Jane Fonda wird 80:Die amerikanische Freiheitsstatue

14th Annual Global Green Pre Oscar Party

Jane Fonda spricht auf einer Veranstaltung in Los Angeles im Februar dieses Jahres.

(Foto: AFP)

Bewundert, gehasst und nachgeturnt: Jane Fonda wird unwahrscheinliche achtzig Jahre alt.

Von Willi Winkler

Reiner, unverfälschter Kitsch ist dieser Film: Wie sich Vater und Tochter nach Jahren der Entfremdung wieder annähern und in schöner Natur ein bisschen glücklich sein dürfen. Jane Fonda hatte die Rechte an dem Bühnenstück "Am goldenen See" gekauft, sie gab ihrem Vater die Haupt- und sich die Nebenrolle der Tochter. Eine Familiengeschichte, ein Versöhnungswerk und ein traumhafter Erfolg. Viele Tränen flossen da am See, der Film brachte den überfälligen Oscar, ein halbes Jahr später war Henry Fonda tot.

Er war einer der größten amerikanischen Schauspieler, weil er gar nicht spielen musste, sondern weil er all diese Helden war: Abraham Lincoln und Tom Joad und der achte Geschworene und alle aufrecht, einsam und gut. Bis der Regisseur Sergio Leone kam, der diese guten blauen Augen blitzen und den Killer Frank ein Kind erschießen ließ.

Seit bald siebzig Jahren spielt Jane Fonda auch für diesen Mann, ihren Vater, der nie Zeit für sie hatte, weil er wieder heiraten musste und noch eine Rolle im Film und im Theater übernahm. Ihre Mutter wurde krank davon und brachte sich um. Jane und ihr Bruder Peter kamen mit einem brennenden Ehrgeiz davon, gelindert nur manchmal durch Drogenexzesse.

Mit brennendem Ehrgeiz, mit Hunger nach Aufmerksamkeit erspielte sie sich zwei Oscars

Wer sonst als eine allein gelassene Tochter könnte mit diesem Hunger nach Aufmerksamkeit die Filmaspirantin Gloria Beatty in "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" und dann das Callgirl Bree Daniels in "Klute" spielen? Dazwischen für ihren Mann Roger Vadim die Comic- und Witzfigur Barbarella, Ahnfrau der witzlosen Lara Croft? Was sonst als der Ehrgeiz trieb sie mit der oscarprämierten Frisur aus "Klute" nach Nordvietnam? Übereifrig hockte sie sich, kriegerisch behelmt, auf den Ansitz einer Flak, als wollte sie die US- Flugzeuge persönlich vom Himmel holen.

Seitdem war Jane Fonda, geboren am 21. Dezember 1937 in New York, "Hanoi Jane", viel bewundert und noch viel mehr gehasst. Noch 2004 verlor der Vietnam-Veteran John Kerry die Wahl gegen den Drückeberger George W. Bush, weil er auf einem gefälschten Foto in die Nähe der Vaterlandsverräterin montiert worden war. In Frankreich war sie wegen Vadim und "Barbarella" ein Star. In "Letter to Jane" meditierte der Regisseur Jean-Luc Godard über ihrem Bild; das FBI zeigte weniger Verehrung und trug 22 000 Blatt Material über sie zusammen. Als sie 1973 den Bürgerrechtler Tom Hayden heiratete, musste ihr Bruder seine Freunde von den Hells Angels engagieren, damit sie das junge Paar vor dem Volkszorn schützten. Manchmal donnerte Peter Fonda auf seiner Harley am Anwesen der beiden vorbei und rief: "Tom, get a job!" Doch was sollte Hayden Geld verdienen, er hatte doch seine Frau, die sich mit ihm in die nächsten Kämpfe stürzte: Indianerrechte, Frauenrechte, seine politische Karriere vor allem. Sie zahlte.

