Japanischer Film:Auf Knopfdruck

Freude und Qual der Erinnerung, ausgelöst durch einen seltsam konstruierten Helm - der Film "Happiness" des japanischen Regisseurs Sabu.

Von Philipp Stadelmaier

Herr Kanazaki, der irgendwo in der japanischen Einöde aus dem Bus steigt, trägt nur eine einzige Sache mit sich herum: einen Helm. Er hat ihn selbst gebastelt, mit vielen kleinen Kolben, gefertigt aus Tasten einer alten Schreibmaschine.

Der Helm wirkt martialisch. Er lässt an eine Hinrichtung denken oder an ein Folterinstrument, und man erwartet, dass sich die Kolben in den Kopf rammen und das Blut fließt. Aber nichts dergleichen. Kanazaki (Masatoshi Nagase) trifft eine traurige alte Frau. Er setzt ihr den Helm auf und beginnt, an den Knöpfen herumzudrücken. Und schon stehen der Frau Tränen der Freude in den Augen. Die Kolben , erklärt Herr Kanazaki, üben sanften, millimetergenauen Druck auf den Cortex aus. Und bringen dadurch die Erinnerung an den schönsten Moment im Leben zurück.

Hapiness

Ein Helm, der glücklich macht: Filmszene aus „Happiness“.

(Foto: Rapid Eye)

"Glückshelm" nennt Herr Kanazaki sein seltsames Gerät. Das trifft sich gut, denn er kommt in die unglücklichste Gemeinde der Welt. Die Leute sitzen lethargisch herum und hadern mit ihrem Leben. Mit dem Helm aber erinnern sie sich an die Mutter, die sie doch geliebt hat, an den ruhmvollen Moment beim Baseball, an das Freiheitsgefühl beim Tanzen. Da fassen die Leute neuen Lebensmut.

Nach "Mr. Long" ist "Happiness" schon der zweite Film des japanischen Regisseurs Hiroyuki Tanaka, bekannt als Sabu, der dieses Jahr in Deutschland ins Kino kommt. Wieder geht es darum, eine eingeschlafene Gemeinschaft zu reanimieren. Aber der Helm kann nicht nur den schönsten Moment im Leben zurückbringen, sondern auch den schlimmsten. Der schweigsame Herr Kanazaki hat ihn eigentlich für jemanden entworfen, den er mit einer schrecklichen Erinnerung quälen will. Herr Kanazaki sucht nicht das Glück der anderen, sondern private Rache.

In einer Rückblende wird dann eine traumatische Vergangenheit aufgedeckt. Wir erleben einen Gewaltrausch - ein junger Mann massakriert zwei Frauen mit einem Messer. Aber dann ist da sofort wieder diese Sanftheit. Ein leichter Kameraschwenk über einen winterkahlen Himmel, morsches Geäst, dann Dunkelheit. Auf diese Art filmt Sabu den Moment des Todes - so zärtlich, dass man fast damit versöhnt wird.

Das Kino muss hinschauen, wo es schmerzt, um dann vom Schmerz zu heilen. So wie die Kolben sanft auf den Schädel drücken, so drücken Sabus feine Einstellungen auf die Sehnerven des Zuschauers, um Schmerz und Glück zu bringen. "Happiness" ist eine Allegorie: Herr Kanazaki und sein Helm, das sind Sabu und sein Kino.

Happiness, JAP 2016 - Regie und Buch: Sabu. Mit Masatoshi Nagase, Hiroki Suzuki, Erika Okuda. Rapid Eye Movies, 90 Minuten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: