Jazz:Ein Gewinn für alle

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Alt-Saxofonist Ralph Heidel spielt am Mittwoch in der Unterfahrt. (Foto: Unterfahrt)

Der Nachwuchs probt in der Unterfahrt den Ernstfall

Von Oliver Hochkeppel, München

Es ist die Geschichte von den Königskindern: Wie kommen junge Jazzer und ihr Publikum zusammen? Gehört es doch zu den Paradoxien der Musikszene, dass immer mehr Jazz-Nachwuchs an den Hochschulen ausgebildet wird, der immer virtuosere und interessantere Musik macht, zugleich aber mit immer weniger Auftrittsmöglichkeiten konfrontiert ist. Man darf es also auf Neudeutsch eine Win-Win-Situation nennen, wenn der Jazzclub Unterfahrt nun im sechsten Jahr in Folge dem Jazz Institut der Münchner Hochschule für Musik und Theater ermöglicht, die öffentlichen Abschlusskonzerte einiger ihrer Absolventen bei sich stattfinden zu lassen. Zum einen bekommt das Münchner Jazzpublikum so schon vorab den einen oder anderen beziehungsweise die eine oder andere zu Gehör, die in den kommenden Jahren den hiesigen Jazz voranbringen werden. Für die jungen Musiker wiederum ist es die ideale Gelegenheit, den "Ernstfall" zu proben, ihre Musik einem erfahrenen und kritischen Publikum zu präsentieren. Fünf Abende mit jeweils drei "Prüflingen" kann man in den kommenden eineinhalb Wochen miterleben. Und man darf sich einiges erwarten, sind doch etliche der "Studierenden" schon seit Jahren in Bands aktiv. Viele treten hier außerdem mit etablierten Begleitern auf.

Zum Beispiel der Drummer Flurin Mück, der den Auftakt am Dienstag bestreitet, einem Abend, der ganz im Zeichen des Schlagzeugs steht. Mücks Eigenkompositionen nehmen das internationale Flair seines Ensembles auf: Das Fernöstliche der 57-jährigen indonesischen, in den Niederlanden lebenden Jazzgeigerin Luluk Purwanto, das wuchtige Spiel des hiesigen, von Organ Explosion bekannten Bassisten Ludwig Klöckner und das auf den alten Meistern basierende Piano des jungen Amerikaners Sam Hylton. Eine zusätzliche Klangfarbe steuert außerdem als Gast David Soyza am Vibrafon bei. Nicht weniger stiloffen und multikulturell geht es bei Simon Popps Quintett Fazer zu - in dem unter anderem die Jungstars Matthias Lindermayr und Sebastian Wolfgruber sitzen. Popp kombiniert westafrikanische, südamerikanische und indische Polyrhythmik mit westlicher Klangkultur von lyrischer Ruhe bis zu brachialen Dub-Step-Sounds. Mit einer Weltmusiknote bemüht sich schließlich auch das Quintett des chinesischen Drummers Zhitong Xu um den melodischen Straight-Ahead-Jazz, mit dem Xu unlängst den zweiten Platz beim Kurt Maas Jazz Award errang. Am Mittwoch beginnt der Holzbläser Ralph Heidel mit teilweise elektronischem Post-Rock-Jazz, der schon deswegen ungewöhnlich ist, weil er im Oktett aus Alt-Saxofon, Rhythmusgruppe und Streichquartett erzeugt wird. Es folgen zwei Pianisten. Der Franzose Thimotee Mille wagt sich solo an einen bunten Reigen von Chansons bis zu Hip-Hop im Jazzgewand, Keyboarder Thomas Kölbl hingegen, der schon diverse Jobs bis hin zu Rock-, Musical- und Theaterprojekten hatte, bringt bereits zu seinem Bachelor-Konzert ein Sextett mit dem Soul-Star San2 auf die Bühne.

Nach einer kleinen Pause setzen der Trompeter Bastian Rieser (der bereits ein Vollstipendium am Berklee College of Music in der Tasche hat), der Saxofonist Alosha Uysal und Bassist Vincent Eberle mit ihren Bands den Reigen am Montag, 19. Juni, fort. Tags darauf führt E-Bassist Stanislaw Sandronow bei seinem "Masterprojekt Stan" auf eine musikalische Reise zu Funk und Fusion, während beim Kontrabass-Kollegen Alexander Fuchs Musical- und Filmmusik-Interpretationen auf dem Programm stehen. Gitarrist Paul Brändle wiederum erkundet mit den Routiniers Sebastian Gieck am Bass und Rick Hollander am Schlagzeug das "Great American Songbook".

Ins Finale geht es am 21. Juni mit Stimmen. Nach der jungen russischen Sängerin Olga Dudkova präsentiert Kilian Sladek sein neunköpfiges Ensemble Kopfkino - fünf Vokalisten und vier Mann Rhythmusgruppen machen bei seinen bildhaften Kompositionen den Namen zum Programm. Zu guter Letzt tritt die bereits durch viele Höhen und Tiefen gegangene Dilenya Mar (bürgerlich Lena Marie Fastner) an, die schon 2004 den Jury- und Publikumspreis des "Münchner Stimm Awards" gewann, jetzt ein Studium draufsetzte und ihren Abschluss hier mit einer echten Münchner Allstar-Band bestreitet.

Wem das alles nicht genug ist: Auch im Kleinen Konzertsaal des Gasteigs finden mehrere öffentliche Prüfungskonzerte statt, zum Beispiel am 16. Juni mit dem großartigen Trompeter Moritz Stahl. Und eine Zugabe gibt es auch noch. Der reguläre Auftritt des inzwischen mehrfach preisgekrönten Leo Betzl Trios LBT am 28. Juni in der Unterfahrt ist - man glaubt es kaum - zugleich das Master-Konzert für den Pianisten Betzl und seinen Bassisten Maximilian Hirning.

Öffentliche Abschlusskonzerte des Jazz Instituts, 13., 14., 19. bis 21. Juni, jeweils 20.30, 21.30 und 22.30 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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