Jack Nicholson im Interview:"Nehmt das, Schwachköpfe!"

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Jack Nicholson fühlt sich wie der letzte Raucher auf Erden: Warum er dennoch nicht verzweifelt, selbst über das Sterben lachen kann und sein neuer Film kein sentimentales Ende hat.

Tobias Kniebe

Jack Nicholson, 70, ist in kampflustiger Stimmung. "The Bucket List - Das Beste kommt zum Schluss", sein neuer Film über zwei Männer mit unheilbarer Krebsdiagnose, die sich eine exzentrische Liste mit letzten Wünschen erfüllen, hat über schlechte Kritiken triumphiert und lockt in den USA die Massen. Das erfüllt ihn mit Stolz, aber schon lauern neue Gegner darauf, ihm das Leben schwerzumachen - zum Beispiel die Manager seines Berliner Hotels, die alle Aschenbecher und sogar die Papierkörbe aus dem Salon verbannt haben. Nicholson, im weißen Poloshirt, mit der unvermeidlichen Sonnenbrille, streift erregt im Raum umher. Dann schleudert er die vier Zigarettenstummel, die er in der Hand hält, einfach auf den Boden.

Jack Nicholson präsentiert in Berlin seinen neuen Film "Das Beste kommt zum Schluss". (Foto: Foto: ddp)

Jack Nicholson: Nehmt das, Schwachköpfe! Wer zu blöd ist, Papierkörbe in Hotelzimmern aufzustellen, muss den Dreck halt vom Teppich kratzen! Es ist Wahnsinn, und es ist überall das Gleiche. Wenn sie wenigstens Aschenbecher mit der Aufschrift "No Smoking" aufstellen würden! Manchmal fühle ich mich wie der letzte Raucher auf Erden, und der Rest der Menschheit hat anscheinend beschlossen, mich zu quälen. Im Übrigen, damit hier kein falsches Bild entsteht: Ich werde das Zeug nachher wieder aufsammeln, versprochen. Rauchen Sie?

SZ: Nein.

Nicholson: Sind Sie Linkshänder?

SZ: Nein.

Nicholson: Glück gehabt. Linkshänder sterben fast genauso früh wie Raucher, wussten Sie das? Das ist statistisch erwiesen. Aber was sagt uns das? Wir müssen alle irgendwann abtreten. Nur bitte nicht heute! (Er klopft beschwörend auf den Tisch.)

SZ: Womit wir beim Thema Ihres Films wären. Ich hätte da gleich eine Frage . . .

Nicholson: Reden Sie gar nicht weiter. Sie wollen wissen, was ganz oben auf meiner Wunschliste steht, falls ich morgen sterben müsste? Klar. Jeder will das wissen. Das ist immer die erste Frage.

SZ: Also, ehrlich gesagt . . .

Nicholson: Die Antwort ist: Ich weiß es nicht. Die Frage kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, aber was soll ich sagen? Eine letzte große Liebe erleben? Dann würden alle meine aktuellen Geliebten ziemlich sauer sein. Noch mindestens einen guten Film drehen? Logisch. Noch eine Fremdsprache pauken, oder Kochen lernen? Mach' ich ja doch nie. Mal nicht nur den Clown spielen, sondern einen wirklich wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten? Da wird nichts draus, glauben Sie mir.

SZ: Fürchten Sie den Tod?

Nicholson: Sagen wir so: Ich fürchte das Unbekannte. Wie wir alle. Diese Furcht treibt uns an, und der einzige Weg, ihr zu entkommen, ist, absolut in der Gegenwart zu leben. Also sitzen wir hier, Sie und ich. Alt, nicht ganz so alt. Raucher, Nichtraucher. Egal. Wir teilen denselben Moment und dieselbe Realität. Soweit wir das sagen können, ist es die einzige Realität, die wir haben. Wenn mir jemand erzählt, er habe keine Angst vor dem Sterben, sage ich nur: Okay. Man muss den Leuten ja nicht ins Gesicht sagen, dass man sie für dreiste Lügner hält! Dabei ist doch völlig klar, dass wir alle gern ewig leben würden. Das ist der große Traum. Und wir kommen diesem Traum ja auch täglich näher - mit der Entschlüsselung des Genoms, den ganzen genetischen Manipulationen, der modernen Medizin. Eines Tages kommt die Wissenschaft und sagt: Bitte, Mr. Nicholson, jetzt können Sie ewig leben. Und dann? Neulich habe ich darüber nachgedacht. Angenommen, wir würden in etwa einem Monat einfach aufhören zu sterben. Dann hätten wir hier wirklich ein Platzproblem auf der Erde! Jedenfalls bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich ewig leben will - auf Kosten meiner Kinder.

SZ: Ihr Film rät auch eher dazu, dem Tod ins Gesicht zu lachen.

Nicholson: Absolut. Was gar nicht so einfach ist, und genau das hat mich gereizt. Drehen Sie mal eine Komödie mit dem großen Sensenmann im Nacken! Da hilft keine aufgesetzte Fröhlichkeit, aber die Lacher müssen trotzdem sitzen. Ich habe das als Herausforderung begriffen. Wie lautet doch gleich diese große alte Theaterweisheit: Sterben ist leicht, Komödie ist schwer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Jack Nicholson über das heutige Amerika denkt.

