Japanischer Autor:Haruki Murakamis Vorliebe für "Belle de Jour"

Haruki Murakami

Als Schüler beschäftigte sich Haruki Murakami mit französischer Literatur.

(Foto: Jordi Bedmar/dpa)

Ein kleines Kärtchen verrät, was die Phantasie des japanischen Autors als Schüler beflügelt hat.

Von Felicitas Lachmayr

Viel ist über das Privatleben von Haruki Murakami nicht bekannt. Nur selten tritt der japanische Autor in der Öffentlichkeit auf. Und noch seltener verrät er dabei Details über die eigene Person. Jetzt hat die japanische Tageszeitung Kobe Shimbun wohl mehr über den Schriftsteller preisgegeben, als ihm selbst lieb sein dürfte. Sie veröffentlichte eine Liste von Büchern, die der junge Murakami während seiner Schulzeit gelesen hat.

Man muss sich das so vorstellen: Da wühlt sich ein Bibliotheksangestellter durch einen Stapel alter Bücher und entdeckt neben ein paar Staubflöckchen den Namen Haruki Murakami. Bei einem international gefeierten Autor, der bereits neun Romane veröffentlicht hat und vielfach ausgezeichnet wurde, ist das keine Überraschung. Allerdings steht der Name nicht auf dem Deckel eines Buches, sondern auf den Ausleihkärtchen, die sich zwischen den Seiten mehrerer Bücher verstecken. Statt im Müll landen diese auf dem Redaktionstisch einer japanischen Tageszeitung. Und kurz darauf wissen alle, in welchen Büchern der junge Murakami zu Schulzeiten schmökerte.

Der junge Murakami interessierte sich für französische Literatur

Laut Guardian handelt es sich dabei um Werke des französischen Schriftstellers Joseph Kessel. Dieser schrieb neben zahlreichen Abenteuerromanen auch das Liebesdrama "Belle de Jour", das 1967 vom spanischen Regisseur Luis Buñuel mit der Französin Catherine Deneuve in der Hauptrolle verfilmt wurde.Darin lebt eine junge Frau ihre neuentdeckte Sexualität als Prostituierte aus. Die Lektüre des 1928 erschienen Romans dürfte dem jungen Murakami eine Welt voller Lust und Phantasie eröffnet haben, ein Gegenstück zum wenig skandalösen Alltag im Japan der sechziger Jahre.

In Deutschland ist der 1898 geborene Romancier Kessel, der auch als Reporter und Fliegerkollege von Antoine de Saint-Exupéry unterwegs war, kaum bekannt. Kessel machte sogar Bekanntschaft mit einem jungen Provinzpolitiker namens Adolf Hitler. Der schien den Schriftsteller allerdings wenig zu beeindrucken, nannte er ihn doch einen "Mann wie jeder andere", "trist und ziemlich vulgär".

Verletzung der Privatsphäre kritisiert

Die Veröffentlichungen der verräterischen Karteikarten von Murakami kritisierte der japanische Bibliotheksverband nun scharf und warf der Tageszeitung vor, die Privatsphäre des berühmten Autors und anderer Personen, deren Namen ebenfalls auf den Kärtchen stehen, verletzt zu haben.

Kobe Shimbun betonte dagegen, Murakami sei das Aushängeschild zeitgenössischer, japanischer Literatur. "Seine Werke und die Art, wie er seine Romane entwickelt, sind Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung", erklärte der stellvertretende Chefredakteur Hideaki Ono der französischen Presseagentur AFP. "Es ist bekannt, dass Murakami ein großer Kenner britischer und amerikanischer Literatur ist. Aber die Karteikarten zeigen, dass er sich auch mit französischer Literatur beschäftigt hat. Diese Tatsache ist von großem öffentlichen Interesse."

Die Schule, aus deren Bibliothek besagte Kärtchen stammen, hat sich bereits für das Informationsleck entschuldigt. Murakami selbst, der die Oberschule in Kobe in den sechziger Jahren besucht hat, schweigt. Ein Buch sagt ja auch mehr als tausend Worte.

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