Jazz:Klangforschung im Wohnzimmer

Michael Keul

Mit seinem "Samerberger Jazz Ensemble" spielt sich der Drummer Michael Keul durch die Stile.

(Foto: Lena Semmelrogge)

Seit 40 Jahren belebt Petra Roses kleiner Jazzclub "Le Pirate" die Kulturszene Rosenheims. Das Jubiläum wird von Montag bis Mittwoch mit einem Festival gefeiert

Von Oliver Hochkeppel

Es gibt kaum leere Flecken im "Pirate" in Rosenheim. Allerlei steht und hängt da an Säulen, Theke und Wänden, von Flaschen und Sternen bis zu einer großen, stilisierten Maske hinter der kleinen Bühne direkt neben dem Fenster. Vor allem aber schmücken zahllose Fotos mit Stars wie Abdullah Ibrahim, Bobby Jones, Pony Poindexter oder Joe Haider den Raum. Das Besondere daran: Alle abgebildeten, heute legendären Jazzer spielten hier. Was schon deshalb bemerkenswert ist, weil es im " Pirate" mit 50 Besuchern bereits rappelvoll wird. In einem Altbau am Ludwigsplatz, nicht weit vom großen Lokschuppen gelegen, ist es einer dieser berühmten Wohnzimmerclubs, in denen man Musikern im Wortsinne hautnah begegnen kann. Und das jetzt bereits seit 40 Jahren.

Petra Rose heißt die Frau, die 1975 ihre Leidenschaft für Live-Musik und schöne Kneipen in einem eigenen Laden kulminieren ließ und ihn seitdem mit Herzlichkeit, großem Engagement und musikalischem Geschmack zu einem dieser unverzichtbaren Plätze für den Jazz gemacht hat. Zweimal die Woche, mittwochs und sonntags, finden üblicherweise die Konzerte statt, und auch Musiker, die eigentlich in großen Venues spielen, kommen wegen Roses Enthusiasmus, des kundigen Publikums und der intimen Atmosphäre, in der rein akustisch gespielt wird, immer wieder gerne.

Für einen ist " Le Pirate" sogar zum zweiten Wohnzimmer und zur musikalischen Heimat geworden: Nachdem der Schlagzeuger Michael Keul 1993 an den nahe gelegenen Samerberg gezogen war, fand er hier den Ort, an dem er seine Ideen ausprobieren konnte. Im November 2001 gab es das erste Konzert einer Formation, die Keul Samerberger Jazz Ensemble getauft hatte. Der Name war nicht nur eine Hommage an seine Wahlheimat, er ist bis heute gezielt unpräzise, denn Keul wollte Themenabende gestalten und so Größe und Besetzung der Band bewusst offen halten. "Monk & More" war das erste Konzert der entstehenden Reihe betitelt, es folgten Motti wie "Hommage à Chet", "Shorter Moments", "Djangos Dream" oder "Remembering Attila Zoller", aber auch nicht nur auf einzelne Musiker bezogene wie "Brazilian Vibes" oder "The Sound of Eastern Rebellion".

Purer klassischer Jazz war es jedenfalls immer. Ist doch Michael Keul zwar ein in allen Stilen beschlagener Schlagzeuger, seine besondere Liebe aber gilt den klassischen Stilen vom Swing über den Cool bis zum Bebop. So ist er inzwischen auch nicht nur ein gefragter Schlagzeug-Professor, sondern an der Münchner Musikhochschule auch Dozent für Jazzgeschichte und Gründungsleiter des dortigen Archivs. Mit diesem Hintergrund wurden Keuls Themenabende zur festen Größe im " Pirate" und zu einer Institution des Rosenheimer Kulturlebens. Weil sich der 40. Geburtstag des " Pirate" passenderweise mit dem 50. Konzert von Keuls Reihe verbindet, hat man sich etwas Besonderes ausgedacht. Erstmals findet nun "ein großes dreitägiges Jazzfestival im kleinen Le Pirate statt, oder sollte man sagen ein kleines Jazzfestival im "großen Le Pirate", wie Keul im Flyer schreibt.

Auftakt ist am Montag mit einer Swing Night, bei der sich Keul hinter das Drumkit des Frank Roberscheuten Trios klemmt. Der niederländische Saxofonist Roberscheuten gehört zu den führenden Europäern, die sich dem klassischen Jazz verschrieben haben, genau wie der am Flügel wirbelnde, jedem Münchner Jazzfan bekannte Stride-Spezialist Bernd Lhotzky. Obwohl sie alle drei alte Freunde sind, führt Keul die beiden das erste Mal ins "Le Pirate". Latin Jazz steht dann am Dienstag auf dem Programm. Für seine Hommage an die Latin-Gallionsfiguren Tito Puente und Cal Tjader hat Keul sein Samerberger Jazz Ensemble zum Sextett um- und mit entsprechenden Spezialisten wie dem Querflötisten Michael Roß ausgerüstet. Perkussionist Cesar Granados schlüpft in Puentes Rolle, der sonst als Pianist bekannte Tizian Jost hier am Vibrafonist in die Tjaders. Das ebenfalls eigens zusammengestellte Jazz Festival All Star Octet - dabei unter anderem der Trompeter und Keuls "Boss" an der Musikhochschule Claus Reichstallter, Posaunist Johannes Herrlich und der Rosenheimer Baritonsaxofonist Gregor Bürger - wird zu guter Letzt mit seinen fünf Bläsern dem Hardbop wuchtig zu seinem Recht verhelfen.

Jazzfestival, Montag bis Mittwoch, 9. bis 11. November, jeweils 20.30 Uhr, Le Pirate Rosenheim, Ludwigsplatz 5, 08031/13399

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