Kabarett:An der Himmelspforte gescheitert

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Eine Götterdämmerung will gut geprobt sein: Werner Winkler, Herman van Ulzen, Franziska Janetzko und Martin Politowski (von links). (Foto: Dieter Schnöpf/Drehleier)

"Götterdämmerung", die neue Eigenproduktion der Drehleier, schickt drei Selbstmörder zurück auf die Erde

Von Oliver Hochkeppel, München

Auf die "Gämsendämmerung" folgt die "Götterdämmerung". Vom Titel her schließt Werner Winklers neue Eigenproduktion an seinem Theater Drehleier also an die vom vorigen Jahr an, ansonsten aber ist alles anders. War die Gämsendämmerung ein groß angelegtes, mit vielen Varieté-Elementen angereichertes Spektakel mit neun Schauspielern und mehreren Musikern, so ist die Götterdämmerung nun eher ein Kammerspiel; ein Vier-Personen-Stück, begleitet von einem Pianisten; drei Türen hat es auf der Bühne, dazu einen Tisch mit Stühlen, an der Seite eine Gartenbank - das ist es im wesentlichen. Aber 2016 musste man ja auch das 40-jährige Bestehen feierlich begehen, jetzt herrscht sozusagen wieder Normalbetrieb. Abgesehen davon "bringen solche Großproduktionen ein kleines Haus wie dieses und selbst ein Energiebündel wie Werner Winkler an die Grenze der Belastbarkeit", sagt Martin Politowski, der nicht nur wieder mitspielt, sondern auch wieder zusammen mit Winkler das Stück geschrieben hat.

Im Herbst begab man sich zusammen in Klausur, passend dazu schwebte ihnen eine Geschichte rund um ein Männerwohnheim als Grundidee vor. Richtig seriös recherchiert hatte man das - an einigen Details kann man das auch im fertigen Stück noch erkennen. Als die erste Fassung fertig war, gab man es einigen vertrauenswürdigen Branchenkollegen, und die - "schlugen es uns um die Ohren", berichtet Winkler. "Dass alles viel zu traurig sei, bemängelten sie vor allem", ergänzt Politowski. Also dachte man sich einen neuen Ansatz aus, änderte herum und schrieb schließlich alles um. Immerhin war das nun zufriedenstellende Ergebnis zwei Wochen vor Probenbeginn fertig.

Und so geht der Plot jetzt: Drei Selbstmörder, alles ältere Herren, stehen vor der Himmelspforte, besser gesagt vor dem Eingang des "5-Sterne Elysiums": ein ehemaliger Kommissar, ein Schauspieler und ein Banker. Die Rezeption will ihnen wegen "Verstoßes gegen unsere Geschäftsbedingungen, indem sie Ihre Reise absichtlich verkürzt haben" die Türe gegenüber zuweisen, die die nach unten führt. Ein Glück, dass alle drei eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen haben: Sie bekommen eine zweite Chance auf Einlass, werden dazu zur Vollendung der Reise zurückgeschickt mit der Auflage, eine gute Tat zu tun. Der Haken an der Sache: Nach der Rückkehr haben alle weitgehend ihr Gedächtnis verloren, und auch die Mitmenschen kennen sie nicht mehr. Bleibt zunächst nur die Parkbank. Und nach einem verzweifelten, desaströs schief gehenden Banküberfall auch das Männerwohnheim, wo man sich das Bleiberecht mit niederen Jobs erarbeitet. Schon bald aber gehen dort Dinge vor, die alles verändern.

"Der Verlust der Identität ist der Treibstoff des Stücks", sagt Politowski. Und so eröffnet nicht nur die Wiedererlangung von Erinnerungen und das Spiel mit den Berufsklischees der drei Figuren - neben Winkler als Kommissar und Politowski als Fondsmanager noch Herman van Ulzen als Schauspieler - viel Raum für komische, aber auch tragische Momente. Natürlich treffen die drei alten Herren in Gestalt der Wohnheim-Leiterin Ruth Fröhlich auch auf einen jungen, äußerst attraktiven Schutzengel, gespielt von Franziska Janetzko. Alle haben bereits bei früheren Drehleier-Produktionen mitgemacht, das Team ist also bestens eingespielt.

Die "Götterdämmerung" ist kein typisches Boulevardtheater, dafür ist sie zu sehr Tragikomödie. Trotzdem füllt Winkler diese in München zunehmend verwaiste, fast nur noch von der Komödie im Bayerischen Hof besetzte Nische - dort freilich mit Tourneetheatertruppen. Zum einen ist das aus der Not geboren: "Die Kabarettisten sind hier weniger geworden, die wollen ja alle nur noch drüben im Schwabinger Bermuda-Dreieck spielen", sagt Winkler.

Zum anderen ist dieser Werner Winkler, der letzte Träger des Münchner Kabarettpreises (der seither Dieter-Hildebrandt-Preis heißt), kein reiner Veranstalter oder Kulturmanager. Bis heute brennt in ihm die Leidenschaft, auch selbst zu inszenieren und auf der Bühne zu stehen. Erst in den "Varieté Spektakulum"-Revuen, seit einigen Jahren zunehmend mit Theater. "Das Wirtshaus im Spessart" vor fünf und "Pension Schöller" vor zwei Jahren waren mehr oder weniger freie Adaptionen berühmter Vorlagen, nun ist alles selbstgemacht. Und keine Bange, ganz hat Winkler seinem Hang zum Burlesken auch bei der "Götterdämmerung" nicht entsagt.

Götterdämmerung , Dienstag bis Samstag, 9. (Premiere) bis 13. Mai, sowie von 16. bis 20. Mai, Theater Drehleier, Rosenheimer Straße 123

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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