Interview: Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank:"Es ist anders gekommen"

Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank spricht im Interview über die Trennung von Stefan Aust, den anstehenden Gerichtsprozess und die Wirkung des Namens Augstein.

Christopher Keil und Thomas Schuler

SZ: Herr Frank, Stefan Aust ist seit Dienstag nicht mehr Chefredakteur und beim Spiegel. Wann wollen Sie gehen?

Spiegel Mario Frank Aust

"Nicht angetreten, um Stefan Aust abzulösen": "Spiegel"-Geschäftsführer Mario Frank.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Mario Frank: Ich gehe - um genau zu sein: Ich fahre - jeden Morgen ins Büro und abends nach Hause. Und ich habe nicht vor, das zu ändern.

SZ: Warum haben Sie sich mit Aust nicht einigen können?

Frank: Die Gesellschafter haben mir für die Abfindungsverhandlungen einen außergewöhnlich großzügigen Rahmen gesetzt. Wir haben Stefan Aust ein mehr als faires Angebot gemacht. Er hat es abgelehnt.

SZ: Anfang dieser Woche gab es einen Gerichtstermin mit Austs Anwälten ohne Ergebnis. Am 7. Mai will die Richterin Zeugen hören, auf die sich Aust beruft bei seiner Einschätzung, er habe einen bis 2010 gültigen Arbeitsvertrag und deshalb nicht für den 31.12. 2008 gekündigt werden können. Zu den Zeugen zählen Ihr Vorgänger Seikel und angeblich ehemalige und aktuelle Gruner + Jahr-Manager. Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass Aust Recht bekommt?

Frank: Warten wir ab, welche Zeugen tatsächlich geladen werden und was sie dann aussagen.

SZ: Sie waren bis Ende 2006 ausschließlich für Gruner + Jahr tätig. Sie wurden von einem Headhunter angesprochen, der hauptsächlich für G + J arbeitet. Wie hat G + J-Chef Bernd Kundrun reagiert, als Sie ihn über Ihren neuen Job beim Spiegel informierten?

Frank: Er war überrascht.

SZ: Verstehen Sie, dass beim Spiegel mancher mutmaßt: Der Frank dient ja mehr Gruner + Jahr als uns?

Frank: Die Mitarbeiter KG hat die Mehrheit. Gegen die Mitarbeiter ist in diesem Unternehmen nichts zu entscheiden. Solange die Mitarbeiter den Spiegel nicht verkaufen, kann niemand etwas wollen, was sie nicht wollen.

SZ: Gerade hat G + J die Financial Times Deutschland komplett übernommen. Sie wollten die Hälfte der Zeitung auch für den Spiegel-Verlag erwerben. Warum? Die FTD macht Verluste.

Frank: Ich habe die Perspektiven positiv eingeschätzt und war der Meinung, die FTD sei zu sanieren. Wenn es gelungen wäre, hätten wir mit dem Manager Magazin, mit Harvard Business Manager und eben der FTD neben Gruner + Jahr und Holtzbrinck eine führende Stellung in der Wirtschaftspresse eingenommen.

SZ: Sind Sie nachtragend? Die Mitarbeiter KG hat das Geschäft verhindert.

Frank: Das gehört für einen Geschäftsführer dazu. Schwierig war allerdings die laute öffentliche Diskussion.

SZ: Haben Sie den Spiegel nach einem Jahr begriffen?

Frank: Für mich war das eines der lehrreichsten Jahre in meinem Berufsleben. Bei den kommunikativen Elementen, die erforderlich sind, um gute Arbeit zu leisten, habe ich ein paar Dinge falsch gemacht und folglich gelernt.

SZ: Wie war das mit dem Vergleich vom Ferrari, also Spiegel-Online, und der Postkutsche, dem Print-Spiegel?

