John Grisham im Interview:"Donald Trump hat Faschisten ermutigt, lauter zu werden"

John Grisham

Charlottesville, der Wohnort des Autors John Grisham, erfreut sich derzeit unfreiwilliger Berühmtheit.

(Foto: AP)

Vor den Naziaufmärschen in Charlottesville war die Stadt vor allem für einen prominenten Bewohner bekannt: Schriftsteller John Grisham über seinen Wohnort und sein Land.

Von Willi Winkler

Charlottesville ist ein friedliches Städtchen im Bundesstaat Virginia. Mit dem Bus drei Stunden von der amerikanischen Hauptstadt Washington entfernt. Es verfügt über eine angesehene Universität, in den Cafés der Fußgängerzone wird jede erdenkliche Form von Tee und Kaffee angeboten, und auf einem Hügel über der Stadt liegt Monticello, der Landsitz, den sich Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten, nach eigenen Plänen errichten ließ. Der bekannteste Bürger Charlottesvilles ist jedoch ein Schriftsteller: John Grisham, dessen Romane in 42 Sprachen übersetzt sind und auf der ganzen Welt erscheinen, lebt seit 24 Jahren hier.

Am ersten Augustwochenende sind die Barbaren in das Idyll eingedrungen und haben mit rassistischen Sprüchen gegen die Entfernung des Denkmals protestiert, das für einen General aus dem Bürgerkrieg errichtet worden war. Einer der Demonstranten fuhr mit dem Auto in die Gruppe der Gegendemonstranten, tötete eine junge Frau und verletzte Dutzende weitere Menschen. Vor 150 Jahren, im amerikanischen Bürgerkrieg, wollten die Südstaaten ihr Recht verteidigen, weiter Sklaven zu halten. Sie verloren den Krieg, und seitdem kämpfen die Schwarzen um ihre Bürgerrechte. Doch der Rassismus sei in den USA noch außerordentlich lebendig, meint Grisham. Und: Donald Trump habe "Rassisten, Neonazis, Faschisten, Arier und die ganzen anderen Hass-Gruppen dazu ermutigt, lauter zu werden und Unruhe zu stiften". Sie seien nämlich davon überzeugt, "dass sie im Weißen Haus einen Freund haben".

"Wir im Süden wurden von Kindheit an einer Gehirnwäsche unterzogen"

In einem exklusiven, schriftlich geführten Interview hat sich Grisham zu den Vorfällen in seiner Heimatstadt geäußert. Wie alle Südstaatler seiner Generation ist er mit dem Mythos vom alten Süden aufgewachsen, wie er in "Vom Winde verweht" erschaffen wurde. "Wir im Süden wurden von Kindheit an einer Gehirnwäsche unterzogen mit der ruhmreichen und erfundenen Geschichte des alten Südens und dem verlorenen Krieg, der ihn am Leben erhalten wollte."

Grisham ist von Beruf Anwalt und hat sich bereits in seinem ersten Roman "Die Jury" (1989) mit dem Unrecht beschäftigt, mit dem Schwarze auf Grund ihrer Hautfarbe bis heute leben müssen. Die Weißen wiederum fühlten sich bedroht, "weil sie fürchten, die Schwarzen nehmen ihnen ihre Arbeit, ihr Haus, ihre ganze Umwelt weg". Anders als viele seiner Landsleute ist Grisham ein politisch denkender Mensch; für die Demokraten saß er sechs Jahre im Abgeordnetenhaus des Bundesstaates Mississippi. Vom gegenwärtigen Präsidenten hält er erwartungsgemäß wenig und erinnert an den Mann, der sich vor mehr als zweihundert Jahren über der Stadt in Monticello seinen Landsitz erbaute: Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten, auf den die großen Worte der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zurückgehen: "Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, wozu das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück gehören."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: