James Last wird 80:Last in Space

Das lange Glück des kurzen Fingerschnippens: Zum 80. Geburtstag des Arrangeurs und Bandleaders James Last. Die Bilder.

Helmut Mauró

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Angefangen hat er als der beste deutsche Jazz-Bassist, spielte im NDR-Rundfunkorchester, war Komponist und Arrangeur für Freddy Quinn und Caterina Valente. Dreißig Jahre später hatte James Last mit seiner Big-Band und unkaputtbar guter Laune 80 Millionen Tonträger verkauft und 200 goldene Schallplatten an der Wand. Und so streng man mit ihm noch bis in die frühen neunziger Jahre umging, so freundlich-milde belächelt man ihn heute. Was für ein gut gelaunter reicher Mann, denkt man sich, Familie hat er auch - sein ganzes Leben swingt vor Glück. Und wovon träumt jemand, der nur Glück und Erfolg kennt? Er bewundere das Authentische an Kurt Cobain, sagt James Last.

Seit dreißig Jahren wohnt er in Florida, in einem, wie er findet, ganz unamerikanischen Haus: "Ohne Marmor, so auf Natur gemacht, nicht poliert, ganz ursprünglich, fast bayerisch." Aber ganz dann doch nicht. Dazu ist der James, wie er in Deutschland heißt, oder der Hansi, wie ihn englische Freunde nennen, dann doch zu wenig kantig und vor allem: zu ausdauernd happy. Nachgeborenen mag er und seine Musik vorkommen wie das, was heute peruanische Panflötenbands sind: Eine universale Plage, deren Beseitigung den Autoren von Southpark eine komplette Folge wert war. Lasts seichte Sounds assoziierte man mit Bayern-3 und PS-schwachen Kleinwagen. Wegen der Musik von James Last, in der Regel glattgebügelte Arrangements bekannter Songs, musste niemand das Lenkrad verreißen. James Last verbreitete: Immer Gute Laune.

Text: Helmut Mauró/SZ vom 17.04.09/irup

James Last, 2009/Foto: dpa

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Noch in einer der nun zu seinem 80. Geburtstag erscheinenen Kompilationen springt einem die CD "Happy Heart" entgegen und "Happy Brasilia", deren Rechte wie alles von James Last beim "Happy Music Verlag" liegen. Der Titelsong "Happy Heart" löst dann tatsächlich auch ein, was ein glückliches Herz ausmacht; zumindest einen bestimmten Typus davon: Der E-Bass, der später mehr grunzt als rülpst, da unterscheidet sich James Last doch ein wenig vom Hard Rock, macht zunächst das Trampolin, auf dem zwei kleine Bongos Luftsprünge vollführen, vom zweigestrichenen g aus schleimt sich die E-Gitarre chromatisch vermindert nach unten und landet unausweichlich in C-Dur. Fröhlichkeit pur, noch bevor der Song überhaupt begonnen hat. Nun kommt das volle, bei James aber immer gut durchgelüftete Schlagzeug hinzu, federnden Schrittes wie immer, dazu schleift die E-Gitarre die Melodietöne von unten an, zieht sie streng nach oben, sodass kleine Quiekgeräusche entstehen - ein fröhliches Quieken glücklicher Schweine. Endlich stimmt das E-Piano die Melodie an.

Bei vielen Instrumenten von James Last steht ein E davor, und man überlegt, ob es damals Anfang der Siebziger schon solche E-Pianos gab oder ob man den Sound im Studio so hingetrimmt hat, dass es wie ein E-Piano klang: also ein bisschen trashig und sehr, sehr easy. Zu tief darf es den Hörer nicht berühren - man hört James Last nicht, um Musik zu hören, sondern um mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Alles Tiefschürfende würde hierbei stören, und so klingt James Last auf seine Weise immer wie die Platten für angehende Solisten der Serie "Music Minus One".

James Last, 1970/Foto: dpa

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Nur, dass hier das Orchester nicht ohne Soloinstrument spielt, sondern ohne jede Erotik. Stattdessen gibt es zeitgemäßen Ersatz: die Wellness, die auch den weiteren Verlauf von "Happy Heart" diktiert. Über die schon seit ein paar Takten chromatisch anvisierte Septe im Bass, also dem Sekundakkord, fällt das so beinahe klar erreichte D-Dur in die flauschig ausgebreitete Subdominante, das reine G-Dur, das ein bisschen nach frischem Heu riecht und sich anfühlt wie die heißen Steine beim Masseur. Es ist exakt jene Du-Darfst-Erotik, dieses Wassertreten ohne Reue, die etwas einlöst, was es sonst nur als Werbeversprechen gibt: Glück ohne Abgrund, Wurst ohne Fett, Liebe ohne Schmerz.

