Jodie Foster über ihren Film "Der Biber":"Er ist eindeutig verrückt"

Jodie Foster spricht darüber, warum sie ausgerechnet Mel Gibson und sich selbst die Hauptrollen in ihrem neuen Film gab - und wie sie es schafft, seit 45 Jahren in Hollywood zu überleben.

Patrick Roth

Seit 15 Jahren hat Jodie Foster keinen Film mehr gemacht als Regisseurin. Nun bringt sie den "Biber" (SZ vom 18. Mai: Sind so kleine Biber) in die Kinos, der eine nicht ganz einfache Produktionsgeschichte hat.

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"Als ich Mels Zusage hatte, ging die Rolle dann doch an mich": Jodie Foster stellt in Cannes ihren neuen Film vor. In "Der Biber" spielen sie selbst und Mel Gibson die Hauptrollen. Der Film läuft an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos an.

(Foto: Getty Images)

SZ: Hat man in Hollywood Druck auf Sie gemacht, als Sie ausgerechnet Mel Gibson die Hauptrolle gaben?

Jodie Foster: Ach, darauf darf man nicht so viel geben. Es geht einzig um die richtige Entscheidung. So hat meine Mutter immer argumentiert, als ich Kind war. Und die richtige Entscheidung ist nun mal nicht immer die populärste. Dafür die einzige, mit der man leben kann! Hier ging es um die Besetzung der tragenden Rolle - da half es natürlich, dass ich Mel seit Ewigkeiten kenne, ihn liebe und sein Können als Schauspieler, sein Talent als Regisseur immer bewundert habe. Ich sah ihn jedenfalls sofort in der Rolle des Walter Black, er war meine erste Wahl. Denn ich dachte: Mel versteht nicht nur den Humor, der hier genau getroffen werden muss. Er versteht auch die tiefen persönlichen Gefühle, die beim Ringen mit der eigenen Krankheit wach werden: Gefühle der Scham, der Selbstverachtung, des Selbstmitleids. Walter Black will seine Familie nicht länger enttäuschen. Sie soll wieder stolz sein können auf ihn. Aus seiner tiefen Depression heraus spricht der Wunsch nach anhaltender innerer Verwandlung.

SZ: Dieser manisch-depressive Mann, Walter Black, verstummt völlig. Er verständigt sich mit seiner Umwelt nur noch über eine Handpuppe - den Biber. Ich stelle mir vor, dass es ziemlich heikel für Sie war, da den richtigen Ton zu finden - zumal Sie Gibson und den Biber meist in derselben Kameraeinstellung zeigen.

Jodie Foster: Ja, ich fürchtete auch, dass genau da etwas schiefgehen könnte. Aber Mel bestand darauf, Walter und die Handpuppe nicht getrennt aufzunehmen: keine Tricks! Er wollte nicht wegschneiden - das geschieht nur ein-, zweimal aus dramatischen Gründen. Mels Spiel war eine tägliche Gratwanderung. Die macht ihm so schnell keiner nach.

SZ: Sie selbst spielen Walters Frau, Meredith. Waren Sie Ihre "erste Wahl"?

Jodie Foster: Keineswegs. Nach meiner ersten Regie ("Little Man Tate") hatte ich mir geschworen, nie mehr in Filmen zu agieren, die ich auch inszeniere. Aber als ich Mels Zusage hatte, ging die Rolle dann doch an mich. Ich hatte das richtige Alter und wusste, Mel und ich müssten uns nicht erst aufeinander einstellen lernen. Meredith ist als Anker für die Zuschauer konzipiert, sie ist die Person, deren Perspektive sie verstehen. Auf Walter ist nun mal kein Verlass mehr - er ist eindeutig verrückt, zerstört sich und seine Familie. Aber die Zuschauer verstehen, dass Meredith den Mann zurückhaben will, den sie ihr ganzes Leben lang kannte - und den es nun nicht mehr gibt.

SZ: Haben Sie das erste Interview, das Mel Gibson zu Ihrem Film gab, gelesen? Er sprach darin auch über Depression im Allgemeinen. Er spricht der Depression jeden Sinn ab. In Ihrem Film aber wird über längere Strecken klar, dass durch die Depression - und in der Stimme des Bibers - vitalen Inhalten Ausdruck verschafft wird, die ein Leben lang verdrängt worden waren.

Jodie Foster: Es ist immer schwer, sich in solchen Interviews - also letztlich: in prägnanten "sound bite"-Häppchen - zu großen Themen zu äußern. Ich glaube nicht, dass Sie Mel ganz verstanden haben. Er sprach über Depression und sagte: "Sie lügt." Depressionen lügen dich an. Als ich's las, erinnerte ich mich, dass er diese Einsicht auch in seine Improvisationen beim Drehen einbrachte.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wonach Jodie Foster ihre Rollen auswählte.

Nie delegieren!

