Jubiläum:Hart und zart

Jubiläum: Ludwig Fels, geboren 1946 in Treuchtlingen, schreibt Lyrik, Hörspiele, Erzählungen und Romane. Für sein Werk hat er zahlreiche Preise erhalten. Seit 1983 lebt er in Wien.

Ludwig Fels, geboren 1946 in Treuchtlingen, schreibt Lyrik, Hörspiele, Erzählungen und Romane. Für sein Werk hat er zahlreiche Preise erhalten. Seit 1983 lebt er in Wien.

(Foto: oh)

Der Schriftsteller Ludwig Fels wurde zunächst bekannt mit sogenannter Arbeiterliteratur. Doch er hat sein Spektrum an Stoffen und Erzählformen über die Jahre immer mehr erweitert - stets kraftvoll und voller Hinwendung zugleich. Nun wird er 70.

Von Meike Feßmann

Sein klares, expressives Pathos hat keine Patina angesetzt, es gibt wenige, die diesen Ton so beherrschen wie er. Ludwig Fels ist der Inbegriff eines unprätentiösen Schriftstellers. Seine Sätze wirken wie in Stein gehauen, das Nötige wird klar gesagt, und doch haben sie einen Hof aus Melancholie. Das Harte und das Weiche liegen ungewöhnlich nah beieinander, auf eine andere Art als bei den amerikanischen Beat-Poeten, die einmal seine Vorbilder waren. Der vor siebzig Jahren im mittelfränkischen Treuchtlingen geborene Schriftsteller kann Sätze raushauen, die das Zeug zum Aphorismus haben: "Ich halt mich über Wasser, aber das ist nicht der Platz, wo man Feuer fängt", schrieb er 1978 in "Mein Land", einem Geschichten-Band, der die Stimmung jener Jahre gültig einfängt.

Ludwig Fels war einer der wenigen proletarischen Schriftsteller des westdeutschen Literaturbetriebs. In rascher Folge publizierte er Lyrikbände, Hörspiele, Erzählungen und Romane, die so sprechende Titel trugen wie "Die Sünden der Armut" (1975) oder "Ein Unding der Liebe" (1981). Wichtige Auszeichnungen folgten, bis hin zum Wolfgang-Koeppen-Preis und Wolfram-von-Eschenbach-Preis. Er ist einer, der sich treu bleibt und trotzdem nach neuen Stoffen und Erzählformen sucht. Sein jüngster Roman, "Die Hottentottenwerft", spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia.

Von anderen Spielarten des Kolonialismus erzählte er schon vor zwanzig Jahren in seinem Roman "Mister Joe". Mit einer Genauigkeit, die nichts Voyeuristisches hat, den Leser aber auch nicht schont, schildert er dort die Exzesse sexueller Gewalt. Doch die Darstellung von Gewalt ist nicht sein eigentliches Terrain. Ähnlich wie Fassbinder, der die männliche Brutalitätskapazität niemals unterschätzte, kennt auch Fels ihr wirkungsvollstes Gegengift: Hinwendung und Zärtlichkeit. Die Verletzlichkeit hat mit den Jahren zugenommen, seinem Werk geschadet hat das nicht. Der 2006 erschienene Roman "Reise zum Mittelpunkt des Herzens" über einen krebskranken Mann, sein vielleicht schönstes Buch, ist eine Feier der Existenz unter dem Vorzeichen der Vergänglichkeit.

Von einer ähnlichen Weichheit wird auch der Held des Romans "Die Parks von Palilula" ergriffen. Er spielt in Wien, wo Ludwig Fels seit 1983 lebt. Ein alternder Schriftsteller stürzt sich Hals über Kopf in die närrische Liebe zu einem kleinen Mädchen, der Tochter nigerianischer Eltern, die in Österreich Asyl gefunden haben. Es ist ein Roman über verpasste Chancen, über den Wunsch, in eine Genealogie eingebettet zu sein, und über das Glück, einem Kind beim Lachen zuzusehen. Und es ist auch eine Erlösungsgeschichte, bei der nicht nur dem Mädchen und seiner Mutter geholfen wird, sondern vor allem dem Helfer, der an seinem Schriftstellerleben manchmal verzweifeln könnte.

"Ich renne durch meinen Kopf / es geht auf und ab, ich / springe gegen die Wände. / Oh, hallo, all ihr Toten! / Oh, hallo, all ihr Songs, ihr traurigen / wegen denen ich weinte und heulte / und raste in meinem Kopf, verfolgt / von all den Gespenstern / die auf der Rückseite des Herzens starben." So heißt es in einem Gedicht aus dem Band "Egal wo das Ende der Welt liegt" (2010). Ludwig Fels hat ein ebenso genaues Gespür für Sprachnuancen wie für soziale Ungerechtigkeit. Vor allem aber hat er ein festes Zutrauen in die Poesiefähigkeit der Existenz. Das macht die Strahlkraft seines Werkes aus.

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