Bettina Gaus, die tageszeitung, 15. Lehrredaktion 1976-1980
Mit welchen Erwartungen sind Sie Journalist geworden - und was hat sich davon wirklich erfüllt?
Ich hatte gehofft und erwartet, dass Journalismus ein abwechslungsreicher Beruf sein würde, in dem ich mich - überwiegend oder sogar ausschließlich - mit Themen befassen kann, die mich interessieren, in dem ich dafür möglicherweise auch berufliche Reisen in Gebiete unternehmen kann, die ich sonst niemals kennenlernen würde und in dem ich interessante Leute treffe. Gereizt hat mich außerdem, dass ich im Rahmen dieses Berufs schreiben darf und muss, etwas, was ich gerne tue. Gehofft habe ich, dass ich auch kommentieren darf und muss. Dass ich also sogar dafür bezahlt werde, öffentlich meine Meinung zu sagen - was ja viele Nichtjournalisten selbst gratis gerne häufiger täten, als ihnen das möglich ist. Es klingt jetzt vielleicht seltsam, aber: Alle meine Erwartungen haben sich erfüllt, zum Teil in erheblich höherem Maße als ich das seinerzeit als Absolventin der DJS zu hoffen gewagt hätte. Allerdings habe ich auch viel Glück gehabt.
Es ist derzeit viel von der Krise des Journalismus die Rede. Was muss sich ändern, damit er in Zukunft erfolgreich ist?
Ja, es ist viel von der Krise des Journalismus die Rede. Zu viel. Nach wie gilt doch, dass seriöse, professionell gemachte Medien, die unter den Bedingungen der Pressefreiheit entstehen, ein größeres Publikum erreichen als jemals zuvor in der deutschen Geschichte. Vor diesem Hintergrund finde ich den Abgesang auf den Journalismus, der seit einigen Monaten zum Klagechor wird, reichlich alarmistisch. Mittelfristig denke ich, dass Journalistinnen und Journalisten - gerade angesichts der ungeheuren Beschleunigung des Nachrichtengeschäfts durch das Internet - der Frage wieder etwas mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, worin eigentlich genau die Stärken und Schwächen ihres jeweiligen Mediums bestehen. Konkretes Beispiel: Der Versuch von Tageszeitungen, hinsichtlich der Aktualität mit schnelleren Medien wie Hörfunk und Internet konkurrieren zu wollen, muss scheitern. Erfolgversprechender - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - ist die Konzentration auf fundierte Hintergrundberichterstattung und Analyse, also auf Recherche. Das kostet Geld. Schon wahr. Aber kurzatmige Einsparungen bedrohen das Medium stärker als jede mögliche technische Entwicklung das tun könnte. Zweiter Wunsch: Mehr Leidenschaft für das eigene Berichtsgebiet. Kein Sportreporter hält Mätzchen für nötig, wenn er mit einem Bericht über ein Fußballspiel die Aufmerksamkeit seines Publikums erregen will. Es wäre schön, wenn auch politische Journalistinnen und Journalisten (wieder) ein vergleichbar großes Selbstbewusstsein an den Tag legten. Gelegentlich habe ich den Eindruck, manche Kolleginnen und Kollegen möchten sich dafür entschuldigen, dass sie über etwas so "Langweiliges" wie Politik berichten und würzen deshalb auch komplexe Sachverhalte mit Klatsch, Personalien, Anekdoten. Die Haushaltsdebatte als Seifenoper: So gewinnt man kein Interesse. So beleidigt man nur die Öffentlichkeit, die man eigentlich erreichen will.
Foto: ddp