Interview mit Russell Crowe:"Dieser jähzornige alte Bastard"

Russell Crowe spricht über den Regisseur Ridley Scott, die Moral seines neuen Western und über Killer, die in der Bibel lesen.

Interview: Patrick Roth

Für Michael Manns "The Insider" hat er den Oscar nicht bekommen, aber im Jahr darauf, 2001, hat Russell Crowe gewonnen, in Ridley Scotts "Gladiator". Seither sind sie ein Team, zur Zeit ist ihr "American Gangster" im Kino. Am Donnerstag startet James Mangolds Western "Todeszug nach Yuma" mit Crowe.

Interview mit Russell Crowe: Handeln ohne Umschweife: Russel Crowe als eiskalter Killer.

Handeln ohne Umschweife: Russel Crowe als eiskalter Killer.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Kannten Sie das Original, den Western, den Delmer Daves 1957 mit Glenn Ford gedreht hatte?

Crowe: Ich habe ihn vor vielen Jahren mindestens zweimal gesehen. Damals fand ich's komisch, dass Glenn Ford einen ziemlich erfolgreichen Bankräuber spielt, aber auf seine Kleidung keinen Wert zu legen schien. Beim Remake haben wir uns anders entschieden. Mein Ben Wade führt noch ein geheimes anderes Leben, hab ich mir gesagt.

SZ: Was zog Sie an der Rolle an?

Crowe: Ben Wade hat Humor. Ein ehrlicher Mann, sehr direkt. Mag sein, dass er auch ein eiskalter Killer ist. Aber das gehört zu seiner Art: Er handelt ohne Umschweife. Mir gefiel im übrigen Jimmys, James Mangolds, Einstellung. Er wollte nicht auf andere Western verweisen. Nur eine gute Story verfilmen.

SZ: Also keine "Hommage" . . .

Crowe: Wir wollten uns bei den Dreharbeiten nicht ständig in den Arsch kneifen: "Wow, Mann, stell dir vor, wir drehen einen 'Western'!" An solcher Befangenheit kranken - wie Jimmy selbst sagt - viele Western, die in den letzten Jahren gedreht wurden. Nein, es ging uns einfach um die Story. Diese einfache Story und ihre Charaktere. Wir wollten arbeiten, als hätte man nie aufgehört, in dieser Landschaft Western zu drehen. Mir gefiel damals, dass Western sich nicht allzu wichtig nahmen. Ich mochte "Die Söhne der Katie Elder" und Eastwoods "The Outlaw Josey Wales". Klar, ich liebte Westernlandschaften, die Wüste vor allem. Hatte mich also darauf gefreut, "3:10 to Yuma" in Santa Fe zu drehen.

SZ: Aber . . .

Crowe: Naja, es wurde sehr schnell kalt, kaum hatten wir mit den Aufnahmen begonnen. Minus 13, später minus 15 Grad Fahrenheit. Und ich saß in Westernklamotten, ohne Poncho, ohne Handschuhe auf meinem Pferd. Dachte, es sähe besser aus. Es war manchmal nicht einfach, den Dialog ohne Zähneklappern zu bewältigen. Peter Fonda wollte streiken. "Bei solchen Temperaturen dreh ich nicht in Lumpen", hieß es. Aber letztlich waren wir's zufrieden. Die Tage fühlten sich kaum wie "Arbeit" an. Du reitest, schießt, du grillst und spuckst ein wenig. Dann ist Feierabend. Und das in göttlicher Kulisse! Was will man mehr.

SZ: Ihr Remake gefiel mir weitaus besser als das Original. Das Drehbuch ist besser strukturiert, die einzelnen Charaktere genauer gefasst. Hatten Sie selbst - wie damals bei "Gladiator" - einiges zum Drehbuch beigetragen?

Crowe: Nein, eigentlich nichts. Ich ließ mich da ganz vom Drehbuch leiten. Das "Gladiator"-Script hatte damals Probleme, ich bestand darauf zu ergänzen, größere Lücken zu füllen. Ridley Scott sah's ja genau so. Aber Jimmy gab mir ein Drehbuch, das nicht mehr überarbeitet werden musste. Mir gefiel, wie ausbalanciert das Spektrum der Rolle n darin war.

SZ: Mangold sagte mir allerdings, Sie hätten einiges zu jenem Monolog beigetragen, in dem Ben Wade seinem Bewacher - Christian Bale - erklärt, warum er immer wieder aus der Bibel zitiert.

Crowe: Naja, vielleicht den einen oder anderen Satz. Wades psychologische Motivation war aber schon im Drehbuch enthalten: In einem Bahnhof gibt die Mutter dem Jungen die Bibel zu lesen und sagt: "Lies das, bis ich wiederkomme." Der Junge hat das Buch in drei Tagen ausgelesen. Aber die Mutter kam nicht wieder. Klar, dass ein Mann wie Ben Wade Gott als rachsüchtig erkannt hat. Ich glaube, dass die einfache Moral, die so ein Western bietet, anziehend sein kann. Vielleicht hat der Western deshalb bis heute überlebt. In seiner einfachen Welt sind Recht und Unrecht noch klar geschieden. Ich glaube, es gibt Phasen im Leben, da braucht man den Western. Er kompensiert in gewisser Weise, was gerade im eigenen Leben geschieht. Wenn dir alles zu kompliziert wird, empfindest du es als angenehm, dass ein Western dich zur Einfachheit zurückführt. Er erzählt von Entscheidungen auf Leben und Tod. Und diese einfachere Moral könnte, meine ich, gerade dieser Tage enorm anziehend sein.

SZ: Vor ein paar Jahren hat Newsweek Sie zum Nachfolger Marlon Brandos gekürt. Hat Ihnen das etwas bedeutet?

Crowe: Das muss man sofort wieder vergessen. Solche Urteile sind tödlich. Sie machen dich hungrig nach Ruhm, nach Boxoffice und dem Riesenerfolg. Soll ich auf Brandos Grab und seinen unsterblichen Namen schielen? Ich bin 43, lassen Sie mir noch ein bisschen Zeit! Das ganze Gerede vom Bad Boy. Das dichten mir die Medien an. Gott sei Dank schlafe ich nicht im Büro.

SZ: Was meinen Sie damit?

Crowe: Ich bin in Australien zu Hause. Hollywood ist nur das Büro. Ich geh ins Büro, wenn's um Geschäftliches geht. Dann hau ich schleunigst wieder ab, "get out of Dodge", wie's im Western-Jargon heißt. Dass ich in Hollywood nicht immer gleich auf der Matte stehe, bedeutet, dass mir manche gute Rolle entgeht. Sei's drum. Wie gesagt: Ich übernachte nicht im Büro. Das wäre ungesund.

SZ: Kommen wir noch mal auf Ridley Scott zurück. Gerade ist "American Gangster" angelaufen, bei dem Sie wieder mit Scott gearbeitet haben.

Crowe: Und gerade waren Leonardo DiCaprio und ich in "Body of Lies", und danach kommt gleich "Nottingham". Bei beiden Produktionen führt Ridley Regie.

SZ: Wer ist da versessen auf wen?

Crowe: Ridley ist ohne Frage my man. Das hat einfache Gründe: Ich kann ihm total vertrauen. Er ist effizient und im höchsten Grade kreativ. Wenn ich die Szene oder die Rolle mit ihm durchspreche, lässt er mir Zeit, jeden Aspekt kreativ auszuloten. Jedenfalls gibt er mir als Schauspieler dieses Gefühl. Er fordert mich dazu raus: "Du meckerst mir nicht bei der Postproduktion. Wenn dir etwas nicht passt, sag es jetzt, beim Drehen. Alles andere ist Verrat am Regisseur."

SZ: Dass Ihr Projekt "Ein gutes Jahr" kein Erfolg war, sehen Sie ihm nach.

Crowe: Mir gefiel der Film sehr. Er ist romantisch und hat Witz. Und wird das auch in zehn Jahren noch beweisen können. Warten wir's ab. Man darf da nicht nach der Mode gehen. Das ist wie bei "American Gangster". Den wollte auch niemand machen, die Vorbereitungen wurden abgebrochen. Ich sagte: "Der Film hat Probleme - und ich löse sie nur, wenn Ridley an Bord kommt." Dieser jähzornige alte Bastard ist einfach ein Filmgenie. "Gladiator" sollte 160, 170 Millionen Dollar kosten. Ridley las, kalkulierte und sagte: "Ich brauche nur 103". Weil er einfach nur das halbe Kolosseum bauen ließ, es aber gleich zweimal filmte!

SZ: Nährt das nicht Ambitionen in Ihnen, einmal selbst Regie zu führen?

Crowe: Ja, da kommt eines Tages sicher etwas zustande. Ich habe die erste Fassung eines Projekts, an dem ich schon lange mit Autoren arbeite, über Surf-Gangs in Marouba bei Sydney. Aber ich lasse mir Zeit damit. Mit Drehbüchern braucht man Geduld, darf nichts erzwingen wollen. Sonst verdirbt man sie. Es ist wie mit Pferden und Kindern.

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