SZ: Es heißt, dass Sie mehr und mehr in Ihre Drehbücher eingreifen, um am richtigen Ton zu arbeiten. Nennen Sie doch mal eine Idee, die von Ihnen stammt.

Nicholson: Zum Beispiel der letzte Satz des Erzählers am Ende. Meine Figur ist tot, die Urne wird auf einer Bergspitze im Himalaya beigesetzt, und dann heißt es: "Er wäre glücklich gewesen, denn es war gegen das Gesetz." Das ist meine Art, mich über das Drama des Sterbens und das Rätsel der Existenz lustig zu machen. Ich wollte kein sentimentales Ende, auf keinen Fall.

SZ: Entschuldigung, aber das ist doch von Truffaut geklaut! "Jules und Jim" endet fast genauso.

Nicholson: Ha! Ich wusste, dass mir die europäischen Kritiker darauf kommen würden! Sie haben recht, aber es bot sich einfach an. Immerhin kann man mir zugute halten, dass ich ein Cinephiler bin, dem solche Verbindungen beim Schreiben eben einfallen.

SZ: In "Jules und Jim" scheitert der letzte Wunsch der Heldin, was ihre Asche betrifft - das Gesetz behält die Oberhand. Ist das der Unterschied zwischen Europa und Amerika?

Nicholson: Nein, das ist eher der sardonische Rebell in mir, der nicht klein beigeben will. "Jules und Jim" darf gar nicht anders enden! Die Figur von Jeanne Moreau war eine so wunderbare Ikonoklastin - aber am Ende haben die Spießer sie dann eben doch erwischt.

SZ: Werden die Spießer auch Sie am Ende erwischen?

Nicholson: Etwas wird dich erwischen, so viel steht fest. Und wahrscheinlich gerade dann, wenn du es am wenigsten erwartest. Ich habe Glück gehabt. Ich kann auf eine lange Karriere zurückblicken, und brillante Filmemacher haben immer noch den Wunsch, mit mir zu arbeiten. Aber natürlich gibt es Dinge, die ich bereue - zum Beispiel jede Menge schwachsinnige Statements. Aber ich war eben immer ein Provokateur, und alle Versuche, das zu leugnen, haben zu nichts geführt. Wollen Sie wissen, was die Überschrift meines allerersten Interviews war, das ich zur Zeit von "Easy Rider" gegeben habe, als mich endlich jemand interviewen wollte? "Ich bin kein Revolutionär" hieß die Überschrift. Was sollte ich anderes sagen? Wenn ich den besten Geheimdienst der Welt hätte, würde ich mich auch bemühen, möglichst ahnungslos zu tun.

SZ: Egal, was Sie gemacht haben - es war nie von Furcht getrieben.

Nicholson: Das ist wahr. Ich bin vielleicht der größte Feigling der Welt - aber nicht beim Filmemachen.

SZ: Wie fühlen Sie sich heute in Amerika, wo das Land komplett von Furcht getrieben scheint?

Nicholson: Ich sag Ihnen mal was: Amerika ist nicht von Furcht getrieben - nur das amerikanische Fernsehen! Wir werden von Desinformation und Halbwahrheiten geradezu überschüttet, da können Sie nichts ausrichten. Als Künstler habe ich immerhin die Möglichkeit, dieses Prinzip zu attackieren. Wenn man mich fragt, sage ich: Alles Bullshit! Wollen Sie meine politische Lieblingsidee hören?

SZ: Ich bitte darum!

Nicholson: Wir sollten ein riesiges Referendum abhalten, gleichzeitig auf der ganzen Welt, sogar in den finstersten Gegenden. Es ginge nur um eine einzige Frage: Wer ist dafür, nie wieder einen Krieg zu führen? Und jetzt überlegen Sie mal, wie diese Wahl wohl ausgehen würde! Das ist nicht nur ein alberner Traum, das wäre tatsächlich machbar. Aber nein, nicht mit den Politikern, die wir haben. Die konzentrieren sich lieber darauf, Jack Nicholson das Rauchen abzugewöhnen, als die Geißel des Krieges für alle Zeiten zu beenden!

SZ: Glauben Sie an eine höhere Instanz, vor die Sie eines Tages treten müssen?

Nicholson: Das würde ich gern. Ich beneide Menschen, die zum Glauben gefunden haben, aber bei mir funktioniert es nicht. Ich kann auch nicht so tun als ob - ich bin und bleibe ein empirisch-analytischer Kopf. Ich war nie Teil einer religiösen Gruppe, aber ich nehme jede Wette an, dass ich mich in der Praxis religiöser verhalte als viele der strengsten Gläubigen. Nehmen Sie "Geben ist seliger als Nehmen." Probieren Sie das mal in der Praxis aus, dann beweist sich diese goldene Regel von selbst. Ich muss mir nur die Bücher und Krawatten und Geschenke anschauen, die sich bei mir zu Hause stapeln und alles verstopfen, um zu begreifen: die Bibel hat, zumindest in diesem Punkt, vollkommen recht.

SZ: Was passiert also, wenn die eigene Asche erst einmal auf einem Berggipfel ruht?

Nicholson: Meine Antwort ist: Ich weiß es nicht. Aber jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen - ich muss da hinten eine kleine Sauerei wegmachen.

© SZ vom 23.1.2008/kur - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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