SZ: Ihrer Meinung nach ist dieser Biber also keine "wahre Stimme", die endlich gehört sein will und erst mal im Kontext von Walters Leben verstanden werden müsste?

Jodie Foster: Der Biber ist eine wahre Stimme. Aber die Depression selbst lügt dich an. Da ist nichts Romantisches dran. So halte ich's auch in meinem Film: Dieser Mann besitzt eine Familie, die ihn liebt. Er hat ein wunderbares Zuhause, ist geschäftlich enorm erfolgreich - und doch fühlt er sich wertlos und ungeliebt. Die Verständigung mit anderen fällt auf null.

SZ: In der Geschichte verfährt Gibson letztlich sehr drastisch - biblisch, wenn man so will - mit seinem Arm ...

Jodie Foster: Er handelt letztlich aus Liebe. Er sagt damit: Ich liebe Euch und werde für euch da sein - egal, wie schmerzvoll dieses Leben ist. Er sagt: Dafür bin ich zum Opfer bereit. Ich werde nicht einfach verschwinden, wie es mein Vater getan hat. Natürlich ist es schwer, Zuschauern die Logik eines geistig kranken Mannes zu vermitteln ...

SZ: Wie lief die Arbeit mit Gibson?

Jodie Foster: Hätte nicht besser sein können. Wenn Mel sich zu etwas verpflichtet hat, steigt er ganz ein. Als Regisseur und Schauspieler hat er keinerlei Ego-Probleme, von seiner Co-Schauspielerin Anweisungen zu bekommen. Er war mir Ratgeber und Verschworener - und die Stimmungskanone am Set.

SZ: Lassen Sie uns auf Ihre Karriere zu sprechen kommen. Sie arbeiten seit 45 Jahren im Film. Wann wussten Sie zum ersten Mal: Ich will Regie führen?

Jodie Foster: Schon relativ früh, ich war sechs oder sieben. Ich wusste instinktiv, dass ich Regisseur werden wollte. Dann folgten vierzig Jahre, in denen ich - als Schauspielerin - gelernt habe, wie man Geschichten erzählt. Denn das bedeutet Regie für mich: telling stories. Es gab eine Phase, da fühlte ich mich sehr von den Regisseuren der Nouvelle Vague angezogen. Vielleicht weil sie in ihren Filmen den Außenseitern zur Sprache verhalfen. Es waren schon immer die Außenseiter, die Einzelgänger, mit denen ich mich identifiziert habe. Das liegt wohl an meiner Kindheit - ich wuchs ohne Vater auf. Meine Mutter war ein Einzelkind gewesen. An solchen Tatsachen trägt man - nicht ohne Stolz. Im Übrigen glaube ich, dass gerade Schauspieler oft ausgezeichnete Regisseure abgeben.

SZ: Wie meinen Sie das?

Jodie Foster: Im Filmgeschäft sind es einzig Schauspieler, die verstehen, warum eine Szene funktioniert oder misslingt. Ein phantastischer Kameramann erzählt die Geschichte visuell, weiß sie in Bilder zu fassen. Aber das nützt alles nichts, wenn er keine Erfahrung damit hat, wie die Szene vor der Kamera ausagiert und orchestriert werden muss, um authentisch und stimmig zu sein. Das ist ein langer Prozess. Bei den Proben dafür gibt es keine - nein, es darf keine "Patentlösungen" geben! Zum Beispiel war der Grund, warum ich mich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren für bestimmte Rollen entschied, immer der Regisseur, mit dem ich dann arbeiten durfte. Ich wollte von ihm lernen, wollte ihm über die Schulter schauen, um zu verstehen, wie er Probleme löst.

SZ: Seit Ihrer letzten Regie sind tatsächlich 15 Jahre vergangen. Warum hat es so lang gedauert bis zu diesem Film?

Jodie Foster: Mein anderes Projekt, "Flora Plum" - eine Geschichte, die in der Zirkuswelt der vierziger Jahre spielt -, wurde unglücklicherweise mehrere Male kurz vor Drehbeginn abgeblasen. Glauben Sie mir, ich war in diesen Jahren alles andere als untätig. Ich habe inzwischen zwei Kinder, um die ich mich kümmere. Ich führe eine Produktionsgesellschaft, die meine Projekte entwickelt. Es sind ausschließlich persönliche Filme, in die ich meine Energie stecke. Gerade die aber sind immer am schwersten zu finanzieren - in Hollywood jedenfalls. Aber ich will nicht jammern. Ich finde, man soll gerade die oft mühseligen Pflichten des Alltags nicht delegieren. Nie delegieren! Die Probleme, mit denen meine Jungs von der Schule nach Hause kommen ... oder die Sorgen, die einem das Altern der eigenen Eltern bereitet. Oft verflucht man ja diese Art der Verantwortung, dieses Verpflichtetsein, zu dem uns das Leben zwingt. Aber ich glaube, mich hat es stark gemacht. Es ließ mich in einem Hollywood überleben, das mir sonst den Kopf abgebissen hätte.

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