Isabel Allendes neues Buch:Mit Duftöl gegen das Böse

Isabel Allende - PR Material Verlag

Nicht nur physisch angekommen in Kalifornien, sondern auch stilistisch: Die Chilenin Isabel Allende.

(Foto: Lori Barra/Suhrkamp Verlag)

Die Bestsellerautorin wagt einen Krimi - und scheitert grandios: Das Ergebnis ist eine Art Wallander für ganz Arme samt plumper Dramaturgie und belangloser Sprache.

Von Sebastian Schoepp

Es fällt nicht ganz leicht, das zu sagen, aber nach dem Tod von Gabriel García Márquez ist Isabel Allende die weltweit bekannteste lebende Schriftstellerin aus Lateinamerika. Ihr Erfolg ist ohne den Meister freilich kaum denkbar, sie profitierte von der Weltgeltung, die "Gabo" dem Magischen Realismus verschaffte; und sie nahm nicht zu knapp Anleihen bei ihm, im "Geisterhaus" etwa, in dem sie den Magischen Realismus für das Massenpublikum zugänglich machte.

Man kann der mittlerweile 72-jährigen Chilenin nicht nachsagen, sie habe sich seitdem nicht weiterentwickelt. Inzwischen ist sie bei einer Form von Realismus angekommen, der nichts Transzendentales mehr an sich hat. Sie lebt seit Längerem in Kalifornien und hat sich mit ihrem neuen Buch "Amandas Suche" nicht nur bei der Schauplatzwahl, sondern auch stilistisch so weit an den Lesegeschmack ihrer Wahlheimat angepasst, dass man sie eigentlich schon gar nicht mehr als lateinamerikanische Schriftstellerin ansehen mag. "Gabo" kann also in Frieden ruhen.

Der letzte Rest Lateinamerika

Ganz ähnlich wie der vorherige, "Mayas Tagebuch", dreht sich auch der neue Roman Allendes um die Sinnsuche eines von Schicksal und Wachstumsschmerz gebeutelten Teenagermädchens, das in diesem Fall Amanda heißt. Auch das Ambiente, in dem ihre Selbstfindung stattfindet, ist ein ähnliches wie beim letzten Mal: die vielfältige Latino-Misch-Community in den USA, der letzte Rest Lateinamerika sozusagen in Allendes Werk.

Amandas Suche

Eine Leseprobe stellt der Verlag hier zu Verfügung.

Amandas Vater ist ein assimilierter Hispanic, Polizist und Workaholic, der von der sehr amerikanischen Mutter Indiana getrennt lebt. Sie ist die eigentliche Hauptfigur, "der Inbegriff der überdimensionierten Amerikanerin, vor Gesundheit und guten Absichten strotzend". Sie arbeitet in einer Praxis für Reiki und Duftöl, einer der Autorin zweifellos nicht ganz unvertrauten Umgebung. Wie die meisten Allende-Protagonistinnen ist Indiana eine so attraktive wie lebenspraktische und seelentiefe Frau, die in der Lage ist, mit ihrem heilenden Wesen im Handumdrehen Frauen von Verspannungen und Männer von Impotenz zu befreien.

Ein früherer Navy Seal als ungewöhnlicher Held

Ähnlich konstruiert sind auch die anderen Figuren. Da sind alte Männer, "drahtig und knochig, lebensklug und nicht aus der Ruhe zu bringen" - wie etwa der stets verständige Großvater, der sich liebevoll um die im Internet herumvagabundierende Amanda kümmert. Der kampferfahrene frühere Navy Seal Ryan Miller ist als männlicher Held und Indianas Counterpart eine eher ungewöhnliche Wahl für eine lateinamerikanische Schriftstellerin und hoffentlich nicht als Zugeständnis an republikanisch wählende Leserinnen gedacht.

Miller hat nicht nur Kriegsverletzungen und Traumata aus Afghanistan gut unter Kontrolle, er verfügt wenig überraschend auch über eine "breite Brust", an die sich Mütter wie halbwüchsige Töchter in Gefahrensituationen schmiegen können. Der Parität halber kommt auch ein Veteran des lateinamerikanischen Freiheitskampfes vor, ein Exil-Uruguayer, seelisch verletzt zwar, aber "mit den Händen beinahe so geschickt wie ein Magier".

Bizarre Mordserie

Aus diesen Versatzstücken hat Allende ein Buch zusammengesetzt, das allen etwas bieten soll: Latinos, Nordamerikanern und Europäern. Vor allem für Letztere wohl hat sich Allende an das Krimi-Genre herangetastet, was allerdings erst im zweiten Teil des Romans wirklich zum Tragen kommt, wenn es darum geht, eine bizarre Mordserie in San Francisco aufzuklären. Speziell von Schwedenkrimis ließ sich Allende inspirieren, allerdings in eher weichgespülter Form, da ihr Jo Nesbø, Stieg Larsson und Co. erklärtermaßen zu blutrünstig sind.

Das ist verständlich und nachvollziehbar, doch leider fehlt es den Romangestalten trotz ihrer krassen Lebensläufe an den krisenhaften Seelenabgründen, am manisch-depressiven Masochismus der Skandinavier. Es geht einem bei Allendes Krimiszenen ein bisschen wie bei Karl May oder Arztromanen: Trotz aller Gefahren hat man als Leser keine Sekunde lang Zweifel, dass die im Kern hochpatenten und lebenskundigen Protagonisten die ihnen gestellte Aufgaben mit Bravour meistern werden.

Wallander für Arme

Die überwiegend plumpe Dramaturgie blockiert im Zusammenspiel mit der belanglosen Sprache die Spannung. Daneben verliert die Autorin sich vor allem im ersten Teil in nachlässig erzählten Parallel- und Seitensträngen, die dem Roman die Stringenz nehmen. Immerhin ist das Buch ein Plädoyer für Völkerverständigung und Gemeinschaftssinn als Gegengewicht gegen das Böse - in der realen wie in der Internetwelt, in der Amanda sich bewegt, und aus der heraus sie zur Detektivin wird, die ihre Mutter vor einem Killer beschützen muss.

Der gesellschaftlich konstruktive Ansatz allein wird hartgesottene Krimileser jedoch kaum zufriedenstellen. Am Ende ist "Amandas Welt" eher "Fünf Freunde" als Wallander, ein Flugzeugschmöker für Langstrecken, wenn man sich auf nichts Vielschichtiges konzentrieren mag. Eines dieser Bücher, die man zwischen Frankfurt und San Francisco runterlesen und dann für die Rückflugpassagiere in der Bordtasche stecken lassen kann.

allende

Isabel Allende: Amandas Suche. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 479 Seiten, 24,95 Euro. E-Book 21,99 Euro

Isabel Allende: Amandas Suche. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 479 Seiten, 24,95 Euro. E-Book 21,99 Euro

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