Jubiläum:Anstifter zur Zivilcourage

FILM DIRECTOR JEWISON ADDRESSES NEWS CONFERENCE DURING FILM FESTIVAL IN BERLIN

"Die Filme, in denen es um Bürgerrechte und Ungerechtigkeit, liegen mir am meisten am Herzen", sagt der gebürtige Kanadier, Norman Jewison.

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Zum neunzigsten Geburtstag des Filmemachers Norman Jewison, bekannt für Filme wie "The Hurricane".

Von Susan Vahabzadeh

Wenn Hollywood in Hochform ist, dann entstehen dort Filme, in denen Haltung und Unterhaltung zusammengehören. "In der Hitze der Nacht" (1967) ist ein wunderbares Beispiel dafür. Als Norman Jewison ihn drehte, gewann die Bürgerrechtsbewegung in den USA an Fahrt, und sein Krimi war dazu filmische Untermalung. Da kommt ein Cop aus Philadelphia, Virgil Tibbs (Sidney Poitier) in ein Südstaatenkaff, wo ihm der Sheriff (Rod Steiger) fast einen Mord in die Schuhe schiebt. "Virgil, was für ein seltsamer Name für einen Nigger", bellt Steiger, "wie nennt man dich denn da oben im Norden?" Sidney Poitier antwortet in kalter Rage: "Sie nennen mich - Mr. Tibbs!" Virgil Tibbs beweist Geduld und hilft dem Sheriff aus der Patsche, der dann langsam zu Verstand kommt.

Die Vorgeschichte zu "In der Hitze der Nacht" begann in einem Bus, hat Jewison später erzählt. Er war damals 18 Jahre alt, der Zweite Weltkrieg war noch nicht zu Ende, und er reiste erstmals aus Kanada in die USA, kam in Kontakt mit der herrschenden Rassentrennung. Er setzte sich nach hinten in dem Bus, zu ein paar schwarzen Soldaten - und wurde dafür angefeindet. Er habe, sagt Jewison, erst in diesem Augenblick so richtig verstanden, was Rassentrennung bedeutet: Diese Soldaten hatten im Krieg ihr Leben riskiert, aber neben ihnen sitzen sollte man nicht.

Als Jewison, am 21. Juli 1926 in Toronto geboren, Anfang der Sechzigerjahre mit dem Filmemachen anfing, drehte er erst einmal Komödien, mit Doris Day und James Garner, und einen Spielerfilm mit Steve McQueen, "Cincinatti Kid". Für "In der Hitze der Nacht" bekam Jewison dann schon seine Nominierung für einen Regie-Oscar - der Film gewann fünf, einen davon bekam Rod Steiger. Jewison ging leer aus, wurde dann noch sechs Mal nominiert - gewann aber nie. Er liebte das Genrekino, und er setzte Maßstäbe - mit dem wunderbar eleganten Gangsterfilm "Thomas Crown ist nicht zu fassen" (1968) beispielsweise, in dem Faye Dunaway versucht, dem raubsüchtigen Multimillionär Steve McQueen das Handwerk zu legen, und sich stattdessen in ihn verliebt. Eine Stimmung von Überdruss und Melancholie liegt in diesem Film, auch in dem Song, der darunter liegt und untrennbar mit McQueen und Dunaway verbunden ist - "Like the circles that you find/ In the windmills of your mind".

Jewison war als Filmemacher vielseitig, machte romantische Komödien wie "Only You", 1994 mit dem noch ganz jungen Robert Downey Jr., Krimis, die Kinofassung des Musicals "Jesus Christ Superstar" (1973), den dystopischen Science-Fiction-Film "Rollerball" (1975) - den drehte er, weil er fand, so werde die Zukunft aussehen, im Münchner Olympiapark.

Aber ganz bei sich war er dann, wenn seine bürgerrechtsbewegte Vergangenheit wieder durchschlug - wie 1999, als er, damals immerhin auch schon über siebzig Jahre alt, "The Hurricane" drehte. Der Film basiert auf realen Ereignissen, Denzel Washington spielte den Boxer Rubin "Hurricane" Carter, den auch schon Bob Dylan besungen hat. Carter wurde in den Sechzigerjahren für einen Mord verurteilt, den er gar nicht begangen hatte, und alle Versuche, den Fall wieder aufzurollen, scheiterten. Erst 1985 schafften es ein Junge und seine Pflegeeltern dann doch, seine Freilassung zu erreichen - Privatleute, die dafür alles riskierten, davon handelt Jewisons Film. Denzel Washington hatte in diesem Film einen seiner mitreißendsten Auftritte, besonders in jenen qualvollen Szenen, die Carters Isolationshaft zeigen. Den Oscar bekam er dann aber nicht dafür, wohl weil man Jewison vorwarf, er habe die Figur zu positiv gestaltet, eine Armee-Vergangenheit hinzu- und eine kriminelle Karriere weggedichtet. Jewison waren die Details wahrscheinlich egal. "The Hurricane" ist kein Denkmal für Carter, es ist eine verfilmte Anstiftung zur Zivilcourage. Und so etwas ist Hollywood nur selten so gut gelungen.

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