Interview:Von Mut fasziniert

Der Bass Günther Groissböck bezweifelt, dass Sänger die besseren Küsser sind.

Als Ensemblemitglied sang der Bass Günther Groissböck an der Wiener Staatsoper und am Opernhaus Zürich. Als mittlerweile freischaffender Künstler hat er die Welt von New York bis Mailand kennengelernt. In seinem Repertoire findet sich Sarastro neben Boris Gudonow und Fasolt und Hunding aus dem "Ring des Nibelungen".

Können Blicke töten?

Töten vielleicht nicht im eigentlichen Sinne des Wortes, aber seelisch zumindest sicher schwer verletzen.

Können Sänger besser küssen?

Das bezweifle ich. Manche vielleicht aufgrund ihrer Erfahrungen auf der Bühne etwas bewusster, was aber keineswegs "besser" bedeuten muss.

Kann Musik heilen?

Davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt, so wie Musik aber sehr wohl auch krank machen kann.

Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Bühnenkuss?

Da ich aufgrund meines Stimmfachs nur sehr selten Liebhaber zu verkörpern habe, kam es erst sehr spät zu diesem Erlebnis. Ich glaube konkret war es 2013 in einer "Walküre" als Hunding in Paris, wo ich meine "Frau" Sieglinde, Martina Serafin, mehr gewalttätig denn wirklich liebevoll küssen musste.

Waren Sie dabei aufgeregter als bei Ihrem ersten echten Kuss?

Schwer zu sagen. Es ist natürlich in gewisser Weise eine eigenartige Situation, wenn man etwas doch sehr Persönliches, Intimes quasi dienstlich auf Regieanweisung ausführt. Wenn man mit der Kollegin jedoch ein gutes, idealerweise sogar freundschaftliches Verhältnis hat, sind die Hemmungen zum Glück aber bald verflogen.

Verraten Sie uns gar etwas über Ihren ersten Kuss?

Als ich im Kindergarten war, hatte eines Tages eine Kindergartenfreundin Geburtstag, und wir mussten alle brav mit Händedruck und Küsschen gratulieren. Ich kann mich deshalb noch sehr genau daran erinnern, weil ich mich damals sehr unwohl gefühlt habe und mich das eigentlich total harmlose Geburtstagsbussi sehr viel Überwindung kostete.

Wenn Sie sich selbst eine Oper auf den Leib schreiben und komponieren könnten, wovon würde die handeln?

Ich glaube, es existiert schon wirklich sehr viel Interessantes, Tolles und teilweise sogar Geniales zu den wirklich wichtigen, substanziellen Themen unseres Daseins. Mich persönlich faszinieren immer Menschen, die ganz stur und aus tiefer Überzeugung ungeachtet aller Konsequenzen ihren Weg gegangen sind. So wie zum Beispiel die Geschwister Scholl oder der österreichische Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter. Meines Wissens gibt es aber im konkreten Fall bereits eine moderne Vertonung über die Weiße Rose.

Was glauben Sie, wie sähen die Themen der Opernwelt aus, wenn es mehr weibliche Komponistinnen und Librettistinnen gegeben hätte?

Ich glaube, je nach zeitgeschichtlichem Kontext natürlich, dass das gar keinen so großen Unterschied machen würde. Die wirklich epochalen Meisterwerke stehen sowohl thematisch als eben auch künstlerisch weit über klassischen Geschlechter- und Rollenklischees.

Was wird die größte Herausforderung für Sie bei den diesjährigen Festspielen sein?

Natürlich die zwei Vorstellungen als Gremin in "Eugen Onegin" mit Anna Netrebko, denn da sollte ich nicht nur schön singen, sondern vor allem auch noch einen richtig innigen Bühnenkuss abliefern, und da wären wir nun schon wieder beim Thema. . .

Günther Groissböck singt in Elektra, Do, 19. Juli, 19.30 Uhr, So., 19. Juli, 19 Uhr, Nationaltheater, und in Eugen Onegin, So., 26. Juli, Mi., 29. Juli, 19 Uhr Nationaltheater (ausverkauft)

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