Julia Engelmann über Hypes und Shitstorms:"So funktioniert das Internet eben"

Julia Engelmann

Julia Engelmann wurde für ihren Auftritt beim Bielefelder Hörsaal-Slam berühmt.

(Foto: Imago Stock&People)

Julia Engelmann ist Anfang des Jahres mit einem Gedichtvortrag zur Youtube-Berühmtheit geworden, jetzt hat ein Buch herausgegeben. Im Interview erzählt sie, warum sie auf Berufs-Hopping steht und wie es sich anfühlt, ein Netzphänomen zu sein.

Von Laura Hertreiter

Katzenvideos, Eiskübel-Challenges, supergeile Supermarktwerbungen: Die Trends im Internet wechseln beinahe wöchentlich. Einer davon ist Julia Engelmann. Anfang des Jahres wurde ein Video millionenfach auf Youtube geklickt, das sie beim Vortrag eines selbst geschriebenen Gedichts beim Bielefelder Hörsaal-Slam zeigt. Ein Aufruf, das Leben anzupacken, jeden Tag zu nutzen. "Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein." - Mit diesen Zeilen traf die 22-Jährige einen Nerv. Im Internet wurde sie tausendfach geliebt und gehasst.

Jetzt hat die 22-Jährige ein Buch herausgebracht. 96 Seiten mit Gedichten, die sie in den vergangenen fünf Jahren geschrieben hat. Das ist nicht das einzige, was sich seit dem Hype im Netz in ihrem Leben getan hat.

Zum Interview mit der Süddeutschen Zeitung in einem Bremer Straßencafé radelt sie mit Riesentasche, Riesenstrickjacke und blondem Dutt. Später muss sie weiter, Kostümprobe in Berlin für den Kinofilm zu Hape Kerkelings Roman "Ich bin dann mal weg". Auch wenn längst zig andere virale Videos durchs Netz geschwirrt sind -Julia Engelmann hat der Hype um sie einige Türen geöffnet. "Ich hatte danach viele Angebote, Möglichkeiten und Job-Optionen", sagt sie. Bis vor kurzem tourte sie mit dem Sänger Tim Bendzko durch Deutschland und trug vor seinen Auftritten ihre Texte vor.

Psychologie, Poesie, Telenovela

Die Tochter einer Psychologin und eines Logistikmanagers hat zu Schulzeiten zwei Klassen übersprungen, hat ein Philosophiestudium abgebrochen und studiert jetzt Psychologie in Bremen. Zwischendurch und nebenbei ist sie Schauspielerin. Zwei Jahre lang hatte sie eine Rolle als Eishockeyspielerin in der RTL-Daily-Soap "Alles was zählt".

Als die Leute ihr Video im Januar entdeckten und begannen, es wie verrückt zu teilen, lag Julia Engelmanns Auftritt schon ein halbes Jahr zurück. Damals im Publikum an der Universität von Bielefeld waren die Reaktionen auf den Gedichtvortrag verhaltener. "Ich bin nach der Vorrunde rausgeflogen, das Publikum fand andere also besser."

Erst im Internet begeisterte ihr Auftritt. Wenn Julia Engelmann vom Hype erzählt, ist da noch immer ein ungläubiges Kopfschütteln. "Irgendwann hatte ich mehrere Nachrichten pro Minute, das ist gar nicht mehr abgerissen." Sie erzählt von der Aufregung, von schlaflosen Nächten und dem einzigen Ausweg: Den Laptop zuzuklappen.

Neben all den Chancen, Komplimenten und einigen Heiratsanträgen brachte ihr die Netzberühmtheit aber auch eine Menge Kritik. Sie sei zu glatt, zu streberisch, zu naiv, ihre Gedichte zu seicht und voller Allgemeinplätze. Julia Engelmann erklärt sich das mit einem Schulterzucken: "So funktioniert das Internet eben. Es verstärkt alle Reaktionen. Sowohl die Begeisterung als auch Kritik." Nie verletzt gewesen? "Ich habe in dieser Zeit gelernt, das nicht wirklich persönlich zu nehmen."

Wie es jetzt weitergeht? Es gebe einfach zu viele Dinge, die ihr Spaß machten. Schauspielerei, Nachhilfeunterricht geben, Zeichnen, Dichten, die Psychologie. "Ich weiß nicht, ob ich jemals in eine Berufsbezeichnung schlüpfen will."

Das Buch sei der größte Gewinn aus dem Netzwahnsinn, sagt Julia Engelmann. "Als ich damals zu dem Slam nach Bielefeld gefahren bin, habe ich meine Gedichte vorher in einem Copyshop sechzigfach kopiert und stand dann da mit meinen DinA-5-Heftchen. Dass jetzt ein echtes Buch aus der Sache geworden ist, das ist mehr, als ich mir erhofft hatte für dieses Jahr."

Lesen Sie das komplette Interview mit Julia Engelmann in der Digital- und Printausgabe der "Süddeutschen Zeitung" vom Samstag, 30. August 2014.

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