Jubiläum:Akt. Tun. Spielen

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Der Name "Act" ist Programm. Nun wird Siggi Lochs Jazz-Label 25

Von Oliver Hochkeppel, München

Eigentlich wollte Siggi Loch bereits 1966 mit einem Jazz-Label an den Start gehen. Obwohl erst 26, verfügte er bereits über reichlich Erfahrung im damals noch ganz jugendlichen Musikgeschäft. Als Schlagzeuger hatte er sich zunächst versucht, um zu erkennen, dass er seinen eigenen Ansprüchen als Musiker nicht würde genügen können; also wechselte er die Seite, fing als Plattenvertreter bei EMI an, stieg bei Philips zum Produzenten auf - im Handstreich, nachdem er beim Festival in Düsseldorf Klaus Doldinger gehört und ihm spontan und ohne Ermächtigung einen Plattenvertrag angeboten hatte.

Schon diese erste Produktion (Doldingers "Jazz Made In Germany") war ein Erfolg, und in kurzer Zeit lancierte Loch weitere Jazzer wie George Gruntz oder Attila Zoller, aber auch die neuen Beat-Helden The Searchers und The Rattles oder die Spencer Davis Group, unter anderem mit einer Reihe, die er zusammen mit der legendären Zeitschrift Twen aus der Taufe hob. Bald lag ein fertiges Konzept auf dem Tisch, und auch einen Namen für sein Label hatte Loch schon: Act. "Das Wort ist kurz, vieldeutig und umfassend. Substantiv und Verb zugleich. Akt. Tun. Spielen. Das war's", sagt Loch noch heute.

Bei den Jubiläumskonzerten des Jazz-Labels von Siggi Loch in der Unterfahrt spielt unter anderen Lars Danielsson. (Foto: Jan Söderström)

Doch es sollte viel Zeit ins Land gehen, bis etwas daraus wurde. Dazwischen kamen Angebote, die man nicht ablehnen kann. Erst suchte United Artists-Boss Al Bennett einen Geschäftsführer für den Deutschland-Ableger seines Liberty-Labels. Ein paar Jahre später, 1971, baute Loch die deutsche WEA (später Warner) auf, um bald ihr Europa-Chef zu werden. Loch war nicht nur der jüngste deutsche Plattenboss, er war auch am höchsten aufgestiegen. Und doch entschloss er sich 1988, "nützlich statt wichtig zu sein", wie er in seiner vor ein paar Jahren erschienenen Autobiografie schreibt. Nach einem gescheiterten ersten Anlauf machte er 1992 seinen Traum vom eigenen, unabhängigen Jazz-Label wahr. Es hieß, wie schon 25 Jahre zuvor erdacht: Act.

Zunächst von Feldafing am Starnberger See aus, dann mit Sitz am Roecklplatz in München, wurde Lochs Idee, "das Publikum berührende Musiker zu entdecken und zu fördern, statt die B-Liga in den USA einzukaufen", eine Erfolgsgeschichte. Loch fand seine Zugpferde zunächst in Schweden: Nils Landgren, Esbjörn Svensson und viele andere wurden bei und dank Act zu internationalen Stars. Inzwischen ist ganz Europa die Fundgrube, die Polen Adam Baldych und Leszek Mozdzer, die Finnen Iiro Rantala und Kalle Kalima, die Franzosen Vincent Peirani und Emile Parisien, die Norweger Marius Neset und Tore Brunborg oder der Schweizer Andreas Schaerer stehen für aktuelle erfolgreiche Act-Karrieren der jüngeren Labelgeschichte. Doch auch die eigene Szene hat Loch nie übersehen: Mit Meistern wie Joachim Kühn oder Heinz Sauer als Galionsfiguren hat man viele Talente gefördert, vor allem in der bahnbrechenden Reihe "Young German Jazz". Über Wolfgang Haffner und Dieter Ilg zieht sich die Line bis zu Thorsten Goods, Natalie Mateo, Jan Prax, Matthias Schriefl und allen voran Michael Wollny, den man in zehn Jahren unermüdlicher Aufbauarbeit zum erfolgreichsten jungen Jazzer Deutschlands machte.

"Paint It Blue": Den Titel von Nils Landgrens Album aus dem Jahr 1996 setzte Siggi Loch persönlich um. (Foto: ACT/Sebastian Hartz)

Alle denkbaren Preise der Musikindustrie wurden Loch inzwischen zuteil, bis hin zu Ritterschlägen durch die schwedische und norwegische Königsfamilie. Jetzt, mit 77, zieht er sich immer mehr auf das zurück, was "mir Spaß macht": den direkten Kontakt mit den Musikern, die Arbeit im Studio oder die Rolle als Kurator der Reihe "Jazz at Berlin Philharmonics". Nach Berlin ist Loch vor einigen Jahren gezogen, nicht zuletzt, um in der dort erworbenen Villa in Grunewald seine Kunstsammlung adäquat unterzubringen. Ebenfalls in Berlin führt seit Januar der von Universal geholte Andreas Brandis das operative Tagesgeschäft. A&R, Kommunikation und Verlag sind in München geblieben.

Nachdem im Berliner Konzerthaus schon im April ein großes All-Star-Jubiläumskonzert über die Bühne ging, werden die 25 Jahre Act nun auch in München gefeiert: Mit sechs Act-Nights in der Unterfahrt, bei denen die wichtigsten Linien des Labels zum Zug kommen. Die schwedischen Stars Lars Danielsson, Ulf Wakenius und Jan Lundgren und der polnische Wundergeiger Adam Baldych (mit dem norwegischen Helge Lien Trio) stellen, eingerahmt von den deutschen "Acts" Roman und Julian Wasserfuhr sowie Threefall mit der Sängerin Melane ihre neuen Projekte vor.

Act: 25 Years , Montag bis Samstag, 11. bis 16. September, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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