Jazz:Esbjörn Svensson Trio

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Vor zehn Jahren starb Esbjörn Svensson bei einem Unfall. Live war der schwedische Pianist ein Intensitätswunder - ein neu veröffentlichter Konzertmitschnitt zeigt es.

Von Alex Rühle

Am 14. Juni 2008 ging Esbjörn Svensson mit seinem Sohn Ruben in einer Bucht vor Stockholm tauchen und kam dabei um, im Alter von 44 Jahren. Die Nachricht von Svenssons Tod war vielleicht deshalb ein solch außergewöhnlicher Schock für alle, die seine Musik kannten, weil dieser Pianist wie der Inbegriff des Lebens wirkte. Er war ein Kraftpaket, das zum Einspielen vor den Konzerten oft Chopin-Etüden durchpflügte, dann in Cargohose und T-Shirt auf die Bühne sprang, seine beiden Lebensfreunde und Mitmusiker Dan Berglund und Magnus Öström anlächelte - ja, und was dann live passierte, war ein solches Intensitätswunder, die drei stürzten sich jedes Mal dermaßen mutig in ihre Stücke, trieben sie mit solcher Kraft ins Offene, Neue, dass man stets merkte, diese Musik entsteht jetzt gerade, hier, im Freien, auf dem Hochseil, und jeder Schritt stimmt.

Insofern ist es rätselhaft, warum es bisher nur zwei Live-CDs des schwedischen Trios gab - eines davon, "Live in Hamburg", wurde von der Times 2010 zum "Jazz-Album des Jahrzehnts" gewählt. Zu Svenssons zehntem Todestag erscheint nun der Mitschnitt eines Konzerts aus dem Jahr 2005 - und das kann einem schon die Tränen in die Augen treiben. Was wäre wohl noch alles gekommen von diesen dreien, deren Musik eine solch jugendliche Muskulatur hat, dass Svensson selbst sagte, sie seien eine Rockband, die Jazz spielt? Sie haben, und das ist auf "Live in London" (ACT) zu hören, den Jazz in derart neue Bereiche getragen, dass sich die Stücke selbst zuweilen erstaunt umzusehen scheinen, ja Wahnsinn, wo sind wir denn hier gelandet?! Man sieht Svensson vor sich, wenn er, etwa in "Behind the Yashmak", nach Dan Berglunds langem Bass-Solo, sich an die Tastatur saugt, die Ellbogen ausfährt, kurz wartet, welch nervösen Grundpuls Magnus Öström vorgibt, und dann das Material, das Berglund gerade so gemütlich ausgebreitet hatte, zu kneten und drücken beginnt, bis es mit Becken und Hi-Hat zu Quecksilberfunk verschmilzt. Und zwischendrin hört man immer wieder das Glücksgefühl des Publikums, bei diesem Live-Moment dabei sein zu dürfen.

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