Jazz-Festival:Stelldichein am Rhein

Jazz-Festival: Zum Singen nach Bingen kommt die Münchner Jazzmusikerin und Saxofonistin Stephanie Lottermoser.

Zum Singen nach Bingen kommt die Münchner Jazzmusikerin und Saxofonistin Stephanie Lottermoser.

(Foto: Christian Endt)

"Bingen swingt" steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der Münchner Musikszene

Von Oliver Hochkeppel

Es ist nicht so, dass die Münchner Jazzmusiker einander nicht kennten, so groß ist die Szene nun auch wieder nicht. Bloß zusammen spielen, das ergibt sich in der eigenen Stadt eher selten. Die diversen Bigbands und das "Jazzfest" der Jazzmusiker Initiative München sind nahezu die einzigen Gelegenheiten, sich mal dienstlich auf der Bühne zu begegnen. Insofern ist es ziemlich außergewöhnlich, dass ein beachtlicher Teil der Münchner Jazzmusiker am bevorstehenden Wochenende ein gemeinsames Reiseziel hat: Bei "Bingen swingt", dem internationalen Jazzfestival in der kleinen Stadt am Rhein, zieht sich in diesem Jahr ein München-Schwerpunkt durchs Programm.

Das beginnt bereits mit dem Eröffnungskonzert am Freitag, wenn das Christian Elsässer Jazz Orchestra die RWE-Bühne am Rhein-Nahe-Eck in Beschlag nimmt. Elsässer war einst einer der jüngsten Absolventen des Richard-Strauss-Konservatoriums und das Piano-Wunderkind der Münchner Jazzszene. Seither hat er sich an der Seite von Stars wie Pee Wee Ellis, Klaus Doldinger oder Franco Ambrosetti wie mit dem eigenen Trio als feste Größe etabliert - 2010 bekam er den AZ-Stern des Jahres, 2012 den Echo Jazz. Seine große Liebe aber gehört den großen Besetzungen, und den Traum von der eigenen Bigband hat sich Christian Elsässer vor drei Jahren erfüllt. Und wie, sitzt doch die Crème de la Crème der Münchner Jazzszene in seinem Jazz Orchestra, vom Bassisten Henning Sieverts über die Saxofonisten Till Martin und Ulrich Wangenheim oder die Trompeter Nemanja Jovanivic und Matthias Lindermayr bis zum Posaunisten Roman Sladek, der ja selbst seit einiger Zeit mit seiner Jazzrausch Bigband für Furore sorgt. Auch Matthieu Bordenave sitzt da im Saxofon-Satz, er ist am Samstag noch einmal zu sehen, in dem zwischen Folk-Jazz und Avantgarde changierenden Quintett, das er zusammen mit dem Gitarrenveteranen Geoff Goodman gegründet hat. Schon zuvor, leider parallel zum Eröffnungskonzert, tritt auf einer der vier Bühnen in der Altstadt die Saxofonistin und Sängerin Stephanie Lottermoser auf, ein junges Münchner Aushängeschild. Groovenden Pop-Jazz beherrschte sie früh, vor zwei Jahren konnte sie dann dank eines Stipendiums sechs Monate an der Cité International des Arts in Paris verbringen, was sie noch mal einen wichtigen Schritt weitergebracht hat. Ihr dabei entstandenes "Paris Songbook" stellt sie nun auch in Bingen vor. Direkt im Anschluss daran legt dann Pete York mit "Drum Boogie" los. Die ebenso Jazz- wie Rock-affine britische Schlagzeug-Legende ist ja auch schon seit Jahrzehnten im malerischen Münchner Umland beheimatet.

Eine ganz besondere Band aus der Stadt mit Willkommenskultur sind die Poetricks. Junge Einheimische mit und ohne Migrationshintergrund, darunter Studenten wie Arbeitslose, machen zusammen mit Flüchtlingen Weltmusik, Soul und Hip-Hop. Weltmusikalisch geht es auch bei der Unterbiberger Hofmusik zu; die erweiterte Stubenmusi der Familie Himpsl hat schon vor 25 Jahren mit Musikern wie Claudio Roditi oder Hal Ashby Brücken von der Volksmusik zum Jazz und zur brasilianischen Musik geschlagen. Mit "Bavaturka" geht sie nun auf türkische, kurdische und armenische Traditionen zu. Selbst das Rahmenprogramm kommt aus München: Jazz-Autor und SZ-Mitarbeiter Ralf Dombrowski, der vor einigen Jahren auch seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte und professionalisierte, zeigt in einer Ausstellung seine besten Jazzbilder.

Die Münchenlastigkeit ist kein Zufall. Erstmals hat Christiane Böhnke-Geisse, bis vor zwei Jahren die "ewige" Programmchefin der Unterfahrt, das Programm von "Bingen swingt" gestaltet. Und neben den Münchner Jazzern, den Künstlern der niederrheinischen Szene selbst und den traditionell das Motto repräsentierenden Bands wie dem Glenn Miller Orchestra auch Gäste aus der Weltspitze geholt, die schon in der Unterfahrt-Zeit zu ihren Favoriten gehörten. Das reicht vom Stimmartisten Andreas Schaerer (mit dem neuen Quartett A Novel of Anomaly) über den italienischen Akkordeonisten Luciano Biondini bis zum Trio des Schweizer Wahlberliners Stefan Rusconi und steuert somit internationales Format bei.

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