Iris Berben:"Früher konnte ich meine Sehnsucht definieren"

Iris Berben

"Die Sehnsucht hört nicht auf, auch wenn man 50 oder 60 ist", sagt die Schauspielerin Iris Berben.

(Foto: dpa)

Kann man sich mit über 60 in die Gefühlswelt einer 18-Jährigen hineinversetzen? Ein Gespräch mit Iris Berben über ihr aktuelles Bühnenprogramm und das Leben als Flirt.

Von Harald Hordych

Es ist kalt in Berlin, als Iris Berben zum Café Einstein eilt. Der Treffpunkt für Prominente und Halbprominente aus Politik, Kunst und Film sowie Touristen, die an alledem gleichermaßen interessiert sind, ist um die Mittagszeit vollbesetzt. Beim Eintritt vermindert die Schauspielerin kaum ihr hohes Schritttempo, den Kopf hält sie leicht nach unten gesenkt. Das ändert nichts daran, dass ihr von jedem Tisch sehr viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Ihr Weg führt sie zu den hinteren Räumen, wo es scheinbar etwas ruhiger zugeht. Aber ausgerechnet hier springt ein Mann sichtlich erfreut auf, um sie mit einer herzlichen Umarmung zu begrüßen: Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Nach diesem Parcours von Sehen und Gesehen werden setzt sich Iris Berben, atmet einmal tief durch und beginnt spontan über Fluch und Segen künstlerischer Vollbeschäftigung nachzudenken.

"So würde ich am liebsten 24 Stunden am Tag leben"

Bei aller Lebhaftigkeit, die von der mittlerweile 66-jährigen Schauspielerin ausgeht: Das hohe Tempo ihres Alltags macht ihr zu schaffen, denn es lenkt sie vom Leben ab, das außerhalb von Hörbuchproduktionen, Rollenvorbereitungen und nicht zuletzt ihrem aktuellem Lese-Programm "Ich bin in Sehnsucht eingehüllt" eben auch noch stattfindet - beziehungsweise stattfinden soll. Schnell dreht sich das Gespräch um das Thema Sehnsucht. Und die Frage, wie es für eine Frau jenseits der 40 ist, Gedichte einer 18-jährigen Frau zu sprechen.

In ihrem aktuellen Programm trägt Berben Texte der jüdischen Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger vor, die 1942 mit 18 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Diese Gedichte handeln von der Sehnsucht nach Zärtlichkeit, nach der Umarmung von einem Mann, nach im Grunde unschuldiger Nähe. Hin und her habe sie überlegt, erzählt Berben, ob das die richtigen Texte für sie seien. Sie entschied sich dafür: "Die Sehnsucht nach Zärtlichkeit, nach Atmen-Wollen, nach Wahrgenommen-werden-Wollen, die Sehnsucht hört eben nicht auf, auch wenn man 50 oder 60 ist."

Das portugiesische Wort für Sehnsucht, "Saudade", ist Iris Berben wichtig. Es umfasst ein Verlangen nach Leben, nach Lust am Leben, das unbestimmt ist, nicht näher zu fassen, so wie das die Sehnsüchte in ihrer Jugend und zu Beginn ihrer großen Karriere waren. "Früher konnte ich meine Sehnsucht definieren", erzählt Iris Berben. "Welche Orte ich besuchen möchte. Welche Bücher ich noch lesen möchte. Welche Begegnungen ich haben möchte." Heute falle ihr dieses Benennen viel schwerer. Ohne dass sich an ihrer Lebenseinstellung etwas geändert habe: "Ich lebe sehnsüchtlich gern." Weil Männer in der Aufzählung konkreter Sehnsuchtsziele gefehlt haben, bleibt die Frage nach ihnen nicht aus. Und aus einem Gespräch über "Saudade" und Sehnsucht wird eines über die schönste Form zu leben überhaupt: über das Leben als Flirt. "So würde ich eigentlich am liebsten 24 Stunden am Tag leben", entfährt es Iris Berben. Und dazu lacht sie fast ein wenig ungläubig auf.

Wie wichtig ihr das Flirten immer noch ist, dass sie auch mit Schimon Peres die Leichtigkeit dieser Begegnungsart genossen hat, wie schwer es das Flirten in Political-Correctness-Zeiten leider hat und was Iris Berben eigentlich von Dating-Apps hält, erzählt sie im großen Interview.

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