Interview:Küssen und heilen

Thomas J. Mayer

Thomas J. Mayer singt Mandryka in Richard Strauss' Arabella - Premiere 6., Juli, 19 Uhr, Nationaltheater. Weitere Termine: 11., 14., 17. Juli, 19 Uhr.

(Foto: Bayerische Staatsoper)

Der Bariton Thomas J. Mayer küsst gerne - am liebsten hinter der Bühne - und findet, das Sänger in diesem Bereich mehr Talent haben.

Der Bariton Thomas Johannes Mayer startete seine internationale Karriere 2007 mit der Titelpartie im "Wozzeck" an der Mailänder Scala. Seine Gesangsausbildung begann er nach einem Studium der Geschichte, Germanistik, Musikpädagogik und Philosophie an der Kölner Musikhochschule.

Können Sänger besser küssen?

Was das Küssen anbelangt, so sehe ich bei einem sensibel artikulierenden Sänger ganz klare Vorteile. Oder anders gesagt, je besser ein Sänger küsst, desto wahrscheinlicher ist eine sinnliche Artikulation. Auch wenn man das volle Kussrepertoire auf der Bühne nur ganz selten abrufen darf, gibt einem schon der professionelle Ansatz einen ganz anderen Background, und die Attitüde kommt im besten Fall ganz selbstverständlich. Fazit: Sänger küssen besser. Fragen Sie meine singende Lebensgefährtin!

Kann Musik heilen?

Musik kann definitiv heilen und zwar nicht nur seelisch. Klang ist gewissermaßen eine Art transzendentale Massage für die Seele. Bestes Beispiel ist für mich immer noch die persönliche Erfahrung, die ich mit Claudio Abbado hatte, der nach seiner Darmkrebsdiagnose 2000 in Tokio einen wunderbaren Tristan dirigierte. Schwer krank und vom Tode gezeichnet, betonte er immer wieder wie heilsam die Musik für ihn sei. Ich weiß nicht, ob es allein diese Energie war, die ihn noch 14 Jahre hat überleben lassen, aber für uns Beteiligten war der Fall ganz klar. Er hatte nicht nur sich, sondern auch alle Anwesenden geheilt, allein durch die Macht der Vorstellung.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Bühnenkuss?

Mit einem Bühnenkuss verbinde ich unweigerlich natürlich Wotans Abschiedskuss. Der war 2004 in Karlsruhe. Es war kein erotischer Kuss, aber ein sehr weihe- und würdevoller. Den ersten echten Bühnenkuss hatte ich aber bei "Wozzeck", 2002 in Schwerin. Es ist der Zeitpunkt bevor er Marie tötet. Auch das kann mehr oder weniger erotisch sein. Wenn ich es mir recht überlege, gibt es außer bei Arabella so gar keine Baritonpartie, die einen echten Bühnenkuss vorsieht. Schade eigentlich! Schauen wir, was die Arabella in München bringt!

Waren Sie bei Ihrem ersten Bühnenkuss aufgeregter als bei Ihrem ersten echten Kuss?

Ich küsse eigentlich ganz gerne auch privat und hinter der Bühne, dementsprechend wenig aufgeregt bin ich also bei Bühnenküssen. Küsse hinter der Bühne sind viel aufregender!

Verraten Sie uns gar etwas über Ihren ersten Kuss?

Mein erster Kuss fand in der Tat hinter einer Bühne statt. Ich war 12 Jahre und hatte meinen ersten Auftritt mit meiner Popband hinter mir, als ein ein wenig älterer weiblicher Fan auf mich zu trat und mich leidenschaftlich küsste. Wahrscheinlich war diese Erfahrung wohl auch der Antrieb, warum ich mit dem Singen bis heute und auch in Zukunft weitermache. Inzwischen weiß ich natürlich, wen ich küssen darf und wen nicht.

Wenn Sie sich selbst eine Oper auf den Leib schreiben und komponieren könnten, wovon würde die handeln?

Als Historiker fände ich beispielsweise die Person des Stauferkaisers Friedrich II. sehr spannend. Komischerweise gibt es außer der Sizilianischen Vesper von Verdi, die das Erbe Friedrich II. unter die Lupe nimmt, keine Oper, die den außergewöhnlichen Menschen und "ersten modernen Regenten" beschreibt. Würde es nicht schon einige Opern über Don Quichotte geben, so würde ich definitiv eine verfassen. Ein musikalisches Theaterstück über den tragischen Antihelden meiner Jugend durfte ich schon 1997 schreiben, in Regensburg inszenieren und spielen. Letztlich begeistern mich alle Charaktere, die der existenziellen Ausweglosigkeit des Lebens mit Leidenschaft trotzen.

Was glauben Sie, wie sähen die Themen der Opernwelt aus, wenn es mehr weibliche Komponistinnen & Librettistinnen gegeben hätte?

Die Themen würden sich vielleicht ähneln, aber die Ausführung wäre sicher durch eine fragilere und psychologischere Tonsprache gezeichnet. Vielleicht gäbe es ein paar mehr Kammeropern. Die große Oper mit all ihren Dramen und eitlen Ausschweifungen ist vielleicht nicht ganz zu Unrecht, bis jetzt noch den männlichen Komponisten vorbehalten. Man darf gespannt sein, wann und wie Frauen als Komponistinnen Einzug in die Oper halten. Ich stünde zur Verfügung.

Was wird die größte Herausforderung für Sie bei den diesjährigen Festspielen sein?

Eine Herausforderung bei der Umsetzung des Mandryka in "Arabella" ist natürlich die exakte technische Stimmführung und die körperliche Kraft, die diese schwierige Rolle voraussetzt. Eine noch viel größere ist es aber, den Charakter des Protagonisten so überzeugend und authentisch wie möglich zu vermitteln.

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