Jean-Christophe Bailly über Frankreich:Das lebendige Zucken der Landschaft

Jean-Christophe Bailly über Frankreich: Die spektakuläre Quelle des Flusses Loue, aus einem tiefen Felsloch, unterliegt derselben Ästhetik wie das berühmte Bild über den „Ursprung der Welt“ des dort geborenen Malers Gustave Courbet.

Die spektakuläre Quelle des Flusses Loue, aus einem tiefen Felsloch, unterliegt derselben Ästhetik wie das berühmte Bild über den „Ursprung der Welt“ des dort geborenen Malers Gustave Courbet.

(Foto: imago)

Der französische Schriftsteller Jean-Christophe Bailly erkundet sein "fremd gewordenes Land". Er schafft dabei ungeahnte Querverbindungen zwischen einst und jetzt.

Von Helmut Böttiger

Ende der siebziger Jahre war Jean-Christophe Bailly für einige Zeit in New York, setzte sich der total absorbierenden amerikanischen Gegenwart aus und hielt dann doch für einen Moment inne. Er sah durch Zufall den Film "Die Spielregel" von Jean Renoir aus dem Jahr 1939, und plötzlich schoss ihm durch den Kopf, dass er ja ein Franzose war. Dieser poetische, tragikomische Film wirkte auf so unverwechselbare Weise französisch, mit geheimen Codes, die wohl nur von solchermaßen sozialisierten Menschen zu entschlüsseln sind. Dies war der Auslöser für Baillys kaleidoskopartiges, das Französische sublim auslotende Buch "Le Dépaysement" von 2011, dessen Titel charakteristischerweise nicht wörtlich ins Deutsche übernommen werden kann. "Fremd gewordenes Land" trifft nun das Grundgefühl, das sich durch die Zeilen zieht. "Entlandung", die abstrakt und hölzern wirkende mögliche deutsche Entsprechung, birgt in sich aber eine Mehrdeutigkeit, die man mitlesen sollte. Das Französische jedenfalls ist sich seiner selbst nicht mehr sicher, das stellt schon der Titel klar. Und das Entscheidende dabei sind nicht vordergründige politische Entwicklungen, sondern kulturelle Dispositionen.

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