Frank: Den würde ich so nicht mehr bringen, weil er nur die halbe Wahrheit formuliert. Bei aller Freude über das fantastische Wachstum von Spiegel Online - der gedruckte Spiegel bleibt für uns das Maß der Dinge. Wir haben als einziges Verlagsunternehmen eine Fernseheinheit, die für die anderen Teile des Unternehmens bewegte Bilder produzieren kann: fürs Internet, aber auch für DVDs, mit denen wir die Auflage fördern.

SZ: Das ist nötig?

Frank: Wir haben 2007 sieben DVDs gemacht, die dem Spiegel kostenlos beigelegt wurden. Diese Titel haben im Schnitt 92 000 Exemplare mehr verkauft als ein Heft ohne DVD.

SZ: Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Frank: Es lohnt sich in jeder Hinsicht, die Medien unseres Unternehmens - Print, Online und TV - zu verzahnen. Im Spiegel-Verlag diskutieren wir schon länger die Frage, wie wir zusammenwachsen können. Der richtige Schritt ist die neue personelle Verflechtung in der Redaktionsspitze mit Mathias Müller von Blumencron und Georg Mascolo.

SZ: Sie müssen faktisch nur auf zwei der drei Gesellschafter Rücksicht nehmen, weil Mitarbeiter KG und Gruner + Jahr zusammen beschlussfähig sind.

Frank: Das sehe ich nicht so. Die Stimme der Familie Augstein ist zwar bei wichtigen Entscheidungen nicht ausschlaggebend. Aber sie hat eine publizistische Wirkung. Die Gesellschafter diskutieren alles, und es ist meine gesetzliche Pflicht, alle Gesellschafter zu vertreten.

SZ: Soll der Name Augstein wieder in der Herausgeberschaft vertreten sein?

Frank: Das ist, wenn überhaupt, ein Thema der Gesellschafter. Sie können festlegen, ob sie wieder einen Herausgeber für den Spiegel haben wollen.

SZ: Laut Satzung können doch nach dem Tod von Rudolf Augstein entweder Chefredaktion oder Geschäftsführung Herausgeber sein.

Frank: Das stimmt. Aber es ist nicht festgelegt, was das heißt. Ich selbst strebe sicherlich nicht nach diesem Amt.

SZ: Was lief schief zwischen Stefan Aust und Ihnen?

Frank: Ich kann nur sagen: Für mich ist das Thema beendet.

SZ: War der Konflikt mit Aust für Sie absehbar?

Frank: Ich habe mich aus meiner Sicht um ein gutes Verhältnis bemüht. Ich habe Stefan Aust eine Reihe von Dingen angeboten, von denen ich dachte, dass sie ihm eigentlich gefallen müssten. Dazu gehörte die Ausweitung der DVD-Produktion. Oder der Ausbau des Sonntagsvertriebs, den er immer auf der Tagesordnung hatte. Das haben wir in diesem Jahr massiv vorangetrieben.

SZ: Aus der Distanz betrachtet hätte man den Eindruck haben können, da kommt einer, der Aust rausschießen soll.

Frank: Ich bin weder geholt worden noch angetreten mit dem Auftrag, Stefan Aust abzulösen. Ganz bestimmt nicht. Da lege ich Wert auf meine Unabhängigkeit. Ich bilde mir ein Urteil über die Leute, bevor ich sage: Es geht nicht. Ich habe mir zum Start vorgestellt und gewünscht, dass wir ein erfolgreiches Team bilden. Es ist anders gekommen.

SZ: Warum musste Spiegel TV restrukturiert werden?

Frank: Weil der Markt für TV-Produktionen schwierig ist. Wir sind ja kein Fernsehsender, wir sind Produzent. Wir mussten neu strukturieren. Spiegel TV ist viel näher an Spiegel Online herangerückt. Ein Riesenvorteil, den wir im Moment exklusiv haben. Alle Wettbewerber müssen bewegte Bilder einkaufen. Wir können sie selber produzieren.

SZ: Eine Idee soll sein, Johannes B. Kerner und dem ZDF Anteile zu geben an einer der drei neuen Spiegel-TV-Gesellschaften, um den Produktionsauftrag für Kerners Talkshow zu behalten.