Sie zahlte mit dem schönen Barbarella-Körper, den sie jetzt, im Interesse der guten, der besseren Sache, todernst nahm. Sie kasteite ihn unermüdlich, ernährte sich von Säften und Vitaminen, propagierte eine neue Leibesertüchtigung, machte aus Aerobic die neueste Mode; 17 Millionen verkaufte Videokassetten können nicht irren. Das Geld ging zum größten Teil in die wenig erfolgreichen Kampagnen ihres Mannes. Dazwischen wieder Filme, politisch auch sie, "Das China-Syndrom", "Julia" und "Coming Home". Für letzteren bekam sie ihren zweiten Oscar, aber der eifersüchtige Ersatzvater Hayden konnte sie nicht loben dafür: "Ganz nett."

Jede dieser Rollen war hart erarbeitet, und immer buhlte sie um den Blick des Vaters. Schließlich gab sie auf. Jane Fonda trennte sich von Hayden, heiratete Ted Turner, den Gründer und Besitzer von CNN, und wurde glamouröse Gattin. Sie hatte einen besseren Vater gefunden, die Schauspielerin konnte sich abmelden. Anliegen gab es ja weiter: für die Vereinten Nationen, gegen den Irakkrieg, für den Regenwald, und, nein, ganz hatte sie ihre eigentümliche Körperkunst nicht verlernt.

In der Netflix-Serie "Grace und Frankie" erlebt sie eine sagenhafte Spätblüte

Jane Fonda hat es später selber bedauert, dass es eine ihrer besten Szenen nur in einer Exklusivvorstellung zu sehen gab, der einzige Zuschauer war auch das Opfer: Als Turner zugeben musste, dass er sie betrogen hatte, prügelte sie mit dem Hörer des Autotelefons auf ihren Mann ein. Nur leicht verwandelt wiederholt sich der Auftritt am Anfang von "Grace und Frankie", als ihr Mann Martin Sheen ihr eröffnet, dass er sie verlassen werde und im Übrigen schwul sei.

Die Ehe mit Ted Turner hätte das selige Ende sein können, doch Jane Fonda kehrte aus dem Milliardärsexil ihrer dritten Ehe zum Film zurück. Sie war längst Großmutter und hatte inzwischen zu irgendeinem buddhistischen oder zenistischen Gott gefunden. Als ewige Perfektionistin ließ sie sich mehrfach operieren, aber vor allem führte sie endlich das Kunstwerk Jane Fonda wieder vor.

Jane Fonda feiert 80. Geburtstag

Die Ahnfrau von Lara Croft: Jane Fonda 1968 in dem Film "Barbarella".

(Foto: Mario Torrisi/KEYSTONE/AP/dpa)

In der Netflix-Serie "Grace und Frankie" erlebt sie neben Lily Tomlin eine sagenhafte Spätblüte. Schon 1980 hatte sie mit ihr zusammen in "Warum eigentlich ... bringen wir den Chef nicht um?" gezeigt, dass die große Tragödin eine noch bessere Komödiantin ist. Heute kann sie sich als Grace sogar über ihre Lebensrolle als echte Jane Fonda lustig machen, wenn ihr vorm Badezimmerspiegel die Fassade zu bröckeln droht. "Außer ihr", das hat Pauline Kael ganz früh erkannt, "wüsste ich keine Komödiantin, die am meisten Sex versprüht, wenn sie am lustigsten ist."

Ihre Grace ist eine harte Geschäftsfrau, immer adrett gekleidet, makellos. Aber sie ist auch die Jane Fonda mit einem ihrem fernen Vater abgeschauten Ehrgeiz, und wenn sie momentweise doch langsamer wird, blitzen sie wieder, diese blauen Augen. Die Augen hat sie vom Vater, aber längst sind es ihre eigenen. Jane hat gegen Henry Fonda gewonnen. Im Januar beginnt die neue Staffel. Schon jetzt feiern alle Menschen guten Willens Gloria-Barbarella-Bree-Grace-Jane Fonda, denn die amerikanische Freiheitsstatue wird unwahrscheinliche achtzig Jahre alt.

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