Jazz:Flucht in die Musik

Der armenische Pianist Tigran Hamasyan hat eine Odyssee hinter sich gebracht, bevor er die Thelonious Monk Jazz Competition gewinnen konnte. Nun tritt er im Prinzregententheater auf

Von Oliver Hochkeppel

Eine Zeitlang ließ er seinen armenischen Nachnamen Hamasyan weg und nannte er sich nur Tigran, so wie sein ebenfalls 1987 geborener kirgisischer Kollege Eldar, der auf Djangirov verzichtete. Doch der Jazzpianist Tigran Hamasyan hat seinen Namen wie seine Heimat wieder angenommen, er lebt jetzt wieder in Jerewan, Armeniens Hauptstadt, wenn er nicht auf Konzertreisen ist. Auch künstlerisch schließt sich so ein Bogen, der ihn zu einem der interessantesten Musiker unserer Zeit gemacht hat.

Geboren wurde Hamasyan in der zweitgrößten armenischen Stadt Gjumri - ein Jahr, bevor ein Erdbeben sie verwüstete. Die Familie, der Vater Juwelier, die Mutter Schneiderin, kämpfte fortan schlicht ums Überleben. Die Musik wird zur Flucht: Der Vater hört ununterbrochen Rockmusik, der Onkel, der ihn oft auf Ausflüge mitnimmt, Jazz und Funk. Mit drei bastelt Tigran Tapes auf dem Kassettenrekorder zusammen, mit fünf bekommt er auf einem kaputten Klavier den ersten Unterricht, und sein Talent ist nicht zu übersehen. Mit zehn zieht die Familie in eine Blocksiedlung nach Jerewan um, er studiert klassisch am Konservatorium, und die Oma verkauft für 3000 Dollar ihre alte Wohnung, um dem Enkel die Teilnahme an einem Nachwuchswettbewerb in Paris zu ermöglichen. Er gewinnt den dritten Platz, zahlt das Geld zurück und besorgt sich ein Touristenvisum für die USA. Drei Jahre lang kämpft er dort um Aufenthalt, bis ihn die University of Southern California in Los Angeles annimmt, und er seine Familie nachholen kann.

Tigran Hamasyan

Ernst blickt Tigran Hamasyan seinem Publikum entgegen. Er hat sich seine Karriere schwer erkämpft und sich dabei ein unglaubliches Improvisationstalent bewahrt.

(Foto: Elena Petrosyan)

Jetzt ist er nicht mehr zu stoppen: Hamasyan gewinnt den Piano-Wettbewerb beim Montreux Festival und die Thelonious Monk Jazz Competition, seine ersten Alben schlagen ein. Er zieht erst nach New York, dann nach Paris, arbeitet mit Arve Henriksen, Lars Danielsson oder Leszek Mozdzer, nimmt für Nonesuch, Act und ecm auf, zuletzt gewinnt er 2016 den Echo Jazz. Das alles ist die Folge einer unfassbar virtuosen Technik und eines unbegreiflichen Improvisationstalents, womit er Musik jeder Art aufgreifen und zu seiner eigenen verwandeln kann - was Klassikhörer ebenso anspricht wie Jazzfreunde oder Rockfans. Das Besondere dabei sind die melancholisch-folkloristischen Motive, die sich wie Wurzelwerk durch sein Spiel ziehen. Wieder in der Heimat wachsend, hat er diese Wurzeln schon auf dem Album "Luys i Luso" mit dem armenischen Staatskammerchor freigelegt. Nun sind sie auf seinem neuen Solo-Album "An Ancient Observer" nicht zu übersehen, das er im Prinzregententheater vorstellt.

Tigran Hamasyan, Samstag, 21. Oktober, 20.30 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

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