Frank: Das sind Gedanken, die nicht falsch sind, aber über die kann ich heute nichts sagen.

SZ: Stimmt es, dass Sie den Spiegel-Redakteuren Zulagen gekürzt haben?

Frank: Nein, das stimmt nicht. Auf Wunsch vieler Mitarbeiter und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat haben wir lediglich das Gehaltssystem der Spiegel-Gruppe verändert und transparenter gemacht. Das vertraglich vereinbarte Jahresgehalt wurde hierdurch bei keinem Mitarbeiter negativ verändert.

SZ: Sie sind für Wachstum zuständig, was ist Ihre Strategie?

Frank: Einer der zentralen Wünsche der KG, die mich engagiert hat, war es, dass ich Neues beginne. Neues zu machen, kann heißen: kaufen. Ich glaube, dass ein Wirtschaftstitel oder Online-Aktivitäten im Wirtschaftsbereich gut zu uns passen würden. Es kann aber auch heißen: etwas Neues gründen, was unter der Marke Spiegel sicherlich leichter gelänge. Es darf die Marke aber nicht beschädigen. Ein Heft "Spiegel Geschichte" käme zum Beispiel nicht in Betracht, weil es das Nachrichtenmagazin behindern würde. Geschichtsthemen sind unsere auflagenstärksten Titel.

SZ: Konkret heißt das?

Frank: Zu meiner Lernkurve des vergangenen Jahres gehört, dass ich darüber nicht öffentlich rede.

SZ: Was betrachten Sie als Ihre Hauptaufgabe 2008?

Frank: Erst einmal beschäftige ich mich mit naheliegenden Fragen: Wie sorgt man dafür, dass 2008 wieder acht gute DVDs da sind, die das Thema des Titels multimedial flankieren? Oder wie geht man mit den Olympischen Spielen um? Plant die Chefredaktion ein Olympia-Heft? Wenn ja, redet sie mit Spiegel-TV darüber? Plant der Fernsehbereich auch was? Es geht um innerbetriebliche Kommunikation, um die Abstimmung bei großen Themen.

SZ: Sind Mascolo und Blumencron Chefredakteure, die im Haus arbeiten, oder sind sie künftig Chefredakteure, deren Strategie auf alles andere abstrahlt?

Frank: Es wäre schon mein Wunsch, dass die Beiden auch Gesamtverantwortung für die Marke Spiegel übernehmen. Was im Fernsehbereich produziert wird und damit die Zuschauer erreicht, hat Auswirkungen auf den Print-Spiegel und ebenso auf Spiegel Online. Das darf nicht völlig parallel und unabhängig voneinander laufen, es muss eine inhaltliche Qualitätsklammer erkennbar sein.

SZ: In Ihrem Büro steht kein Buch, es gibt keine Akten, nur eine Sammlung antiker Schreibmaschinen und die Auflagenkurve an der Schrankwand.

Frank: Das ist die Vorjahreskurve. Die sieben Ausreißer nach oben sind Titel mit DVD. Die einzige Ausgabe, die sich ohne DVD in dieser Liga verkauft hat, ist unser Dezemberheft über den Koran. Ansonsten erledige ich meine Arbeit so, dass nichts liegenbleibt.

SZ: Welcher Titel lief 2007 am schlechtesten?

Frank: Der mit Angela Merkel.

Mario Frank wurde in Rostock geboren und wuchs in der Schweiz auf. Der promovierte Jurist kam bereits 1987 zum Verlag Gruner + Jahr und war dort bis 2006 in verschiedenen Positionen als Spitzenmanager tätig - zuletzt beim Dresdner Druck- und Verlagshaus (Sächsische Zeitung). Seit 2007 ist der 49-Jährige Geschäftsführer des Spiegel-Verlages mit den Gesellschaftern Mitarbeiter KG (50,5 Prozent), Gruner + Jahr (25,5,) und Augstein-Erben (24). 2008 will Frank vor allem die innerbetriebliche Kommunikation fördern.

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