah und siegte: Niemand kannte Thomas Steierer als Kabarettist, bis er im Dezember in Passau das große Scharfrichterbeil gewann. Jetzt will er als "metromadrid" das Eisen schmieden, solange es heiß ist.

(Foto: Evi Keglmeier)

Thomas Steierer bereichert die Szene mit düsterem Humor

Von Oliver Hochkeppel

In jüngster Zeit kommt der Kabarett-Nachwuchs vor allem von den Poetry Slams. Thomas Steierer ist eine Ausnahme. Er bewegte sich bislang in den Geisteswissenschaften und im Journalismus, bis er Ende November im Feierwerk (wo er bereits eine Fotoausstellung präsentiert hatte) sein erstes Soloprogramm "Der urbane Dorfdepp" vorstellte und mit Auszügen daraus Anfang Dezember völlig überraschend und einhellig bei Jury wie Publikum das Scharfrichterbeil in Passau gewann, den wohl wichtigsten Nachwuchspreis neben dem Münchner Kaktus und dem Wiener Nagel.

Steierer ist schon deshalb kein Mann der Slams, weil bei ihm alles "Jahrzehnte dauert, bis es sich umsetzt", wie der 35-Jährige scherzt. Immerhin, vom Wort, von der Literatur kommt er schon, das Interesse an Sprache manifestierte sich bei dem Sendlinger schon am Dante-Gymnasium. Vielleicht gerade deswegen studierte Steierer nicht Germanistik, sondern Politikwissenschaften (er war auch mal kurz bei den Jusos), Philosophie - und Theologie. Hatte er doch bei einem Neuseeland-Urlaub das Alte Testament mitgenommen, das ihn ebenfalls gewissermaßen literarisch interessierte. "Das war dann das perfekte Nebenfach: Den Stoff kannte ich bereits, die zwei Scheine hab ich in einem Semester durchgezogen." Auch so ein Steinbruch für die humoristische Stoffsammlung, die er nebenbei immer angelegt hat, bei der Praktikumsschleife nach dem Studium wie bei seinen Jobs als freier Journalist (für den BR, die AZ oder die dpa bis zur Obdachlosenzeitschrift Biss) oder als Werbetexter.

Die eigenen Erfahrungen wie rein literarische Ideen hat er jetzt zu einem äußerst ungewöhnlichen Auftritt unter dem kryptischen Bühnennamen metromadrid verdichtet. Nahezu regungslos steht er auf der Bühne und lässt seinen "urbanen Dorfdepp" kafkaesk von einer Katastrophe in die nächste tappen. Glaubt man, ein Licht erkennen zu können, reißt einen der nächste Satz Steierers wieder in den nächsten Tunnel. Schwarzer Humor, der am ehesten noch an einen Niko Semsrott erinnert, wobei "ich auch mal von der Frontalbespielung weg gehe, aus der Figur steige und auch Positives aufbaue", wie Steierer sagt. Das könnte im neuen Jahr das neue Kabarett-Ding werden. Die erste Gelegenheit, das nachzuprüfen, ist am 8. Februar im Heppel & Ettlich.

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