Jugendbuch:Mama soll sterben

Jugendbuch: Anna Woltz: Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Carlsen 2016. 176 Seiten, 10,99 Euro.

Anna Woltz: Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Carlsen 2016. 176 Seiten, 10,99 Euro.

Die zwölfjährige Heldin muss die Scheidung und die seltsamen Pläne der Eltern zur Aufteilung der Kinder verkraften. Als sich alle im Krankenhaus treffen, Vater und Schwester hatten einen Radunfall, erscheint die Zukunft nicht mehr so düster.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Ort der Handlung: ein Krankenhaus. Heldinnen und Helden: Kinder mit äußeren und inneren Verletzungen. Und doch haben wir es hier nicht mit einem düsteren Problembuch zu tun. Diese Kunst, ernste Themen in einem leichten und humorvollen Ton zu erzählen, beherrschen Kinderbuchautorinnen und Autoren aus den Niederlanden besonders gut. Zu ihnen gehört die junge Anna Woltz, die mit ihren Kinderromanen Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess und Kükensommer auch hierzulande Kritiker und Leser begeistert hat. Ihre aufmüpfigen, eigenwilligen Heldinnen erinnern ein wenig an "Polleke" aus den Kinderbüchern des großen niederländischen Autors Guus Kuijers.

In Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte geht es um die zwölfjährige Felicia, genannt "Fitz". Sie und ihre neunjährige Schwester Bente wurden aus ihrer heilen Familienwelt katapultiert, denn: "Vor einer Woche wurde ich in eine Rakete gesetzt und auf den Planeten gemeinsames Sorgerecht geschossen." Nach einem sogenannten Schirmgespräch am zweiten Weihnachtstag war der Vater ausgezogen, und die beiden Mädchen wurden vor die vollendete Tatsache der Trennung ihrer Eltern gestellt. Doch die Planung, drei Tage bei der Mutter, drei Tage beim Vater samt einer "Hin-und-Her-Tasche" und einem noch in der Diskussion befindlichen Zwischentag, gerät gleich beim ersten Besuch in Vaters neuer Wohnung ins Wanken. Sein Versuch, Bente samt neu gekauftem Schlitten bei Glatteis auf dem Fahrrad zu transportieren, endet mit einem schlimmen Sturz. Die gerade so sorgfältig getrennte Familie versammelt sich vollzählig an Bentes Bett im Krankenhaus, wo ihre abgetrennte Fingerkuppe wieder angenäht werden muss. Dass Fitz sich vorher "Mama soll sterben" mit "Geht-nie-wieder-ab-Permanentmarker" auf Stirn und Wangen geschrieben hat, macht die Sache nicht leichter. Zum Glück rettet sie die Nachbarin mit einer Tigermaske, und in der Hektik des Krankenhauses scheint ein Mädchen mit Maske nicht weiter aufzufallen. Erst als sie dort Adam trifft, einen umwerfend gut aussehenden 15-Jährigen, erfährt der Leser den Grund für diesen schrecklichen Satz. Sie hatte gehört, wie die Mutter dem Vater von ihrer Vorfreude auf die kinderlosen Tage vorschwärmte, an denen sie "endlich wieder nach all den Jahren sie selbst" sein könnte, während ihr Vater die Tage ohne seine Familie schrecklich fand. Wie ihr Adam, der einen ganz anderen, nicht minder tragischen Kummer hat, der seinen Aufenthalt im Krankenhaus notwendig macht, hilft, die schlimmen Wörter aus ihrem Gesicht zu entfernen, und was Fitz noch alles an diesem Katastrophentag im Krankenhaus erlebt und welche Rolle das Stehlen von Gips dabei spielt, erzählt Anna Woltz lebendig und voller witziger Einfälle. Andrea Kluitmanns ist ihr dabei eine einfühlsame Übersetzerin. Schade nur, dass das uninspirierende Cover diese Stimmung nicht spiegelt. (ab 10 Jahre)

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