Jazz Award:Ladies first

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Die schillernde Erika Stucky und die introvertierte Indra Rios-Moore beim Finalkonzert in der BMW Welt

Von Ralf Dombrowski, München

Charmeoffensive schlägt Freakshow - das Resultat eines bemerkenswerten Wettbewerbsfinales, von dem manche im Vorfeld raunten, endlich gebe es einmal Vergleichbares am Schlussabend des BMW Welt Jazz Awards zu hören. Tatsächlich aber waren die beiden Bands, die am Samstag im Auditorium des Himmelblau-Baus am Olympiapark um ein stattliches Preisgeld und eine stachelige Trophäe antraten, so grundverschieden in Anspruch und Umsetzung des Mottos "Inspired by Legends", dass es am Ende bei einer Geschmacksentscheidung bleiben musste, welches der Projekte die Stimmung besser hatte treffen können.

Als Einstieg jedenfalls holte das Quartett um die Schweizer Sängerin und Stilanarchistin Erika Stucky mit fröhlicher Vehemenz den Gitarren-Titanen Jimi Hendrix einschließlich einiger Nebengötter wie Prince oder Paul McCartney in den Saal, um in einem Rundumschlag der Songmythen zahlreiche Hymnen der Hippie-Ära zu revitalisieren. Von "Hey Joe" bis "Sgt. Pepper" und "Purple Haze" bis "Purple Rain" bekamen die Legenden ihre Fett ab, mal mit kratzender Schneeschaufel am Bühnenboden, mal mit donnernd-bluesigem Bandbeat, der die Lautsprecher im Saal forderte. Es war ein in sich ausgefeiltes, bis in die Details der Umdeutung perfektes Panoptikum ironischer Heldenverehrung, das von Christy Dorans herb phrasierender Gitarre und Fredy Studers wuchtig rockendem Schlagzeug bis zu Jamaaladeen Tacumas lakonisch groovendem Bassfundament und eben Stuckys ein wenig irre wirkenden Stimmausführungen reichte und damit ebenso beiläufig wie souverän die Brücke vom Monumentalen einer Hommage zum Ironischen einer zeitgenössischen Adaption schlug.

Für jeden etwas: Jazz-Award-Siegerin Indra Rios-Moore tritt (mit Bassist Thomas Sejthen) im Auditorium der BMW Welt auf. (Foto: Ralf Dombrowski)

Am Ende entscheidet sich die Jury für die deutlich leisere Variante der Inspiration

Danach das Gegenteil. Die dänisch-amerikanische Sängerin Indra Rios-Moore reduzierte das Dynamikniveau der Musik auf einen Bruchteil der vorangegangenen Performance und sah auch das Legendenthema nicht so eng. Ihre Verbeugungen reichten von den Gospelwurzeln in "Little Black Train" über eine kammerbluesige Version von Pink Floyds "Money" bis hin zu Bob Dylan oder auch David Bowies "Heroes". Es ging ihr nicht um den einen oder die andere, vor der der Hut gezogen werden sollte, sondern um die Aneignung eines weit ausschweifenden Pop-Repertoires aus persönlicher Perspektive. Und so war auch ihre Musik konzipiert. Ohne Schlagzeug, dafür mit dem Kontrabassisten Thomas Sejthen als verlässlicher Strukturklammer, dem harmonisch schillernd, improvisatorisch aber zurückhaltend agierenden Gitarristen Uffe Steen und dem melodisch ornamentierenden Saxofonisten Benjamin Trærup hatte Indra Rios-Moore den dezenten Rahmen, in dem sie mit samtenem Timbre und schüchterner Aura aus den Vorlagen Geschichten machte, die ihr eigenes Leben in Ausschnitten oder Widmungen auf die Bühne brachten.

Dieses Konzept des Authentischen in Verbindungen mit ansprechender Klanggestaltung und der vokalen Kompetenz überzeugte am Ende die Jury, den BWM Welt Jazz Award an Indra Rios-Moore zu überreichen. Die heftigen, in diesem Fall jedoch zu präsenten Konkurrenten - die Moderatorin des Abends, Beate Sampson, führte Erika Stucky unter anderem mit dem Etikett "Rampensau" ein - bekamen darüber hinaus den aus den Wettbewerbskonzerten ermittelten Publikumspreis überreicht und konnten auf diese Weise neben der niedrigeren, aber trotzdem dotierten Stufe auf dem Siegertreppchen mit einem begeisterten Winken von der Bühne gehen. Und gewonnen hatte eh das Publikum, das im direkten Vergleich zwei Extreme der jazzigen Ausdruckskraft erleben konnte.

Publikumspreis-Gewinnerin Erika Stucky spielte mit Jamaaladeen Tacuma. (Foto: Ralf Dombrowski)

Damit aber nicht genug, denn für die kommenden Wochen wurde ein neuer, junger Jazzpreis angekündigt, der sich diesmal an den Nachwuchs richten werde. Und vor allem geht es auch mit dem BMW Welt Jazz Awards im kommenden Jahr weiter. Das Thema widmet sich dann unter dem Motto "Bass erstaunt!" an erster Stelle den tiefen Tönen. Vielleicht ist dann auch Jamaaladeen Tacuma wieder im Rennen. Den Titel des modisch einfallsreichsten Musikers der Reihe kann ihm jedenfalls schon jetzt kaum jemand streitig machen.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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