Interview: Ice Cube:Wenn das Eis schmilzt

Als ein Gangster plötzlich Gangster sein durfte: Rapper Ice Cube über die goldene Ära des Hip-Hop, Rap im Alter, verbrauchte Metaphern und einen lustigen Brief vom FBI.

Jonathan Fischer

Ice Cube gründete 1986 zusammen mit Eazy-E und Dr. Dre eine der einflussreichsten HipHop-Bands überhaupt: NWA oder Niggaz With Attitude. Seit den 90er Jahren hat der Gangster-Rapper nicht nur neun Solo-Alben veröffentlicht, sondern auch als Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler - etwa in den Hollywood-Blockbustern "Friday" und "Barbershop" - Karriere gemacht.

Ice Cube N.W.A.

Rapper Ice Cube gilt als Vater des Gangster-Raps. Seine neuen Beats animieren allerdings eher zum Schaukeln als zum Tanzen.

(Foto: Alberto E. Rodriguez/AFP)

SZ: Sie gelten als einer der Väter des Gangster-Rap. Auf Ihrem neuen Album "I Am The West" (Lench Mob/Alive) posieren Sie als Cowboy mit Gewehr im Lehnstuhl, die Beats animieren eher zum Schaukeln als zum Tanzen. Werden Sie alt?

Ice Cube: Hören Sie, ich bin jetzt 41 Jahre alt, erwarten Sie da ernsthaft, dass ich Musik für junge Clubgänger produziere? Das ist eine vollkommen andere Szene. Clubmusik nimmt die Begeisterung derjenigen auf, die zum ersten mal ohne Mami und Papi ausgehen dürfen, da geht es ums Trinken, sexy Mädchen und den Reiz des Verbotenen. Ich dagegen bediene die, die in den achtziger Jahren mit Hip-Hop aufgewachsen sind und heute manchmal schon 50 oder 60 Jahre alt sind. Ein junger Sänger könnte kaum die Gefühle eines gereiften B-Boys oder B-Girls ausdrücken, deshalb übernehmen das wir Veteranen.

SZ: Was halten Sie davon, dass Public Enemy heute auf ihren Konzerten ihren Klassiker "It Takes A Nation Of Millions" einfach vom Anfang bis zum Ende nachspielt?

Ice Cube: Es wachsen immer junge Fans nach, die das noch nie gehört haben, und für die ein solches Konzert dann ein Erweckungserlebnis ist. Natürlich hoffe ich, dass durch die Wiederveröffentlichung all der alten Musik der Weg für etwas Neues frei wird. Die Intensität der goldenen Ära des Hip-Hop Ende der achtziger bis Anfang der neunziger Jahre ist bis heute unerreicht. Damals rockten Public Enemy die amerikanische Ostküste, während wir von N.W.A. die Westküste beherrschten.

SZ: Sie halten nicht viel von den Gangster-Rappern der Gegenwart?

Ice Cube: Ich kann es jedenfalls nicht ausstehen, wenn sie sich nicht informieren und dann dieselben Reime rappen, die wir schon mit N.W.A. aufgenommen haben. Auch wenn sich das Ghetto in South Los Angeles seit 20 Jahren kaum verändert hat, dürfen Rapper nie aufhören nach neuen Ideen und Metaphern zu suchen. Als ich 14 Jahre alt war und anfing mit Sir Jinx und Kid Disaster auf Dr. Dres Parties aufzutreten, sagten wir Dinge, die niemand zuvor gesagt hatte.

SZ: Meinen Sie die Tabus, die sie sich mit N.W.A vorknöpften?

Ice Cube: Wir sprachen nur aus, was die Leute auf der Straße ohnehin längst dachten. Vor N.W.A. mussten sich schwarze Popmusiker wie Ike Turner eine Fliege anziehen, wenn sie auf die Bühne gingen. Nun konnte jeder er selbst sein. Ein Gangster durfte ein Gangster sein, und konnte trotzdem im Unterhaltungsgeschäft Erfolg haben.

SZ: Wegen des Songs "Fuck Tha Police!" bekamen Sie einen offiziellen Brief vom FBI, in dem Sie aufgefordert wurden, den Song nicht mehr aufzuführen.

Ice Cube: "Fuck Tha Police!" war unsere politischste Nummer. So viele Menschen wollten, dass das einmal ganz laut gesagt wird.

SZ: Was dachten Sie, als Sie den FBI-Brief lasen?

Ice Cube: Darüber haben wir nur gelacht. Als im Fernsehen die Bilder der Unruhen gezeigt wurden, die Los Angeles in Atem hielten, nachdem Polizisten Rodney King verprügelt hatten, wusste ohnehin jeder, was los war. Ohne N.W.A. wäre die Empörung darüber vielleicht nur etwas weniger heftig ausgefallen.

SZ: Heute arbeiten Sie als Schauspieler und Fernsehproduzent auch sehr erfolgreich an familienfreundlichen Unterhaltungsserien wie "Barber Shop". Auf ihren Platten geben sie allerdings nach wie vor den Gangster-Rapper. So richtig passt das nicht zusammen.

Ice Cube: Ich bin noch immer in erster Linie ein Hip-Hop-Künstler. Aber inzwischen eben auch Familienvater und Geschäftsmann. Und als Geschäftsmann weiß ich, dass die Menschen Komödien sehen wollen, um von ihren Alltagssorgen abgelenkt zu werden.

SZ: Sie haben vier Kinder. Erlauben Sie denen eigentlich, die Fluchorgien auf Ihren Platte anzuhören?

Ice Cube: Natürlich. Ich halte nichts davon, Kinder vor der Welt der Erwachsenen fernzuhalten. Aber ich versuche, ihnen jeden Tag diese Welt zu erklären. Also etwa, was Entertainment ist und was die Realität. Dass es zum Hip-Hop-Geschäft gehört, forsche und gewagte Aussagen zu machen, weil einem sonst niemand zuhört. Meine zwei ältesten Söhne sind übrigens längst Kollegen. Sie habe beide als Rapper und Produzenten an meinem neuen Album mitgearbeitet.

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