Jetzt kommen die typischen, nicht zu spitzen Trompeten und: die Geigen. Luftig schwebende Geigen, ein ganzer Himmel voll. Und wenn man dann einmal auf der Bugwelle des Glücksschiffes reitet - natürlich hat Last auch die Titelmusik zum Traumschiff geliefert - und diese gute Laune in sich spürt, wie sie um sich schlägt und nicht herauskann, dann kommt James Last mit seiner Band und zieht ganz vorsichtig den Stöpsel raus. Dann ist die Welt wieder rund, und wenn am Ende von "La Bostella" die kleinen Trommeln in Sechtzehntelgruppen über die Dreiklangstreppe hinunterstolpern - dideldidel, dideldidel, dideldidel - dum - dann ist das auch nicht schlimm, sondern erst recht schön.

James Last, 2001/Foto: ap

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Manchmal geht es noch einfacher, für die Amboss-Polka reichen zwei Bassschritte und ein synkopisch versetztes Metrum - Synkopen sind die Lässigkeit des James Last -, um dem alten Schlager frische Studioluft einzupumpen. Früher hat er auch mal einen Walzer auf vier Schläge gespielt. Das mochte er. Gemerkt hat es kaum jemand, alle fanden, es klang so modern. In den späteren Aufnahmen hat er auf derlei Schnickschnack verzichtet, der Frühlingsstimmen-Walzer oder "Leichtes Blut" ist pure Doppelrahmstufe; klingt wie die Kohabitation von Florian Silbereisen und André Rieu.

Logischerweise, und das hat wieder mit dieser Fünfziger-Jahre-Jahre-Sexualität zu tun, weitet sich im Arrangement von "Amazing Grace" die Wiederholung nicht klanglich nach unten, wie in den meisten Arrangements des Stücks, sondern wird ganz unvermittelt in luftige Höhen gezogen, mit Geigen und synthetischem Chor. Dort, wo die Luft und das Leben am saubersten sind. Die im Original so lüstern-archaische Harmonik bekommt am Ende auch noch einen zeitgemäßen subdominantischen Schlenker, der im Pop immer sehr läppisch wirkt. Aber, zumindest vereinzelt, gibt es auch versteckte, beinahe revolutionäre Anwandlungen. Wer etwa außer James Last würde auf die Idee kommen, den hohen Geigen im Wiener Walzer ein paar Staccato-Trompeten draufzusetzen? Und so jeglichen Muff von vornherein vermeiden und gleichzeitig durch die ungewohnte brillante Schärfe ein nachdrückliches Zeichen der aufmuckenden Sechziger-Jahre-Jugend zu setzen?

James Last umarmt Tony Christie, 2001/Foto: dpa

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Trotzdem sagt er später, als man ihm ehrfurchtsvoll zum Erfinder des Easy Listening machen will, dass er sich immer als aggressiven Musiker gesehen habe. Das muss man sich mal vorstellen. Was um Himmels willen ist dann ein entspannter James Last? Auf den Vorwurf, er stehe bei seinen Konzerten mit dem Rücken zur Band, antwortete er, er wolle seinen Fans in die Augen schauen "und dazu mit den Fingern schnippen". Hier kollidieren Außen- und Innensicht dann doch aufs Heftigste.

Einerseits glättet er jeden Song bis auf die Haut, sterilisiert die punktierten Achtel der "Love Story" zum undifferenziert gleichmäßigen unprickeligem Neutrum, vernichtet mal nebenbei Jacques Brels "Seasons in the Sun", metzelt "Hey Jude" in einer Gruselversion für Blockflöte und Geigengesülze, und dann würde er gerne, wie er sagt, Bassist bei Guns'N'Roses sein. Immerhin sei er halb so verrückt wie Axl Rose.

Als er jung war, habe er Beatles-Songs gespielt. Das mochten die Älteren nicht. Dann hätten er und seine Band die Songs einfach instrumental gespielt, und niemand habe mehr gemerkt, dass die Stücke von den Beatles waren. Man merkt es heute oft kaum. Andererseits, wenn es etwa in "What Now My Love" allzu schlicht wird, schleicht sich, kaum hörbar, ein Jazzpianist dazu und klopft ein paar schräge Akkorde dazwischen. Es sind erlesen skurrile Momente im Meer des Glücks, in dem manche oben schwimmen und andere sofort ertrinken. Beides möchte man nicht.

James Last, 1998/Foto: dpa

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