"John Carter" im Kino:Aura der Verletzlichkeit

Im Blut der erledigten Feinde - "John Carter" ist ein typischer Superheld, wie ihn nur Amerika erfinden kann: Am Ende siegt er zwar, aber sein Körper kennt den Dreck, ihm haftet stets die Ausstrahlung des Verlierers an. Pixar-Filmemacher Andrew Stanton schuf aus klassischem "Pulp-Kult" einen glorreichen, realistischen Fantasy-Film.

Fritz Göttler

John Carter ist amerikanisches Urgestein. Ein Veteran, ein Captain aus der Konföderiertenarmee des amerikanischen Bürgerkriegs. Ein Verweigerer, er widersetzt sich jeder Form der Kooperation mit den Siegern aus dem Norden, will nur seine kleine Goldmine ausbeuten. Arizona, im Jahr 1867. Auf einer seiner Fluchten wird John Carter durch mysteriöse Begegnungen der dritten Art auf einen anderen Planeten versetzt, Barsoom, so heißt in der Landessprache der Mars.

John Carter - Zwischen zwei Welten

John Carter (Taylor Kitsch) kämpft auf dem Mars gegen gemeine, dumme Mörderaffen und erweist sich als meisterhafter Beherrscher der Zentrifugalkräfte.

(Foto: Cinetext/Allstar/Disney)

"A Princess of Mars" heißt der Roman, nach dem der Film "John Carter" entstanden ist, er ist 1912 in Serienform im Magazin All-Story erschienen, fünf Jahre später in Buchform. Klassischer Pulp-Kult. Ein Dutzend weiterer Romane sollte folgen. Der Autor war Edgar Rice Burroughs, der auch den legendäre Urwaldmenschen Tarzan geschaffen hat.

Barsoom ist ein eher unfreundlicher Wüstenplanet, von der Art, wie George Lucas sie verschiedentlich präsentierte in den Filmen seines Star-Wars-Zyklus - Burroughs war eine wesentliche Inspiration für den jungen Filmemacher. Autoren wie Ray Bradbury oder Arthur C. Clarke bekannten sich zu John Carter, und James Cameron zeigte sich ihm für "Avatar" verpflichtet.

John Carter kann, das hängt offenbar mit der verschieden starken Schwerkraft auf Erde und Barsoom zusammen, auf dem fremden Planeten erstaunlich weite Sprünge machen. Die Tharks setzen ihn dennoch nach erbittertem Widerstand fest, er soll für sie kämpfen.

Ihr Anführer ist Willem Dafoe, die rauhe Stimme passt wundersam zum knautschigen Restkörper - langer dünner Hals, vier Arme. Die Tharks müssen sich mit diversen anderen ethnischen Gruppen herumschlagen, den roten Heliumiten, die die tolle Prinzessin Dejah Thoris (Lynn Collins) haben, und den imperialistischen Zodangans - es geht hier auch, das wird deutlich diskutiert, um die natürlichen Ressourcen, darum, den Planeten nicht restlos auszupowern. Am Drehbuch hat auch Michael Chabon mitgearbeitet, der Autor der "Wonder Boys".

Völlig erdverbunden

John Carter" ist der erste Realfilm von Andrew Stanton, einem der Pixar-Animations-Stars. Während sein Kollege Brad Bird in seinem ersten Realfilm-Action-Versuch "Mission: Impossible 4" das Genre selbstverliebt in die totale Transparenz durchchoreografierte, bleibt Andrew Stanton völlig erdverbunden.

Sein Film ist martialisch und, obwohl er mit Hilfe massiver Computertricks eine unglaublich vielfältige Fauna und Flora schafft, ganz materiell. Eine realistische Blut-Schweiß-und-Tränen-Welt: wilde Felsen und Wüsten, durch die archaische, unförmige Wesen hindurchzockeln, federleichte Luftgefährte wie bei Jules Verne - in denen schon eine Ahnung der Maschinen des Ersten Weltkriegs zu stecken scheint -, dazu magische Zaubergestalten, die an Sindbad und Co. erinnern.

Mark Strong ist ihr Boss, der das Böse an sich natürlich perfekt inkarniert, der aber in "Dame, König, As, Spion" zeigte, als verratener Spion, wie gut er sein kann. Stanton ist versessen aufs Detail, er weiß - man hat es in "Finding Nemo" und in "WALL-E" erlebt -, dass das Kino ethnologischer, nicht dramatischer Natur ist.

In magischem Blau

Amerikanische Superhelden profitieren stark von einer Aura der Verletzlichkeit, des Verlierertums. In den Gegenwartshelden - Superman, Spidey, Captain America - grenzt das manchmal an Weinerlichkeit. John Kitsch ist als John Carter, der in diesem Film zu "John Carter of Mars" wird, eine aufregend blasse Figur, der Bürgerkrieg hat seinen Körper ausgebleicht und die Seele dazu, der Staub von Barsoom überzieht sie mit einer kalkigen Schicht.

Nichts ist ihm geblieben als eine müde Widerspenstigkeit, dieser mechanischer Drang, wieder aufzustehen, wenn man zu Boden geschmettert wurde: "Pick yourself up . . . dust yourself off . . . Start all over again . . ."

Einmal, nach einem wahnwitzigen Kampf gegen zwei mörderische Monsteraffen, steht er in der Arena, sein Körper ist siegfriedgleich im Blut der erledigten Feinde gebadet und John Carter strahlt in magischem Blau.

JOHN CARTER, USA 2012 - Regie: Andrew Stanton. Buch: Andrew Stanton, Mark Andrews, Michael Chabon. Nach dem Buch von Edgar Rice Burroughs. Kamera: Daniel Mindel. Schnitt: Eric Zumbrunnen. Mit: Taylor Kitsch, Lynn Collins, Willem Dafoe, Samantha Morton, Mark Strong, Ciarán Hinds. Walt Disney, 132 Minuten.

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