Jazz-Sommer:Gelungener Einstieg

Tony Allen und Jamie Saft im Hotel Bayerischer Hof

Von Oliver Hochkeppel

Im Event-Modus geht eben doch mehr als sonst. Wer weiß, wie viele Besucher zu einem "normalen" Konzert von Tony Allen, dem Afrobeat-Veteranen, gekommen wären. Als Eröffnungsgast des "Jazz Sommers" im Bayerischen Hof füllte der 74-jährige Schlagzeuger - nach Vernissage und Empfang - locker den unbestuhlten Festsaal. Der "Film of Life", eine unlängst auch auf CD veröffentlichte Art musikalischer Autobiografie, die Allen mit seinen sechs afrikanisch-französischen Begleitern abrollen ließ, hatte ein großes Publikum aber auch verdient.

Im Grunde vollendete Tony Allen das, was alle Musik-Minimalisten der sogenannten ernsten Musik seit jeher versuchen: durch den Zauber von Wiederholung und Varianz eine musikalische Sogwirkung zu erzeugen. So ist sein Beat, sein eigentlich ganz unspektakuläres Schlagzeugspiel, das aber in den durchgehaltenen Grundrhythmus praktisch in jedem Takt hauchzart verschobene Fills, Wechsel und Verlagerungen einbaut, der zentrale Pfeiler. Dann kommen ein wuchtiger E-Bass, eine grelle, hart gerissen Gitarre, fette, kurze Licks von Trompete und Saxofon sowie hymnische, bis zum Sirenenklang gesteigerte Muster von diversen Keyboards dazu. Alles für sich genommen meist grundeinfache Motive, die aber in- und übereinandergelagert eine hypnotische Kraft entfalten. Und variabel genug sind, um Allens Entwicklung vom reinen, klaren Afrobeat über den Soul bis zum rockig Psychedelischen nachzuzeichnen. Nur die politischen Inhalte, die Allen stets damit verbunden hat, blieben weitgehend auf der Strecke. Ohnehin schon kein prägnanter Sänger, war von ihm wenig zu verstehen, weil er es - obwohl eigentlich die beiden besten Mischpult-Männer Münchens den Jazz Sommer betreuen - bevorzugte, sich den Sound von zwei mitgebrachten Tonmenschen verhunzen zu lassen.

Ein sozusagen weißes Kontrastprogramm durfte man anschließend unten im Nightclub erleben. Der noch recht junge, aber schon etablierte Pianist Jamie Saft - was man schon daran sieht, dass sich mit dem 63-jährigen Bobby Previte und dem 74-jährigen Bassist Steve Swallow zwei viel beschäftigte Koryphäen bereit finden, in seinem New Standard Trio zu spielen - holt weit in den melodischen, formalen und harmonischen Prinzipien der europäischen Klassik und der jüdisch-arabischen Musik aus, entsprechend seinen ethnischen Wurzeln. Fast opernhaft klingen seine elegischen, zuweilen bis in den Avantgarde-Jazz eines John Zorn vordringenden Kompositionen. Wenn er dann freilich am Schluss, assistiert von Prevites unvergleichlich druckvollem Klöppelspiel und Swallows singendem E-Bass, auf der Hammond-Orgel ein ZZ-Top-Stück zu einer atemberaubenden Groove-Orgie auftürmt, dann ist das, sieht man es komplementär, gar nicht mehr weit weg von Tony Allen. In jedem Fall war der lange Abend ein absolut gelungener Einstieg in den Jazz-Sommer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: