Interview mit Josef Hader:"In den USA kann der Populismus jetzt zeigen, was er drauf hat"

Josef Hader

Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus" ist gerade im Kino angelaufen.

(Foto: Majestic Filmverleih)

Der Kabarettist Josef Hader über Feinde, versagende Journalisten - und warum wir die Demokratie vielleicht doch noch retten können.

Interview von Tobias Kniebe

Josef Hader hat Kabarettprogramme geschrieben, die zur Legende wurden, und er muss nur eine Auswahl seiner zehn oder zwanzig Jahren alten Klassiker spielen, um die Säle immer noch auszuverkaufen. Vielleicht schreibt er deshalb auch sehr selten neue. Als Schauspieler kennt man ihn aus "Indien", aus den "Brenner"-Filmen nach Wolf Haas und als Stefan Zweig in "Vor der Morgenröte." Jetzt läuft "Wilde Maus" im Kino, mit Hader als Hauptdarsteller, Drehbuchautor - und erstmals auch als Regisseur. Der Film zeigt ihn einmal mehr als Wahrheitssucher, der sich alle Freiheiten nimmt. Und seinen bösen Blick zuallererst auf sich selbst richtet.

SZ.de: Ihr tragischer Held in "Wilde Maus" arbeitet bei einer Wiener Tageszeitung und schreibt Verrisse über Musiker. Hassen Sie Kritiker?

Das mit dem Hass kenne ich eher von Schauspielern am Theater, die bei jeder Premiere schon wissen: Jetzt kommt wieder der Soundso und wird mich niederschreiben! Wir Kabarettisten sind da nicht so betroffen, wir bewegen uns in einem geschützteren Raum. Bei uns trauen sich die Kritiker nicht so.

Andererseits sagt man sicherlich nicht: "Mein Held soll ein echter Sympathieträger sein, was könnte der im Leben denn so machen? Hmm ja, natürlich: Kritiker!"

Das eine war, dass ich die klassische Musik gern als tragendes Element im Film haben wollte: ein gutbürgerlicher Terrorist, der von Beethoven zu seinen Untaten angetrieben wird, der Gedanke hat mir gefallen. Andererseits brauchte ich einen Helden, der ganz schön narzisstisch ist, also eigentlich fast einen Künstler wie mich. Aber einen Narzissten, der jederzeit entlassen werden kann. Damit sind wir natürlich sofort beim Journalisten.

Härtere Zeiten, in denen alle immer mehr zu rücksichtslosen Egomanen werden, haben Sie schon vor 13 Jahren mit ihrem Programm "Hader muss weg" beschworen. Bricht das jetzt erst so richtig aus?

Es geht halt immer weiter. Der Neoliberalismus ist ja keine Veranstaltung, die einen Beginn und einen Endpunkt hat. Und ein Nebenprodukt davon sind diese zornigen weißen Männer, die glauben, alles wird wieder besser, wenn jede Nation wieder mehr an sich selber denkt. In Österreich ist das schon früher ausgebrochen, eigentlich in ganz Europa. Deutschland war da lange Zeit noch eine Art Insel, das ist jetzt auch vorbei.

Was jetzt in den USA passiert, fügt dem aber noch einmal eine neue Dimension hinzu, oder nicht?

Dafür können ja weder die Österreicher noch die Deutschen was. Aber wenn schon hemmungsloser Populismus sein muss, dann finde ich das ganz interessant, wenn das in einer der ältesten Demokratien der Welt passiert. Da kann jetzt der Populismus einmal zeigen, was er drauf hat. Ich glaube, nach vier Jahren wird die Bilanz eine sehr ernüchternde sein. Bis dahin muss man halt durchhalten.

Aber den Typus, der da jetzt die Macht ergreift, den haben Sie schon früh und ziemlich abschreckend auf die Bühne gebracht.

Es gibt ja den schönen Satz von Grillparzer: "Österreich ist die kleine Welt, wo die große ihre Probe hält." Man könnte sich aber auch fragen, wann eigentlich der schrankenlose Narzissmus in der Politik wirklich salonfähig geworden ist. War es mit Jörg Haider? Oder war es in dem Moment, als Putin mit nacktem Oberkörper einen großen Fisch präsentiert hat, den er gar nicht selbst gefangen hatte? Oder war es eher in jener Wahlnacht, in der Gerhard Schröder abgewählt wurde und dann da saß wie ein kleines trotziges Kind und das Ergebnis einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollte?

Anders gesagt, das wundert Sie jetzt alles gar nicht?

Doch. Aus Österreich kenne ich die Lage, dass die Rechten bei den Wahlen vielleicht dreißig Prozent holen. Aber eben deutlich unter der Mehrheit bleiben. Das wundert mich jetzt schon, dass es in England zum Beispiel eine Mehrheit für den Brexit gegeben hat, und dass Trump Präsident werden konnte - Mehrheit kann man in dem Fall ja nicht sagen. In meinem Weltbild war es in Österreich immer am ärgsten. Dieses Vorurteil muss man jetzt revidieren.

Was ist anderswo schlimmer?

Zum Bespiel die Medien, die immer marktwirtschaftlicher werden, immer stärker im Kampf um Aufmerksamkeit stehen. In Großbritannien und den USA ist das weiter fortgeschritten als bei uns. Dort hat der, der die besten Schlagzeilen bringt, einen gewaltigen Startvorteil gegenüber allen anderen. Das könnte eine Erklärung sein. Je marktwirtschaftlicher die Medien, desto leichter haben es die Populisten.

"Ich pflege Feindschaften einseitig. Meine Feinde wissen davon meistens gar nichts."

Sehen Sie keinerlei Gegenkräfte mehr?

Doch, in den USA wachsen ja gerade Gegenkräfte, von denen wir in Europa möglicherweise nur träumen können. Da organisiert sich jetzt eine starke Zivilgesellschaft. Das ist das einzig Beruhigende im Vergleich zu Osteuropa oder Russland oder der Türkei, wo sich solche demokratischen Traditionen noch nicht in der Form entwickeln konnten.

Kommt man mit Trotz weiter?

Oh ja. Mein Trotz hat mich nie enttäuscht. Es gibt wenige Gefühle, die mich so wenig enttäuscht haben wie mein Trotz. Der hat mir immer geholfen, war immer ein treuer Freund. Und er ist immer da, wenn ich ihn brauche. Ein echter Kumpel, mein Trotz.

Hat er Sie auch manchmal auf falsche Wege geführt?

Nie! Trotz kann einen gar nicht auf falsche Wege führen, weil Trotz eine Haltung ist, die einen davor bewahrt, seinen eigenen Weg zu verlieren. Mein Trotz hat mich immer überall durchgetragen. Und auf bestimmte Personen ist er bis an ihr Lebensende gleichbleibend gerichtet.

Sie pflegen Feindschaften?

Ja, aber einseitig. Meine Feinde wissen davon meistens gar nichts. Die wären massiv erstaunt, wenn sie nach zwanzig Jahren noch immer meine vollkommen frische Ablehnung zu spüren bekämen. Weil ich mir die wunderbar erhalten habe. Aber in den meisten Fällen treffe ich sie gar nicht mehr, die Feinde.

Gibt es so etwas wie eine besondere Verantwortung des Künstlers?

Nein, die gibt's nicht. Das wär ja wie das Zölibat für Priester. Es gibt keine künstlerische Priesterfunktion, die uns höhere Aufgaben und höhere Kompetenzen auferlegt als jedem anderen Bürger. Da bin ich ganz bei der Französischen Revolution: Bürger ist Bürger. Und Bürger können auch einmal auf die Straße gehen. Oder vehement für oder gegen was Stellung beziehen. Wann immer ich das getan habe, habe ich mich als Bürger gefühlt und nicht als Künstler. Als Bürger und Steuerzahler, wie es in den alten amerikanischen Filmen so schön heißt. Demokratie ist nichts, was selbstverständlich immer bleiben wird, und wir sollten nicht immer nur fragen, was die Politiker falsch machen, sondern uns auch selber ein paar unbequeme Fragen stellen.

Zum Beispiel?

Wenn in den USA der allerunfähigste Kandidat eine Wahl gewinnt, vor allem deswegen, weil er als einziger vollkommen authentisch ist, was heißt das? Vollkommen narzisstisch, verschroben, unsympathisch, aber darin halt total glaubwürdig. Und der gewinnt dann die Wahl. Weil er echt ist. Da könnte man sich doch fragen: Haben wir vielleicht Medien, die einen Typus von Politiker begünstigen, der auf Dauer nicht unsere Probleme lösen kann? Und benachteiligen unsere Medien Politiker, die Probleme lösen könnten?

Tun sie das?

Wir muten den Politikern zum Beispiel zu, dass Sachargumente eigentlich niemanden mehr interessieren. Dass immer nur die flotteste Formulierung gewinnt, und dass die, die am meisten provozieren, auch die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Ist es auf Dauer wirklich super, dass Politiker ständig Angst haben müssen, dass jeder Nebensatz, der falsch verstanden werden könnte, von einer hysterischen Journaille ausgeschlachtet wird? Ist das kritischer Journalismus, oder ist es nur eine denkfaule, reflexartige Karikatur von kritischem Journalismus? Der dann auch genauso denkfaule Politikertypen hervorbringt? Da denk ich mir bei manchen Politikerinterviews oft, dass Fragesteller und Antwortgeber einander verdient haben. Und vielleicht bringen sie sich auch gegenseitig hervor.

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