Junges Theater:Auf der Bühne wachsen

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Die Theaterperformance "Brandmale" aus Solingen macht sich auf die Suche nach jenen schmerzhaften Brandspuren, die uns Menschen verfolgen. (Foto: Daniela Tobias)

Bereits zum achten Mal feiert das Festival "Rampenlichter" die Kreativität von Kindern und Jugendlichen. Junge Tänzer und Schauspieler aus Deutschland, Russland und Süd-Ost-Europa präsentieren sich in 36 Aufführungen

Von Barbara Hordych

Die Themen sind vielfältig: Von Mut und Ausgrenzung, vom Lügen und Verheimlichen, von der Sehnsucht nach dem ersten Sex und vom Scheitern der Romanze im Alltag erzählen die 18 Tanz- und Theaterinszenierungen aus München, Deutschland, Russland und Süd-Ost-Europa, die beim Festival "Rampenlichter" präsentiert werden. Mit insgesamt 36 Abend- und Schulklassenaufführungen, 50 Workshops sowie rund 5000 Besuchern an zehn Tagen gehört Rampenlichter bundesweit zu den größten Festivals im jugendkulturellen Bereich. "Alle auftretenden Gruppen nehmen mindestens vier Tage am Festival teil, das gehörte von Anfang an zu unserem Konzept", erklärt Festivalleiter Alexander Wenzlik vom Verein Spielen in der Stadt. "Wir wollen einen wirklichen Austausch, und dazu gehört eben, dass die Gruppen nicht nur anreisen, auftreten und wieder abreisen."

Aus 50 Bewerbungen hatten er und seine Mitarbeiter in diesem Jahr auszuwählen. Eines der wichtigsten Kriterien auch bei der achten Ausgabe des Festivals: Die jungen Kreativen sollten tatsächlich an dem künstlerischen Prozess, an der Entwicklung von Texten, Choreografien, Musikstücken, an Bühnenbild und Maske sowie Ton- und Lichttechnik beteiligt gewesen sein, auf der Bühne erkennbar ihre eigene Sprache und Ästhetik präsentieren.

Während ihres Aufenthalts proben die Darsteller auf der Bühne des Schwere Reiter, präsentieren ihre Stücke, besuchen Vorstellungen anderer Gruppen und nehmen an den diversen Workshops teil. "Dazu kommen noch die Workshops, die sie selbst leiten und in denen sie ihre Tanz- und Theateransätze vermitteln", sagt Wenzlik. Diese direkte Verbindung von jungen Tänzern und Schauspielern zu oft gleichaltrigen Schülern habe sich in den vergangenen Jahren als eine besonders attraktive Variante herauskristallisiert.

Die längste Verweildauer werden dabei die 28 Teilnehmer eines vom Goethe-Institut initiierten Sieben-Länder-Projekts haben: Bei "Einheit in Vielfalt?" treffen vorwiegend südosteuropäische "Pasch-Schüler" vom Partnerschulnetz des Goethe-Institut aus Serbien, Kosovo, Bosnien, Kroatien, Montenegro, der Türkei und Deutschland in München zusammen - Teilnehmer also, die überwiegend aus Ländern kommen, die noch in den Neunzigerjahren in kriegerische Auseinandersetzungen miteinander verwickelt waren (Fr., 3. Juli, 11 Uhr; Sa., 4. Juli, 18 Uhr). "Schon im vergangenen Jahr fragte Jakob Konrath vom Goethe-Institut Belgrad bei uns an, ob er mit seinem Projekt nach München kommen dürfe", erzählt Wenzlik. Das Besondere daran: Die deutschlernenden Jugendlichen aus dem südosteuropäischen Raum werden ihr Stück erst während der Festivalzeit erarbeiten, acht Stunden täglich. Untergebracht sind sie ganz in der Nähe im Hostel Haus International, die künstlerische Leitung haben die Theaterpädagogin Cindy Jänicke und die Choreografin Sabine Reiff inne. Jänicke dürfte vielen Münchnern noch durch ihre mehrmals ausgezeichnete "Kinder-Buch-Theater"-Reihe am Residenztheater bekannt sein; im vergangenen Jahr brachte die Leiterin der interkontinentalen "Kuenda Productions" für das Stück "Twenty. Fifteen" ein Team von Jugendlichen aus Afrika und Europa in der Schauburg zusammen.

Spannend wird es werden, verspricht sie, eine entsprechende Offenheit sei natürlich unabdingbar. "Bereits seit Januar habe ich für die jeweils vier Teilnehmer aus den sieben Ländern einen gemeinsamen virtuellen Arbeitsraum eingerichtet, mit Chats, die ich moderiere", erzählt Jänicke, die teils in Simbabwe, teils in München lebt. Auf dieser Internetplattform kommunizierten die Jugendlichen mittels Videobotschaften, äußerten sich zu ihren Interessen, aber auch zu Jänickes projektbestimmender Frage, was für sie Europa oder die EU bedeute. "Das ist das erste Mal, dass eine Truppe sozusagen als ,Artists-in-residence' bei uns ein Stück erarbeitet - wenn das gut funktioniert, könnte das ein Konzept mit Zukunft sein", sagt Wenzlik.

Seine eigene Gruppe, die "Bühnenstürmer", sind mit "kontrasTanz" zu sehen (Di., 30. Juni, 19 Uhr; Do., 2. Juli, 11 Uhr). In dem Tanzstück der neun Acht- bis Achtzehnjährigen, die einmal wöchentlich im Münchner Kinder- und Jugendmuseum proben, dreht sich alles um Gegensätze, Widersprüche und Kontraste. "Die im Leben, und die in einem selbst", sagt Wenzlik. Da gebe es denjenigen, der seine guten und seine bösen Seiten ausdrücke, oder diejenige, die den Kontrast zwischen Alltag und dem Traum von einer besseren Welt gestalte. Ganz generell war Wenzlik bei der Auswahl der Stücke wichtig, dem Publikum eine ganze Bandbreite von "diversesten Projektkonzeptionen" vor Augen zu führen: "Diese Breite reicht von frei organisierten Gruppen bis hin zu Jugendlichen, die in der Ausbildung zum Profitänzer stehen."

So befindet sich auf der einen Seite des Spektrums etwa die Produktion "Viel Lärm um Romeo und Julia oder Neues von Shakespeare" der Freien Theatergruppe am Ackermannbogen der Nachbarschaftsbörse e.V. : Das Stück interpretiert die altbekannte Geschichte von Romeo und Julia als turbulente Liebesgeschichte, die sich im Laufe der Aufführung zum Horrortrip verwandelt. Anstelle der erhofften Romanze beginnen sich die Liebenden irgendwann anzupöbeln und zu prügeln, um schließlich zu töten oder getötet zu werden (Fr., 26. Juni, 19 Uhr; Do., 25. Juni, 10.30 Uhr).

Auf der anderen Seite des Spektrums steht "Ugly D.", eine Tanzperformance der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München: ein Tanzstück über Ausgrenzungen und Mut - über hässliche Entlein und zukünftige Schwäne. Dabei entwickelte sich der spezielle Aspekt des Themas Mobbing von jungen, männlichen Balletttänzern aus einigen Gesprächen zwischen dem Tänzer David Russo und neun- bis elfjährigen Tänzern der Ballettakademie (Fr., 26. Juni, 10.30 Uhr; Sa., 27. Juni, 19 Uhr).

Festival Rampenlichter , Mi., 24. Juni bis Sa., 4. Juli, Theater Schwere Reiter, Dachauer Str. 114, 52 30 06 94

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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